Krankenhausreform: Wortreiche Unverbindlichkeit? 

Gemeinsames Eckpunktepapier
ab
Krankenhausreform, Bund-Länder-Kompromiss
© Gorodenkoff/stock.adobe.com
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Die Reaktionen auf den Bund-Länder-Kompromiss zur Krankenhausreform reichen von Euphorie bis Ablehnung.

In Berlin kamen die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister, Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach sowie die Fraktionen der Ampel-Koalition zusammen, um die letzten Streitpunkte auszuräumen. Anschließend wurde ein gemeinsames Eckpunktepapier als Grundlage für einen Gesetzentwurf veröffentlicht. Bayern hatte als einziges Bundesland gegen die Eckpunkte gestimmt.  Schleswig-Holstein hatte sich enthalten. 

Fallpauschalen abgelöst

Lauterbach: „Wir lösen das System der Fallpauschalen ab, durch ein System der Vorhaltepauschalen. Die Kliniken erhalten so Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen anbieten – selbst dann, wenn sie sie nicht immer erbringen. Das nimmt den ökonomischen Druck von den Klinken, erlaubt eine Entbürokratisierung und sorgt für mehr Sicherheit und Qualität bei der medizinischen Versorgung von Patienten. Das ist eine Revolution.“

Vorhaltepauschale: 60% der bisherigen DRG-Vergütung

Lauterbach stellte heraus, dass nur Kliniken, die die Qualitätskriterien für bestimmte Leistungen auch erfüllen, die Vorhaltepauschalen erhalten: „Die Patienten können sich darauf verlassen, dass die angebotenen Krankenhausbehandlungen auch immer nötig sind und vom Krankenhaus mit der entsprechenden Qualität durchgeführt werden können.“  Die Vorhaltepauschale von 60% (der bisherigen DRG-Vergütung) sei eine Existenzgarantie für kleine Klinken. So könne eine flächendeckende medizinische Versorgung vor allem auf dem Land gesichert werden - trotz einbrechender Fallzahlen.  Das habe auch die ostdeutschen Bundesländer zu Zustimmung bewogen. 

Eigenes Bundesgesetz zur Qualitätstransparenz

Keine Einigung gab es hinsichtlich der vom Bund gewünschten und einigen Ländern abgelehnten Transparenzoffensive, wie Lauterbach einräumte. Aber darüber habe man gar nicht mehr gestritten. „Das macht der Bund allein“, betonte Lauterbach. Der Bund hole diese Information von den Krankenhäusern selbst ein. Nach der Sommerpause lege der Bund ein eigenes Gesetz zur Transparenz vor. Die Transparenzoffensive soll am 1. Januar 2024 starten.

Vorhaltepauschalen in Kritik

Als Planwirtschaft bezeichnet Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes, dagegen den Umstieg zu Vorhaltepauschalen. Die fatalen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung müssten mit den in den Eckpunkten vorgesehenen Auswirkungsanalysen gemeinsam mit der Krankenhauspraxis bewertet werden. Das sei mehr als überfällig. 

Fehlen Maßstäbe für Über- und Unterversorgung?

Euphorie sei fehl am Platz, urteilt auch der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried. Er vermisst Maßstäbe für Unter- und Überversorgung: „So fehlt es etwa an Kriterien, wie viele Kliniken mit der entsprechenden Leistungsgruppe in einer Region nach Anzahl und Struktur der Bevölkerung erforderlich sind und innerhalb einer gewissen Fahrzeit mindestens erreichbar sein sollten.“ Auch bleibe die Frage offen, wie mit der Situation umzugehen ist, wenn in einer Stadt sechs Krankenhäuser die Anforderungen erfüllen, der bevölkerungsbezogene Bedarf aber lediglich bei drei Häusern liegt.

