Krankenhaus Düren startet eine Sepsis Aufklärungskampagne
„In vielen Ländern der Erde ist der Kampf gegen die Sepsis eine nationale Angelegenheit – mit dem Ergebnis, dass die Sterberaten dort deutlich niedriger sind“, sagt Dr. Bernhard Heising, Krankenhaushygieniker und Infektiologe des Krankenhauses Düren. „In Australien, England, Frankreich oder auch in den USA gibt es große öffentliche Kampagnen. Ganze U-Bahn-Stationen und Kaufhäuser sind damit zugepflastert. In Deutschland gibt es das leider nicht“, ergänzt Dr. Jan Karl Schütte, Sektionsleiter der operativen Intensivmedizin. Grund genug für das Dürener Krankenhaus, selber tätig zu werden. Dr. Heising, Dr. Schütte und Prof. Stefan Schröder, Chefarzt der Anästhesie, brachten die Idee einer eigenen Kampagne ins Gespräch und wurden von der gesamten Chefarztrunde unterstützt. Um eine wirkungsvolle Gestaltung des Plakates zu erzielen, wurde Annelie Barnowsky, ehemalige Sekretärin von Prof. Schröder und begeisterte Hobbymalerin, ins Boot geholt. Sie zeichnete die „Emojis“ zu den kurz und prägnant formulierten Symptomen, die jeder kennen sollte: schnelle Atmung oder Herzrasen, Verwirrung, verwaschene Sprache oder Desorientierung, Fieber oder Zittern, Schwäche oder Muskelschmerzen, keinen Urin absetzen können, neuer Hautausschlag oder verfärbte Haut.
Jede Stunde zählt
„Die Menschen müssen diese Symptome kennen, um schnell handeln zu können“, sagt Prof. Schröder. Denn jede Stunde zählt: Die Erkrankung an einer Sepsis ist zwar sehr kritisch, aber nicht aussichtslos. Die zügige Einleitung von Behandlungsmaßnahmen, insbesondere Antibiotika, intravenöse Flüssigkeitsgabe und gezielte Behandlung zur Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs, können das Sterberisiko halbieren. Patienten mit Verdacht auf eine Sepsis sollten deshalb sofort ins Krankenhaus gebracht werden.
Auch in der Klinik kann eine Sepsis entstehen. Um den Ärzten aller Fachbereiche in einem Verdachtsfall die sofortige Reaktion zu vereinfachen, hat das Krankenhaus Düren im Rahmen der Kampagne auch eine neue Taschenkarte mit allen relevanten Grenzwerten und Behandlungsschritten erstellt. „Wir wollen alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Chancen von Patienten mit Sepsis zu verbessern“, betont Dr. Heising, der die Kampagne gerne auch über das Krankenhaus Düren hinaus entfalten möchte. So stellt das Krankenhaus das Plakat auch interessierten Arztpraxen zur Verfügung, die sich direkt an Dr. Heising wenden können (Tel. 02421/301366). Ein Aktionstag im Herbst ist ebenfalls in Planung.
Bei einer Sepsis zählt jede Stunde – Daten und Fakten verdeutlichen das lebensbedrohliche Krankheitsbild
Anfang der 1970er Jahre berichteten McCabe und Mitarbeiter über die erschreckend hohe Inzidenz und Letalität der Sepsis in den USA und erkannten diese als bedeutsames gesundheitspolitisches Problem. Angesichts dieser Zahlen ist die Sepsis mit ihren unterschiedlichen Ausprägungsgraden hinsichtlich der Erkrankungsschwere trotz aller medizinischen Fortschritte in den vergangenen Jahren nach wie vor eine lebensbedrohliche Erkrankung mit annähernd gleichbleibender Letalität geblieben. Jährlich erkranken weltweit 20 bis 30 Millionen Menschen an Sepsis, was alle drei bis vier Sekunden zu einem Todesfall führt [2]. Die Sepsis und der septische Schock werden entsprechend der Dritten Internationalen Konsensus Konferenz als lebensbedrohliche Organdysfunktionen definiert, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion hervorgerufen werden. Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung, bei der die Reaktion des Körpers auf eine Infektion zu einer Schädigung der eigenen Gewebe und Organe führt [3].
