Krankenhausreform: Drohen rigorose Einschnitte?

DKG legt Auswirkungsanalyse vor
ab
Auswirkungsanalyse offenbart massive Verschiebungen
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Am 6. Dezember 2022 hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zusammen mit der von ihm berufenen Regierungskommission ein umfassendes Reformkonzept für Krankenhäuser in Deutschland vorgestellt. Droht nun der Kahlschlag? Die Auswirkungsanalyse offenbart massive Verschiebungen.

Die Vorschläge der Regierungskommission für eine Krankenhausreform würden zu rigorosen Einschnitten für die Patientinnen und Patienten führen, so die Furcht vieler Akteure im Gesundheitswesen. Eine konkrete Auswirkungsanalyse wurde jedoch bislang aber weder von der Regierungskommission noch vom Bundesgesundheitsminister vorgelegt. Das hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) nun nachgeholt und damit das Forschungsinstitut Institute for Health Care Business (hcb) in Kooperation mit Vebeto beauftragt. Prof. Dr. Boris Augurzky, Mitglied der Regierungskommission und hcb-Geschäftsführer, stellte die Ergebnisse auf einer DKG-Pressekonferenz Mitte Februar vor. Datengrundlage waren die Qualitätsberichte der Krankenhäuser des Datenjahres 2020, die Notfallstufen nach den G-BA-Richtlinien und eine manuelle Prüfung zur Identifikation von Fachkliniken. 

Versorgungsstufen (Level) 

Der Entwurf der Regierungskommission sieht vor, dass die Krankenhäuser in drei Level eingeteilt und ihnen damit statisch bestimmte medizinische Leistungsgruppen zugeteilt werden. 

  • Die Grundversorgung mit nur wenigen Leistungsgruppen sollen in der Stufe Level 1n Kliniken mit einer Notaufnahme übernehmen, sofern nicht ein Haus der höheren Level binnen 30 Minuten erreichbar ist. 
  • In Level 2 sind Krankenhäuser mit höherer Notfallstufe und einem umfassenderen Leistungsangebot eingeordnet, die zudem eine Geburtshilfe sowie eine gynäkologische Fachabteilung und eine Stroke Unit für Schlaganfälle betreiben. 
  • Unter Level 3 fallen Unikliniken und vergleichbar aufgestellte Krankenhäuser mit der höchsten Notfallstufe und den meisten Leistungsgruppen. 
  • Alle nicht in diese Stufen fallenden Krankenhäuser sollen als Level 1i klassifiziert werden und nur noch ambulante und kurzstationäre pflegerische und ärztliche Versorgung (unter anderem durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte) erbringen dürfen. Ausnahmen kann eine Landesregierung definieren, wenn sie zur Versorgung der Bevölkerung eine andere Einstufung für erforderlich hält.

Das Institut kommt zu dem Schluss, dass von den heute rund 1.700 Standorten circa 630 entweder dem neuen Level 1i zugehörig wären oder keine Zuordnung zu einem Level bekämen. Darunter fallen viele potenzielle Fachkliniken. Etwa 830 Kliniken wären Level 1n. Würde man dies noch mit der 30-Minuten-Regel kombinieren, würden von diesen circa 560 weitere Kliniken zu 1i-Einrichtungen. In den beiden oberen Leveln wären es nach dieser Ausführung noch insgesamt rund 230 Krankenhäuser.

Verschiebung der Patientenströme

Wie groß die Auswirkungen sind, wenn die Kriterien der Regierungskommission streng angewendet würden, zeigt sich laut DKG bei der Verschiebung potenzieller Patientenströme. So müssten sich 52 Prozent aller werdenden Mütter einen neuen Standort für die Geburt suchen. 56 Prozent der Patientinnen und Patienten in der interventionellen Kardiologie müssten das Krankenhaus wechseln. In der Urologie wären es 47 und in der Neurologie 39 Prozent. Andere Leistungsgruppen hätten ähnliche Ergebnisse. „Wir werden weitere Szenarien durchspielen, um zu sehen, welche Änderungen der Kriterien welche Auswirkungen haben, zum Beispiel das Erreichen von Level 2, auch ohne Stroke Unit und ohne Geburtshilfe“, erklärte Augurzky. „Die Auswirkungsanalyse von hcb und Vebeto hat gezeigt, dass der Vorschlag der Regierungskommission in seiner bisherigen Fassung zu einem sehr tiefen Eingriff in die Krankenhauslandschaft führen würde“, resümierte Gaß. Sehr viele Kliniken würden ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung ganz verlieren oder müssten sehr weitgehend umgestaltet werden. Derart massive Veränderungen würden zu erheblichen Verwerfungen führen und seien sicher nicht erforderlich, um die Krankenhausversorgung zukunftsfest zu machen. 

