Aktuelle Rechtsprechung zur Eingruppierung

I. Arbeitsvorgang gemäß § 12 TV-L/§ 12 TVöD? § 12 Abs. 2, Satz 1–3 TV-L/TVöD regeln, dass der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht, das heißt zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangtätigkeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Hierbei ist jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten und kann daher hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. November 2020 (6 AZR 331/19) zum Beispiel im Falle der Praxisanleitung entschieden, dass während der Zuweisung eines Auszubildenden bei der Patientenversorgung die gesamte Tätigkeit als Teil eines einheitlichen Arbeitsvorgangs zu sehen sei, auch wenn der Praxisanleiter dabei selbst pflegerische Aufgaben ausführt. Hiervon zu unterscheiden seien organisatorisch getrennte Tätigkeiten ohne Bezug zur Ausbildung. Für die Eingruppierung war die erforderliche Qualifikation als Praxisanleitung (PA) und eine dementsprechende Tätigkeit Voraussetzung. Die Qualifikation lag vor. Für den Arbeitsvorgang war hier die Tätigkeit in der Funktion als Praxisanleiter für Auszubildende maßgebend. Es handelt sich um einen Arbeitsvorgang, dessen Arbeitsergebnis die ordnungsgemäße Durchführung der übertragenen Ausbildung ist. Die Ausbildung umfasst sowohl ausbildungsbezogene administrative Tätigkeiten als auch die Durchführung der praktischen Ausbildung. Für den Zeitraum, in dem Auszubildende der PA bei der Patientenversorgung zugewiesen sind, ist die gesamte Tätigkeit in der Funktion als Praxisanleiter als Teil eines einheitlichen Arbeitsvorgangs zu sehen, auch wenn die PA selbst pflegerische Aufgaben ausführt. Die Arbeitsergebnisse „fachgerechte Patientenversorgung“ und „Anleitung der Auszubildenden“ sind in dieser Zeit nicht getrennt, da die PA jederzeit damit rechnen muss, Aufgaben einer Praxisanleitung zu übernehmen.

Anderes gilt, wenn organisatorisch von der PA getrennte Tätigkeiten ohne Bezug zur Ausbildung wahrgenommen werden, wie zum Beispiel, wenn ein normaler Schichtdienst allein oder mit anderen Pflegekräften ausgeübt wird. Das Arbeitsergebnis ist dann allein die fachgerechte Versorgung der Patienten. Hierbei hat das BAG in der Entscheidung offengelassen, ob es sich bei der gesamten Tätigkeit der Praxisanleitung nicht sogar um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handeln könnte. Bei MT fehlt es an einer Eingruppierungsregelung für die PA, gleichwohl diese nun für MT in § 20 MTBG verpflichtend geregelt ist und § 8 MTAPrV die Voraussetzungen dafür benennt. MT als Praxisanleitung sollten bis zu einer entsprechenden Eingruppierungsregelung mindestens in die EG 10 entsprechend einer Lehrkraft mit entsprechender Zusatzqualifikation eingruppiert werden, wenn bei ihnen, wie im oben geschilderten Fall, zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des Funktionsmerkmals „Praxisanleitung“ erfüllen. Der Entscheidung folgend, gilt das für die Zeit in der Auszubildende ihnen zugewiesen sind, selbst wenn sie selbst MT-Tätigkeiten ausführen. Auch könnte man die Entscheidung noch weiterdenken, da das BAG offengelassen hat, ob es sich nicht bei der gesamten Tätigkeit der MT(A) als PA nicht sogar um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handeln könnte, wenn zum Beispiel ein inhaltlicher Zusammenhang mit den PA-Tätigkeiten gegeben ist (zum Beispiel Vor- und Nachbereitung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Urteil des BAG vom 26. April 2023 (4 AZR 275/20), in dem die Rechtsprechung, dass die gesamte vertragliche Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen könne, bestätigt wird. Es sei insbesondere darauf abzustellen, ob ein objektiver Außenstehender die einzelnen Tätigkeiten einem oder mehreren Arbeitsergebnissen zuordnen würde. Von der durch den Arbeitgeber vorgenommenen Arbeitsorganisation sei abhängig, wie die Tätigkeit allgemein beschrieben oder verstanden werde. Je universeller eine Aufgabenzuweisung erfolge, desto wahrscheinlicher sei es, dass bei natürlicher Betrachtungsweise ein großer Arbeitsvorgang vorliege. Diese universelle Aufgabenzuweisung kann man bei einer PA annehmen.

