Am 8. März wird der „Internationale Tag der Frauen“ begangen. Seit 1911 wird dabei weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht. Auch in der Medizin gibt es deutliche Unterschiede, die erst in den vergangenen Jahren verstärkt unter dem Begriff Gendermedizin ins Blickfeld geraten sind und stärker adressiert werden. So kann bspw. Alzheimer zwar jeden treffen - aber Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer. Rund zwei Drittel der Alzheimer-Erkrankten sind Frauen, allein in Deutschland sind das etwa 800.000 Betroffene. Als Grund galt lange, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer und deshalb häufiger erkranken. Heute weiß man jedoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Alzheimer erkrankt, ist höher als bei einem Mann, unabhängig von der jeweiligen Lebenserwartung. Darauf weist die Alzheimer Forschung Initiative hin.
Die wichtigsten Gründe für die Unterschiede:
- Der weibliche Hormonhaushalt: Ein zentraler Faktor, der im Zusammenhang mit dem erhöhten Alzheimer-Risiko von Frauen erforscht wird, ist laut Alzheimer Forschung Initiative der weibliche Hormonhaushalt. Besonders im Fokus stehe dabei Estradiol, ein Hormon aus der Gruppe der Östrogene. Studien deuten darauf hin, dass der sinkende Estradiolspiegel vor, während und nach der Menopause das Risiko für Alzheimer erhöhen könnte. Umgekehrt könnte ein Ausgleich dieses Hormonspiegels durch Hormonpräparate einen schützenden Effekt haben. Dies zeigen Untersuchungen an Frauen, die aufgrund der Wechseljahre oder einer Brustkrebstherapie eine Hormonersatztherapie erhalten haben. Bei den untersuchten Frauen fanden die Forschenden weniger Tau-Fibrillen im Gehirn. Diese schädlichen Ablagerungen stehen mit der Entstehung und dem Fortschreiten von Alzheimer in Verbindung. Laut Alzheimer Forschung Initiative zeige die Forschung aber auch, dass die Wirkung der Therapie vom Zeitpunkt und der Art des Präparates abhängt: So trete der schützende Effekt auf das Alzheimer-Risiko vor allem bei Frauen auf, die während des Übergangs in die Menopause oder in der frühen Postmenopause mit der Hormontherapie beginnen. Allerdings gebe es auch Hinweise, dass Hormontherapien nach den Wechseljahren, insbesondere in Kombination mit Gestagenen, das Brustkrebsrisiko erhöhen könnten. Diese Zusammenhänge müssten weiter erforscht werden, um klare Handlungsempfehlungen geben zu können.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems spiele eine wichtige Rolle, wenn es um das Risiko für verschiedene Krankheiten gehe, das gelte auch für Alzheimer, so die Alzheimer Forschung Initiative. Herz-Kreislauf-Erkrankungen seien demnach ein wichtiger Risikofaktor für eine spätere Alzheimer-Erkrankung. Lange galten Herz-Kreislauf-Erkrankungen als typische „Männerkrankheiten“. Aber gerade nach der Menopause haben auch Frauen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Östrogenmangel führt dazu, dass die Gefäße weniger geschützt sind und schneller verkalken. Auch die Cholesterin- und Blutdruckwerte verschlechtern sich bei vielen Frauen. Dadurch erhöhe sich auch bei Frauen das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall - und damit auch für eine Alzheimer-Krankheit. Deshalb sei es für Frauen im mittleren Alter besonders wichtig, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit auch Alzheimer vorzubeugen, zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung sowie regelmäßige ärztliche Kontrollen, betont die Alzheimer Forschung Initiative.
- Die sozioökonomische Situation: Die Initiative verweist allerdings auch auf soziale und ökonomische Gründe, warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken. Frauen verdienen oft weniger als Männer (Gender Pay Gap) und hätten dadurch einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem. Auch die Art der Berufe oder die Unterbrechung der Karriere für Familienarbeit könnten laut Alzheimer Forschung Initiative einen Einfluss haben. Ein aktives Berufsleben mit hohen geistigen Anforderungen könne das Alzheimer-Risiko senken, weil das Gehirn stärker gefordert werde. Durch die Doppelbelastung von Erwerbsarbeit und unbezahlter Care-Arbeit seien Frauen jedoch oft großem Stress ausgesetzt. Zudem gebe es ein höheres Risiko, an Depression zu erkranken. Stress und Depressionen gehörten zu den Risikofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Alzheimer-Forschung
Trotz dieser Unterschiede würden geschlechtsspezifische Differenzen bei der Entstehung, der Diagnose und der Behandlung der Alzheimer-Krankheit immer noch zu wenig berücksichtigt. Noch immer sei nicht ausreichend erforscht, welche Rolle weibliche Hormone und genetische Faktoren beim Abbau der Nervenzellen im Gehirn spielten. Auch orientierten sich viele Diagnoseverfahren an Symptomen, die bei Männern häufiger vorkommen. Das könne dann dazu führen, dass Alzheimer bei Frauen später oder falsch diagnostiziert werde. An klinischen Studien zur Entwicklung neuer Medikamente nähmen mittlerweile zwar Frauen und Männer gleichberechtigt teil, allerdings würden die Daten oft nicht nach Geschlechtern getrennt ausgewertet. Dadurch fehle das Wissen, ob und wie sich die Wirksamkeit oder Nebenwirkungen bei Frauen unterscheiden, kritisiert die Alzheimer Forschung Initiative.
Ein Beispiel dafür sei das neue Alzheimer-Medikament Leqembi (Wirkstoff Lecanemab), das möglicherweise bald auch in Deutschland zugelassen werde. Klinische Studien legten nahe, dass der Wirkstoff bei Frauen weniger wirksam sei als bei Männern. Der Zusammenhang sei jedoch aber bisher nicht weiter erforscht worden und spiele in der aktuellen Diskussion um die mögliche Zulassung des Wirkstoffes gar keine Rolle.
Quelle: Alzheimer Forschung Initiative e.V.
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