Krankenhausreform vom „grünen Tisch“?

Wichtige medizinische Leistungen müssten bei konsequenter Anwendung des Reformkonzepts auf nur noch 36 Krankenhäuser im Rheinland und in Westfalen-Lippe konzentriert werden, kritisiert die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Das bedeute, dass der überwiegende Teil der 337 NRW-Krankenhäuser von elementaren Teilen der Versorgung ausgeschlossen würde. Die Auswirkungsanalyse zeige sowohl Einschnitte in der Krankenhauslandschaft als auch gewaltige Verschiebungen in beispielhaften Behandlungsfeldern auf. So müssten sich beispielsweise 70 Prozent aller werdenden Eltern eine neue Entbindungsklinik suchen. Zudem würde die Notfallversorgung bei Herzinfarkt oder Schlaganfall stark ausgedünnt.

Hohe Krankenhausdichte in NRW

In Nordrhein-Westfalen erreichen nach Aussagen der NRW-Krankenhausgesellschaft von 358 Krankenhausstandorten der Analyse zufolge nur 14 das Level 2 und weitere 22 das Level 3. Neben diesen 36 Kliniken erfüllen zwar 233 Krankenhäuser die Voraussetzung für das neue Level 1n, doch lässt die Vorgabe der Regierungskommission nur 47 Krankenhäuser tatsächlich direkt zu. Alle anderen Häuser liegen zu nah an einem Krankenhaus der höheren Stufe und können deshalb nur als Level 1i mit weitermachen. Dies gelte auch für 63 Krankenhäuser, die direkt in diese Kategorie fallen sollen. Die konkreten Folgen eines solchen Modells illustriert die Auswirkungsanalyse mit vier Beispielen:

  • Geburtshilfe: Von 137 Standorten mit einer Geburtshilfe (Stand: 2021) lässt die Beschränkung auf die Level 2 und 3 nur noch 35 Standorte übrig. 70 Prozent der werdenden Eltern müssen sich eine andere Entbindungsklinik suchen. (IT NRW führt für 2021 fast 175.400 Geburten in NRW an.)
  • Interventionelle Kardiologie: Akute Herzinfarkte können aktuell in 136 Standorten mit einer interventionellen Kardiologie schnell behandelt werden. Bei Einschränkung auf die Level 2 und 3 bleiben noch 34 Standorte übrig. 70 Prozent der Patientinnen und Patienten müssten auf eines dieser Krankenhäuser ausweichen.
  • Neurologische Versorgung: Auch die allgemeine oder komplexe Neurologie soll nur noch in Level 2 oder 3 stattfinden. Damit bleiben 33 statt bisher 74 Standorte übrig. Die Hälfte aller Patientinnen und Patienten (52 Prozent) müsste sich eine andere Klinik suchen.
  • Urologische Versorgung: Die geplante Verlagerung der allgemeinen und komplexen Urologie in Häuser der Level 2 und 3 lässt nur noch 22 statt bisher 80 Standorte zu. Auch hier müssen 72 Prozent aller stationären Fälle auf die wenigen verbliebenen Standorte ausweichen.

Die Bedeutung der Fallpauschalen (DRG) zu reduzieren und im Gegenzug Vorhaltebudgets für Leistungsgruppen einzuführen, wird von vielen Akteuren des Gesundheitswesens begrüßt. Sowohl die DKG als auch der AOK-Bundesverband sprechen sich dafür aus. Für die Definition der Versorgungsstufen trifft das jedoch nicht zu. Dr. Carola Reimann vom AOK-Bundesverband: „Die Versorgungsstufen sollten aus unserer Sicht dagegen nicht überbetont werden.“ 

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