Wird jedes vierte Krankenhausbett gestrichen?
Das deutsche Gesundheitswesen steht weiterhin vor großen Herausforderungen, für die es aktuell nicht gerüstet ist. Zu diesem Urteil gelangt der aktuelle Krankenhaus-Rating-Report. 11 Prozent der Krankenhäuser befanden sich danach 2021 im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 16 Prozent im „gelben“ und 73 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen 7 Prozent im „roten“, 25 Prozent im „gelben“ und 68 Prozent im „grünen Bereich“. Auch die Ertragslage der Häuser hat sich negativ entwickelt, 32 Prozent der Kliniken schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust. Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken war laut Report der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser.
Fallmengenunabhängige Vorhaltefinanzierung als Chance
„Die geplante große Krankenhausreform ist ein notwendiger Schritt, um das deutsche Gesundheitswesen effizienter und damit zukunftsfähig zu machen“, erklärte RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky bei Vorstellung des Reports auf dem Hauptstadtkongress in Berlin. Er hob insbesondere die Einführung einer fallmengenunabhängigen Vorhaltefinanzierung hervor, die den Mengenanreiz des DRG-Systems reduzieren, die Daseinsvorsorge stärken und über noch zu definierende Leistungsgruppen einen Anreiz zur Optimierung der Krankenhausstrukturen schaffen soll. Damit werde ein starker Anreiz gesetzt, Standorte zu größeren Einheiten zusammenzulegen, um damit ein höheres Versorgungslevel zu erzielen.
Effektive Patientensteuerung
Ergänzt werden sollte die Krankenhausreform laut Report durch eine effektive Patientensteuerung. Sie könne durch die Etablierung einer „Gatekeeper-Funktion“, sozial abgefederte Eigenbeteiligungen und den Ausbau der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erreicht werden. Integrierte Leitstellen (ILS) könnten die Gatekeeper-Funktion übernehmen und Hilfesuchenden abschließend helfen. Im Krankenhaus sollten Hilfesuchende auf ein Integriertes Notfallzentrum (INZ) treffen, das gemeinsam vom Krankenhaus und KV-Ärzten betrieben wird.
Jedes vierte Bett überflüssig?
Die geplante Krankenhausreform formuliert implizit ein Zielbild der künftigen Krankenhausstruktur: Im Jahr 2021 waren rund437.000 Betten in den Allgemeinkrankenhäusernnur noch zu 66 Prozent ausgelastet. Bei einer Zielauslastung von 85 Prozent und bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde ein Bedarf von nur etwa 316.000 Betten (1.200 Standorte). Eine flächendeckende Versorgung ist laut Report damit weiterhin gut möglich.
Erhebliche Veränderungen auf dem Land
Der Weg vom Status quo zum Zielbild ist mit erheblichen Veränderungen verbunden. Denn auch in ländlich geprägten Regionen, in denen die Flächendeckung eine große Rolle spielt, müssten Standorte zu größeren Einheiten zusammengelegt werden, wie der Report empfiehlt. Damit ließe sich eine höheres Krankenhauslevel und bei optimaler Standortwahl gleichzeitig die Flächendeckung erreichen. Eine erste grobe Abschätzung vornehmlich in ländlich geprägten Räumen zeigt laut Report, dass fast 200 Standorte der Stufe 1 zusammengelegt werden könnten, sodass anschließend rund 80 neue Standorte der Stufen 1 bis 3 entstünden. Würden alle diese Standorte neu gebaut, beträgt der Analyse zufolge derInvestitionsbedarf 18 Milliarden Euro. Dabei sei gegengerechnet, dass der Sanierungsbedarf an den alten Standorten entfällt. In städtischen Gebieten entsteht darüber hinaus ein Investitionsbedarf, wenn Kapazitäten gebündelt, umgewidmet oder geschlossen werden sollen.
Analyse von 976 Krankenhäusern
Datengrundlage des Reports ist eine Stichprobe von 521 Jahresabschlüssen von Krankenhäusern aus dem Jahr 2020 und 525 aus dem Jahr 2021. Sie umfassen insgesamt 976 Krankenhäuser. Für das Jahr 2022 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor. Der Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirt-schaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt.
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
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