Zwar besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber durch die Aufgabenzuweisung Einfluss nehmen. Der Rechtsbegriff des Arbeitsvorgangs unterliegt jedoch der vollen Überprüfung des Gerichts, welches bei Vorliegen der erforderlichen Tatsachenfeststellungen die Arbeitsvorgänge auch selbst bestimmen kann (BAG 9. September 2020 – 4 AZR 195/20).

Auch die Übernahme einer Leitungstätigkeit spricht nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs (BAG 12. Dezember 2012 – 4 AZR 199/11). Die Tätigkeit als Leitung stelle auch im Übrigen einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, da alle Tätigkeiten im Rahmen der Leitung der ordnungsgemäßen Erfüllung der für den Fachbereich zu erledigenden Aufgaben dienten (so zuletzt auch LAG Niedersachsen 13. Januar 2023 – 6 Sa 139/22). Ähnlich wie bei der PA wird festgehalten, dass die verantwortliche Leitung auch besteht, wenn reine Sachbearbeitung erfolge (so LAG Mecklenburg-Vorpommern 21. Juni 2022 – 2 Sa 73/21).

II. Schwierige Tätigkeit Das BAG hat entschieden, dass „schwierige Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Umfang anfallen müssen“ (hier mehr als 38 Prozent). Nicht erforderlich sei hingegen, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs schwierige Tätigkeiten ihrerseits in dem vom Tarifvertrag bestimmten Maß – in der Regel also mindestens zur Hälfte (50 Prozent) – zu bewältigen sind (BAG 26. April 2023 – 4 AZR 275/20).

III. Selbstständige Leistungen „Selbstständige Leistungen“ liegen vor, wenn aufgrund vorausgesetzter Fachkenntnisse ein selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative erfolgt. Leichte geistige Arbeit oder selbstständiges Arbeiten, das heißt eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung, reichen dafür nicht. Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinn ist ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Im Rahmen eines Abwägungsprozesses müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht dem nicht entgegen (BAG 16. Oktober 2019 – 4 AZR 284/18, LAG Baden-Württemberg 24. Januar 2022 – 1 Sa 21/21).

Das Wissen um eine Maßnahme, zum Beispiel Anordnungen, das rechtswidrige Verhalten abzustellen, reiche nicht. Das Wissen entspricht nur dem Eingruppierungsmerkmal „gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen“ (LAG Mecklenburg-Vorpommern 16. Mai 2023 – 5 Sa 160/22).

IV. Eingruppierungsprozess Sofern Sie die Eingruppierung gerichtlich durchsetzen wollen, müssen Sie darlegen, dass Sie mit Ihrer Tätigkeit die Eingruppierungsmerkmale der gewünschten Entgeltgruppe erfüllen. Es sind die Arbeitsinhalte, insbesondere die Arbeitsergebnisse, Zusammenhangstätigkeiten darzulegen und Einzelaufgaben davon abzugrenzen, um dem Gericht die Bestimmung der Arbeitsvorgänge zu ermöglichen (BAG 16. Dezember 2020 – 4 AZR 97/20).

Bauen die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der verschiedenen Entgeltgruppen eines Tarifvertrags aufeinander auf, wie bei den MT, so muss von Ihnen dargelegt werden, warum sich Ihre Tätigkeit von denjenigen Merkmalen der bereits gewährten Entgeltgruppe hervorhebt und Sie die Merkmale der gewünschten Entgeltgruppe erfüllen, sodass ein wertender Vergleich für das Gericht möglich wird (zuletzt BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 495/21), beispielsweise als Lehrkraft, dass Sie nicht nur Lehrkraft, sondern Lehrkraft mit Zusatzqualifikation sind.

Fazit Die Rechtsprechung liefert Ihnen gute Argumente für die richtige Eingruppierung. Wünschenswert wäre jedoch, die Entgeltordnung der MT zu überarbeiten, da diese Tätigkeiten als PA, Qualitätsbeauftragte et cetera nicht beinhaltet und auch nicht alle Fachrichtungen der MT abbildet, sondern nur darauf verweist, dass die Entgeltordnung für diese entsprechend gilt.