INSEP-Studie
Im Rahmen der INSEP-Studie („Incidence of severe sepsis and septic shock in German intensive care units“) wurde das Auftreten von schwerer Sepsis und septischem Schock auf 129 Intensivstationen unterschiedlicher Fachdisziplinen in 95 Kliniken in Deutschland untersucht [1]. Bei den betrachteten 11.883 Patienten konnte eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock bei 1.503 Patienten (12,6 %) nachgewiesen werden. 860 Sepsisfälle (57,2 %) waren nosokomial und 643 (42,7 %) ambulant assoziiert. Die häufigsten Infektionen betrafen den Respirationstrakt (46,6 %), das Abdomen inklusive Gastrointestinaltrakt (28,7 %) und das harnableitende System (12,6 %). Die Inzidenz der Sepsis betrug 11,76 pro 1.000 Intensivbehandlungstage. Die Letalität, die mit schwerer Sepsis und septischem Schock einherging, betrug 34,4 %. Ein Multiorgandysfunktionssyndrom trat häufig bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock auf. Mehr als 50 % aller Sepsisfälle gehen auf nosokomiale Infektionen zurück. In einer einjährigen prospektiven Studie zur Erfassung von nosokomialen Bakteriämien in einem deutschen Universitätsklinikum fand man von 315 im Krankenhaus beobachteten Bakteriämien in 77,8 % der Fälle nosokomiale Infektionen als Ursache. Die Erhebung zeigte, dass die meisten Fälle von nosokomialer Sepsis auf der Intensivstation auftraten. Als Gründe für die zunehmende Sepsis-Inzidenz, besonders bei Patienten über 65 Jahren, gelten:
• eine höhere Lebenserwartung prädisponierter Patienten mit Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz usw.
• immunsuppressive Therapie bei Tumorkranken und Transplantierten
• aggressive invasive therapeutische Maßnahmen
• der Anstieg der Häufigkeit nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern [5].
Prophylaxe- und Therapiestrategien ausschöpfen
Die Sepsis zählt zu den ältesten und am schwersten zu erkennenden Krankheiten in der Medizin. Dass die Sepsisinzidenz so unverändert hoch rangiert, liegt zu einem großen Teil an dem Problem der zu späten Diagnosestellung, sodass der Übergang von einer lokal begrenzten Infektion zu einer schweren Sepsis nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden kann. Eine Herausforderung zur Reduktion der Sepsisinzidenz liegt nach dem heutigen Wissensstand, an der frühstmöglichen Unterbrechung der inflammatorischen Kaskade. Die Sepsis-Mortalität hat sich in den letzten Jahren trotz Verbesserung antiinfektiver und intensivmedizinischer Therapien nicht wesentlich verändert und ist weiterhin beängstigend hoch. Es ist herausfordernd, die Diagnose Sepsis zu stellen, da kein singulärer klinischer und Labor-Parameter zur Verfügung steht, der eine Sepsis im Frühstadium voraussagen könnte. Bei kritisch Kranken können die Primärsymptome der Sepsis wie Fieber, Hypothermie, Schüttelfrost, Hyperventilation, Bewusstseinsstörungen, Hautveränderungen fehlen.
Die Früherkennung der Sepsis durch eine entsprechende Vigilanz für das lebensbedrohliche Krankheitsbild mit der Identifikation des Infektfokus, dessen Sanierung und frühzeitiger Antibiotikatherapie sowie eine zügige zielorientierte Stabilisierung der Hämodynamik sind wesentliche Kernelemente der erfolgreichen Therapie. Die Vorbeugung von nosokomialen Infektionen ist für viele Patienten entscheidend, da die meisten Fälle von Sepsis bis zum septischen Schock auf solche Infektionen zurückzuführen sind. Eines der vorrangigen Ziele ist die Senkung der Rate nosokomialer Infektionen durch Intensivierung von Hygienemaßnahmen; die primäre Vermeidung von Infektionen ist die Basis für eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes und damit ein fundamentaler Beitrag zur Verminderung des Antibiotikaresistenzproblems! Vor allem für Intensivpflegepatienten sollten daher alle effektiven Prophylaxe- und Therapiestrategien ausgeschöpft werden.
1. Marx G, et al. (2015): Incidence of severe sepsis and septic shock in german intensive care units – the INSEP study. Intensive Care Medicine Experimental 3; Suppl 1: A223.
2. Welt Sepsis Deklaration (2013). 13.9.2013
3. Singer M, et al. (2016): The Third International Consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis3). JAMA 315: 801–810.
4. Panknin HT, Schröder S: Früherkennung rettet Leben. Die Schwester Der Pfleger. 2018: 57 (9); 27-30.
5. Kainer DJ (1997): Sepsis im Universitätsklinikum Ulm – eine prospektive Studie zur computergestützten Infektionserfassung Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm.
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