Kommentar: Planlos in den nächsten Coronawinter
Wenn es eines Beweises bedurfte, dass die Immunschuldhypothese nicht als Erklärung der steigenden Infektionen in anderen Bereichen dienlich sein kann, dann genügt ein Blick auf die Streptokokken-Surveillance-Statistik des Referenzlabors für Streptokokken an der Uniklinik RWTH Aachen (s. Abb.). Das Jahr 2023 sprengt (nicht nur in Deutschland) sämtliche Dimensionen, obwohl ja eigentlich bereits in den vergangenen beiden Jahren ein “Nachholeffekt” eingesetzt haben müsste, nachdem die Schutzmaßnahmen ad acta gelegt wurden. Doch das Gegenteil scheint der Fall. Im Jahr 2023 liegen z.B. die S. pyogenes Isolate nun mit deutlichem Abstand über all den Vorjahren. Die Frage, die sich stellt: Wann wird reagiert? Und wann kehrt endlich Realismus ein? Eine noch stärkere Untersuchung der Auswirkungen von (wiederholten) SARS-CoV-2-Infektionen ist nötiger denn je. Eine (kleine) aktuelle Studie, die in Scientific Reports veröffentlicht wurde, lässt ohnehin nichts Gutes erwarten. So wurde bei kardiometabolischen Proteomanalysen eine Fehlregulation von etwa 200 von 700 analysierten Proteinen in beiden PACS-Gruppen im Vergleich zu gesunden Probanden gefunden, wobei die Mehrheit (> 90 %) hochreguliert war. PACS steht für Postakute COVID-19-Erkrankungen. In dieser Studie wurden Patienten mit und ohne gleichzeitigem posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndrom (POTS) untersucht.
Immer die gleichen Floskeln von Politik und Teilen der Wissenschaft werden das Problem nicht lösen. Mehr Realismus (und Offenheit) wären endlich angebracht. Wenn Masken als Angriff auf die Menschenwürde bezeichnet werden, muss man sich schon fragen, welch ein Menschenbild dahintersteckt. Der Schutz der alten und vulnerablen Bevölkerungsgruppen sollte in einer offenen, solidarischen, menschlichen Gesellschaft eigentlich die Normalität sein.
“Primum non nocere” ist ein elementarer Grundsatz des Hippokratischen Eides. Es bedeutet übersetzt "Zuerst einmal nicht schaden". Schaden vom Patienten abzuwenden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Dazu zählen eben auch nosokomiale Infektionen. Inzwischen bekommt man leider den Eindruck, dass dies einige schlichtweg vergessen haben. Eine gute Vorbereitung für den Winter, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach immer wieder beschrieben hatte, kann man aktuell eher nicht erkennen. Die Infektionszahlen steigen allerorten. So verzeichnet SentiSurv RLP derzeit eine 7-Tage-Inzidenz von fast 2.000. Und auch die Abwasserdaten verheißen nichts Gutes. Die Hoffnung ruht nun darauf, dass die neuen SARS-CoV-2-Varianten, die sich gerade munter ausbreiten (können), nicht zu mehr Krankenhausaufenthalten führen. Denn das dürfte das Gesundheitssystem nicht mehr ohne Weiteres abfedern können. Die vermehrten wieder eingeführten Anti-Coronamaßnahmen in den Kliniken dürften ein Versuch sein, das Schlimmste gerade noch zu verhindern. Befürchten muss man allerdings, dass im Winter Corona wieder in den Alten- und Pflegeheimen wüten wird. Die Schuldigen dafür muss man dann nicht lange suchen.
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