„Wortreiche Unverbindlichkeit“

Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbruck, bezeichnet den Bund-Länder-Kompromiss als eine Einigung auf „wortreiche Unverbindlichkeit“, die der Bundesgesundheitsminister als Revolution verkaufe. Die Eckpunkte legten sich in den wenigsten Fragen fest und blieben besonders im Hinblick auf die notwendige finanzielle Ausstattung zum Ausgleich aktueller Finanzierungsengpässe, aber auch zur Umsetzung der Reform, unverbindlich. „Einziger positiver Aspekt ist aus unserer Sicht die Anerkennung der Krankenhausplanung als Länderaufgabe. Ich danke dem Bayerischen Staatsminister für Gesundheit und Pflege, dass er trotz der Befürwortung einer notwendigen Reform gegen das vorliegende Eckpunktepapier gestimmt hat und weiterhin vehement für eine flächendeckende Versorgung unserer Bürger einsteht“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) twitterte: „Unzählige Krankenhäuser werden sterben.“ Der Bund lasse die Krankenhäuser im Stich. Die Ampel mache „eiskalten Strukturwandel zulasten des ländlichen Raums.“ 

Dezimierung von Krankenhaus-Kapazitäten 

Nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken e.V.( BDPK) wird der Bund-Länder-Kompromiss die bestehende Unterfinanzierung der Kliniken ebenso wenig beseitigen wie den Fachkräftemangel und die Überbürokratisierung. Stattdessen müssten sich die Patientinnen und Patienten wegen der absehbaren Dezimierung von Krankenhaus-Kapazitäten bei gleichzeitiger Entkopplung der Finanzierung von der tatsächlichen Leistungserbringung auf längere Wartezeiten bei medizinisch notwendigen Behandlungen einstellen. Zudem sei die angestrebte Entökonomisierung mit den vorgesehenen Instrumenten kaum zu erreichen.

Neue Planungssicherheit

Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) begrüßt dagegen „den positiven Abschluss der Beratungen von Bund und Ländern zur Krankenhausreform". Leistungsgruppen, Vorhaltefinanzierung und Versorgungslevel sowie die überregionale Koordination durch Universitätsklinika seien die zentralen Bausteine der Reform. Sie würden maßgeblich dazu beitragen, die Qualität der Patientenversorgung in Schleswig-Holstein zu verbessern, heißt es in dem offiziellen Statement. „Die Einführung von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen wird die Versorgungsaufträge der einzelnen Häuser deutlich schärfen und die Krankenhausstrukturen bundesweit vergleichbarer machen", so Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz, CEO des UKSH. Dieses neue Planungsinstrument müsse regelmäßig evaluiert und weiterentwickelt werden. Klar müsse zudem sein: "Weil über die Leistungsgruppen zukünftig die Vorhaltung finanziert wird, muss damit auch ein Versorgungsangebot 24/7 verbunden sein."

Regionale Koordination

Ähnlich argumentieren auch die Deutschen Universitätsklinika: „Die Bedeutung der Universitätsklinika für die regionale Koordination der Versorgung wird mit dem Beschlusspapier von Bund und Ländern anerkannt. Durch die Übernahme der Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben werden Universitätsklinika regionale Strukturen weiter unterstützen und gemeinsam mit anderen Krankenhäusern die flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten. Es ist richtig, dass zur Finanzierung dieser wichtigen Aufgaben zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis lässt sich die Krankenhausstruktur zukunftsfest weiterentwickeln“, betont Prof. Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).

Die Einigung im Detail:

  • Das überholte System der Fallpauschalen wird beendet. Stattdessen bekommen notwendige Kliniken Vorhaltepauschalen. Das heißt sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten.
  • Somit bestimmt die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung. Durch das neue System der Vorhaltepauschalen erhalten Krankenhäuser die Chance, zu überleben. Patientinnen und Patienten können sich darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich nötig ist und gut gemacht wird.
  • Der Bund legt nach der Sommerpause ein eigenes Gesetz zur Transparenz vor. Patienten haben ein Recht darauf zu wissen, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Die Transparenzoffensive soll am 1. Januar 2024 starten.
  • Über den Sommer wird auf Grundlage der vereinbarten Eckpunkte der Gesetzentwurf erarbeitet und danach ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Nachdem das Gesetz verabschiedet wurde, wird die Reform fortlaufend evaluiert, um die Wirkung beurteilen zu können.

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