SARS-CoV-2: Antikörperantwort bei neuen Varianten
Aktuell befindet sich weltweit die SARS-CoV-2-Variante BA.2.86 auf dem Vormarsch. Sie scheint Fitnessvorteile im Vergleich zu den vorherigen Varianten zu haben. Auch wenn SARS-CoV-2 für das Immunsystem kein Unbekannter mehr ist, stellen neue Virusvarianten nach wie vor eine Herausforderung dar. In einem als Affinitätsreifung bezeichneten Prozess können Antikörper durch den Austausch (Mutationen) einzelner Aminosäuren mit der Zeit reifen und so infektiöse Erreger besser erkennen. Die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät, konnte nun zeigen, dass eine Omikron-Infektion bei geimpften Personen eine erneute Immunantwort hervorruft, die primär auf der Reaktivierung sogenannter Gedächtnis-B-Zellen beruht. Interessanterweise hatte der Reifungsprozess der von diesen Zellen produzierten Antikörper bereits lange vor der Entstehung von Omikron stattgefunden – das Immunsystem war also schon vorbereitet. Die Ergebnisse der beiden veröffentlichten Studien zeigen, wie stark der erste Kontakt mit SARS-CoV-2 das Immunsystem prägt und geben Hoffnung, dass es auch auf zukünftige Varianten vorbereitet ist.
Kaum weitere Reifung nach Impfung
„Unser Ziel war es zunächst zu untersuchen, wie sich die Antikörperantwort bei gesunden Testpersonen durch eine dritte Impfung gegen den ursprünglichen SARS-CoV-2 Stamm verändert“, berichtet Svea Rose, Doktorandin und eine Erstautorin. „Die Ergebnisse haben uns erstmal überrascht. Obwohl die dritte Impfung die SARS-CoV-2-Immunantwort insgesamt deutlich verstärkt hat, war auf der Ebene einzelner Antikörper kaum eine weitere Reifung zu beobachten.“ Untersucht wurden im Verlauf aber auch Personen die sich – wie viele Menschen – nach der Impfung mit den Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 infiziert haben. Die erneute Analyse zeigte, dass sich jetzt Gedächtnis-B-Zellen vermehrten, die in der Lage waren, SARS-CoV-2 Omikron neutralisierende Antikörper zu bilden.
Breit neutralisierende Antikörper früh gefunden
„Interessanterweise waren die gegen die Omikron-Variante gerichteten Immunzellen bereits vor dem Kontakt mit Omikron vorhanden und nicht erst durch Omikron induziert“, ergänzt Erstautor Dr. Timm Weber. Doch damit nicht genug: Die Forscherinnen und Forscher fanden bereits zu einem frühen Zeitpunkt sogenannte breit neutralisierende Antikörper, die alle getesteten neuen Varianten neutralisieren können.
Zufällige Modifikationen entdeckt
Parallel dazu schaute sich die Arbeitsgruppe den molekularen Mechanismus der Affinitätsreifung an. Es wurde quasi die Zeit zurückgedreht und einzelne Antikörper, welche im ersten Jahr der Pandemie überall auf der Welt isoliert wurden, wurden in ihren Ausgangszustand zurückversetzt, berichten die beiden Erstautoren Michael Korenkov und Dr. Matthias Zehner in der Studie. Dadurch konnten die Forschenden zeigen, dass ein Teil der Modifikationen während der Affinitätsreifung nicht gerichtet, sondern zufällig stattfindet. Überraschenderweise waren es genau diese zufälligen Modifikationen, welche für die Neutralisation von Omikron-Varianten essenziell waren. „Das Immunsystem erweitert also das Arsenal an bestehenden Antikörpern durch das Einfügen von willkürlichen Mutationen und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit einen passenden Antikörper im Repertoire zu haben, wenn eine neue Virusvariante auftaucht“, erklärt Dr. Christoph Kreer, der die Studie zusammen mit Prof. Klein leitete. Die neuen biologischen Erkenntnisse konnte die Gruppe nutzen, um einen therapeutischen Antikörper, welcher gegen Omikron unwirksam war, so zu modifizieren, dass er Omikron-Varianten wieder effektiv neutralisieren konnte.
Zusammengefasst zeigen die Arbeiten wie das menschliche Immunsystem auf ein neues Virus und seine entstehenden Varianten reagiert. Die neu isolierten breit-neutralisierenden Antikörper sind dabei so wirksam, dass sie auch therapeutisch und präventiv gegen neuere Omikron-Varianten eingesetzt werden könnten.
Quelle: idw/Uniklinik Köln
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