Laut Alzheimer Forschung Initiative leben hierzulande 1,2 Millionen Menschen mit Morbus Alzheimer. Diese Form der Demenz gilt als Erkrankung des Alters. Meist sind Betroffene jenseits der 65, wenn sie die Diagnose erhalten. Allerdings entsteht die Krankheit bereits viele Jahre bevor sich Symptome einer Demenz zeigen. Kleine Proteine, sogenannte Beta-Amyloid-Peptide, verklumpen im Gehirn zu Plaques, was zu Entzündungen und letztlich zum Tod von Nervenzellen führt.
Diagnostische Marker im Frühstadium fehlen
Wie es zu den krankhaften Veränderungen im Gehirn kommt, ist im Detail noch unklar. „Es fehlen gute diagnostische Marker, um die beginnende Krankheit frühzeitig und sicher zu erkennen oder Vorhersagen über ihren Verlauf zu machen“, sagt Professor Erich Wanker, Leiter der Arbeitsgruppe „Proteomforschung und molekulare Mechanismen bei neurodegenerativen Erkrankungen“ am Max Delbrück Center. Wanker untersucht mit seinem Team das Proteom im Alzheimer-Gehirn – das Zusammenspiel aller Proteine, die daran beteiligt sind, dass die Krankheit entsteht und voranschreitet. In einer aktuellen Studie beschreiben sie einen neuen Mitspieler im Krankheitsgeschehen: Er könnte eventuell zur Aufklärung des Krankheitsmechanismus beitragen und er habe das Potential zum Marker für eine bessere Diagnostik zu werden, so die Wissenschaftler/-innen.
Arl8b im Tierversuch aufgefallen
Um die Veränderungen des Proteoms zu analysieren, arbeitet Wankers Team mit genetisch veränderten Mäusen. Die Tiere tragen in ihrem Erbgut fünf verschiedene Mutationen, die man von Betroffenen mit einer genetisch bedingten Alzheimer-Variante kennt. In den Gehirnen der Nager entstehen die typischen Beta-Amyloid-Plaques, und sie zeigen Symptome wie Demenz. „Bei unseren Analysen ist uns ein Protein mit der Bezeichnung Arl8b aufgefallen, das sich zusammen mit den Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn der Tiere anreichert“, sagt Annett Böddrich, Erstautorin der Veröffentlichung. Auch in Gehirnproben von Alzheimer-Patienten fanden die Forscherinnen und Forscher Ansammlungen des Proteins.
Angriffspunkt für Therapien?
Arl8b ist mit Lysosomen verbunden, Zellorganellen, die eine Rolle beim Abbau von zusammengeklumpten Proteinen spielen. Zuvor haben andere Forscherinnen und Forscher beim Fadenwurm C. elegans etwas Interessantes entdeckt: Wenn man die Produktion von Arl8b erhöht, kann dies dazu führen, dass Beta-Amyloid-Aggregate abgebaut werden und die schädliche Wirkung auf Nervenzellen sinkt. Eine genauere Untersuchung von Arl8b könnte somit entscheidend sein, um das Krankheitsgeschehen bei Alzheimer besser zu verstehen – und möglicherweise sogar einen neuen Angriffspunkt für Therapien aufzeigen.
Arl8b als neuer diagnostischer Marker?
Doch das ist noch nicht alles: „Wir können nachweisen, dass Arl8b im Liquor, also in der Gehirnflüssigkeit von Alzheimer-Patienten gegenüber gesunden Kontrollpersonen signifikant erhöht ist“, sagt Böddrich. Liquor ist im Gegensatz zu Hirngewebe für diagnostische Untersuchungen gut zugänglich. „Das macht Arl8b zu einem interessanten Kandidaten für einen diagnostischen Marker“, sagt Böddrich.
Es wurde allerdings erst eine kleine Gruppe von Alzheimer-Patienten untersucht. „Für konkrete Hoffnung auf einen diagnostischen Test ist es zu früh“, dämpft Wanker die Erwartungen. Doch er ist überzeugt: „Unsere Arbeit zeigt, dass Proteomforschung entscheidende Informationen liefert, um Krankheitsmechanismen und Marker zu identifizieren, und so die Forschung voranzutreiben – nicht nur bei der Alzheimer-Krankheit, sondern auch bei anderen komplexen neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Chorea Huntington.“
Quelle: idw/MDC
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