Kardiologen fordern mehr genderspezifische Forschung

Positionspapier zur Gendermedizin mit Fokus auf kardiovaskuläre Erkrankungen
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Die Unterschiede bei Frauen und Männern hinsichtlich des Risikos und der Ausprägung kardiovaskulärer Erkrankungen werden bisher zu wenig berücksichtigt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung fordert deshalb mehr genderspezifische Forschung.

Die Symptome verschiedener Herz-Kreislauf-Erkrankungen können bei Männern und Frauen ganz unterschiedlich in Erscheinung treten. Auch gibt es Unterschiede in der Wirkung von Medikamenten. Dennoch werden geschlechterspezifische Faktoren in der Gesundheits- und Krankheitsforschung oftmals zu wenig berücksichtigt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) hat deshalb ihr erstes Positionspapier zur Gendermedizin mit Fokus auf kardiovaskuläre Erkrankungen veröffentlicht. Es soll Ärztinnen und Ärzten sowie ihren Patientinnen und Patienten auf die wissenschaftlich begründeten Unterschiede hinweisen und so zu einer bestmöglichen Versorgung beitragen.

Ein Herzinfarkt wird bei Frauen häufig verzögert erkannt

Die typischen Symptome eines Herzinfarkts wie starkes Enge- oder Druckgefühl in der Brust mit häufiger Ausstrahlung in den linken Arm finden sich typischerweise bei Männern. Bei Frauen sind diese seltener, außerdem weisen sie häufiger unspezifische und vielfältigere Symptome auf.

„Oft ist der Brustschmerz schwächer ausgeprägt und das Ausstrahlen in den linken Arm kann auch ausbleiben“, bemerkt Prof. Dr. med. Andrea Bäßler, Sprecherin der AG28 „Gendermedizin in der Kardiologie“ der DGK. „Stattdessen berichten betroffene Frauen eher von Kurzatmigkeit, geringerer Belastbarkeit, Schmerzen in Oberbauch und Rücken sowie von vegetativen Veränderungen wie Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbruch.“ Dies führe häufig dazu, dass Frauen, aber auch Ärzte die Hinweise fehldeuten und beispielsweise an eine Magenverstimmung denken. So kann es selbst in der Notaufnahme im Krankenhaus zu Fehldeutungen durch das Fachpersonal kommen. Der gefährliche Herzinfarkt könne dann spät oder möglicherweise gar nicht diagnostiziert werden und gelegentlich unbehandelt bleiben.

Rauchen ist für Frauen riskanter

Nikotinkonsum schadet allen Menschen. Für Frauen ist das damit verbundene Risiko für einen Herzinfarkt der DGK zufolge aber höher als für Männer: „Während männliche Raucher ein durchschnittlich 1,43-mal höheres Risiko für einen Herzinfarkt haben als Nichtraucher, ist das durchschnittliche Risiko für Raucherinnen 2,24-mal höher. Zudem reduziert Nikotin die Aktivität des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen und vermindert die Prolaktinsekretion, wodurch die Menopause ein bis vier Jahre früher eintreten kann und das kardiovaskuläre Folgerisiko erhöht wird.“ Dafür hätten Frauen ein deutlich geringeres Risiko beim intensiven Sporttreiben: Athletinnen erleiden beim Leistungssport seltener maligne Rhythmusstörungen oder einen plötzlichen Herztod.

Leitlinien berücksichtigen Geschlechterunterschiede wenig

Beide Geschlechter haben, so die DGK, im mittleren Alter ein ähnliches Risiko für Bluthochdruck (Männer: 34 % vs. Frauen: 32 %). Frauen haben im Alter jedoch öfter bluthochdruckabhängige Erkrankungen. Bei Frauen geht der Anstieg des arteriellen Blutdrucks ab dem 30. Lebensjahr nämlich schneller voran und beschleunigt sich nach der Menopause abermals. Zudem weisen Studien darauf hin, dass Frauen im Vergleich zu Männern schon bei niedrigeren Blutdruckwerten ein höheres Risiko für Herzschwäche und Schlaganfall haben.

Auch sprechen Männer und Frauen auf blutdrucksenkende Mittel unterschiedlich an, was das Risiko für Nebenwirkungen beeinflusst. Da es allerdings an randomisierten Studiendaten fehlt, finden diese Unterschiede in den europäischen Leitlinien zum Management der arteriellen Hypertonie bislang keine Beachtung, kritisiert die DGK.

Frauen sind in Studien unterrepräsentiert

Diese Informationslücken basieren zum Großteil darauf, dass Frauen in wissenschaftlichen Studien aus unterschiedlichen Gründen unterrepräsentiert sind. „Umso wichtiger ist es, ab sofort beim Einschluss von Patienten in klinischen Studien ein angemessenes Verhältnis beider biologischer Geschlechter anzustreben, das in Relation zur Häufigkeit der Erkrankung bei Frauen und Männern steht“, so Bäßler. „Nur so können wir wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse erlangen, um zukünftig eine optimale Versorgung sowohl von Männern als auch Frauen sicherzustellen“.

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1007/s12181-024-00694-9

Quelle: idw

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