Delegation von ärztlichen Leistungen an MTA

Es ist auch unvermeidlich, dass diesen Hilfspersonen im Einzelfall ein hohes Maß von Verantwortung zufällt – so im gesamten Bereich der Aseptik, bei hoch entwickelten technischen Geräten, deren Funktion verlässlich oft nur von einem Techniker zu kontrollieren ist, oder bei der Bereitstellung von Medikamenten und anderen Chemikalien. In allen diesen Bereichen ist dem Arzt ein persönliches Tätigwerden im Einzelfall teils aus Gründen der wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht zumutbar, teils auch wegen der Grenzen seiner fachlichen Kenntnisse gar nicht möglich. Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt. Dann erschöpft sich die Sorgfaltspflicht des verantwortlichen Arztes darin, die fachliche und charakterliche Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft zu überwachen und zu gewährleisten, dass sie sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewusst ist.“

Dies bedeutet zum einen, dass von einem

1) Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit ausgegangen wird, der die Grenze der Delegationsfähigkeit, das heißt der Übertragung an nicht ärztliche Mitarbeiter/-innen, setzt, und bedeutet zum anderen, dass, wenn eine

2) Delegationsfähigkeit gegeben ist, konkrete Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

a) Gewährleistung der fachlichen und charakterlichen Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft,

b) Überwachung,

c) Eigenverantwortung der Hilfskraft („sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewusst ist“).

Problem in der Praxis ist, dass der Kernbereich ärztlichen Handelns und damit die Grenze der Delegationsfähigkeit, nicht konkret beschrieben werden. § 1 des Heilpraktikergesetzes bestimmt nur, dass Ärzte Heilkunde, definiert als jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird, ausüben.

Gemäß § 15 Abs. 1 SGB V erbringen Ärzte die ärztliche Behandlung. „Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden. Konkretisiert wird dies in § 28 Abs. 1 SGB V. Dort wird normiert, dass die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes umfasst, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Allerdings zählt zur ärztlichen Behandlung auch die Hilfeleistung anderer Personen. Diese muss aber vom Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sein. Ähnlich auch § 2 Abs. 5 der Bundesärzteordnung sowie § 15 Bundesmantelvertrag-Ärzte.

Es wird daher keine Abgrenzung im Einzelnen vorgenommen, sondern nur beschrieben, dass der Kernbereich ärztlichen Handelns spezifisches ärztliches Fachwissen erfordert, über das nur Ärzte, aber nicht andere Professionen, wie zum Beispiel nicht ärztliche Gesundheitsfachberufe verfügen. Die Rechtsprechung entscheidet daher immer im konkreten Einzelfall. Als Kernbereiche der ärztlichen Tätigkeit werden daher insbesondere ausgemacht, die Aufklärung (§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB) und Beratung des Patienten, die Anamnese, die Indikationsstellung, die Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Stellen der Diagnose, Entscheidung über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe. Diese Tätigkeiten sind in der Regel nicht delegationsfähig. Bei anderen Tätigkeiten müssen die Ärzte vorweg prüfen, ob hier das spezifisch ärztliche Wissen notwendig ist, um eine Gefährdung des Patienten auszuschließen oder ob die Gefährdung für den Patienten bei der Durchführung durch nicht ärztliche Mitarbeiter/-innen aufgrund deren fachlicher Qualifizierung als gering einzuschätzen ist und im Worst Case ein Schaden durch seine Aufsichtspflicht vermieden werden kann. Als durch MTLA delegationsfähig werden zum Beispiel angesehen die Blutabnahme oder die intravenöse Injektion mit schwach radioaktivem Technetium durch eine MTRA (OLG Dresden, Urteil vom 24. Juli 2008, Az.: 4 U 1857/07).

Maßgebend für die Delegation ist aber, dass neben der dargestellten Delegationsfähigkeit auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Gewährleistung der fachlichen und charakterlichen Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft

b) Überwachung

c) Eigenverantwortung der Hilfskraft („sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewusst ist“).

Dies bedeutet, dass die Person, die auf Anordnung eines Arztes (einer Ärztin) tätig wird, fachlich und charakterlich geeignet ist, das heißt, aufgrund ihrer Ausbildung oder durch entsprechende Anleitung dazu in der Lage ist, die delegierbare Tätigkeit entsprechend dem medizinischen Standard (anerkannter und gesicherter Stand der medizinischen Wissenschaft im Zeitpunkt der Behandlung) zu erbringen. Zudem bedarf es der charakterlichen Zuverlässigkeit, damit nur im medizinischen Sinne und nicht aus anderen Beweggründen (Fall des Pflegers N. H.) gehandelt wird.

Im Weiteren ist die „Überwachung“, das heißt Aufsicht zu gewährleisten. Aus Gründen des Patientenschutzes sollte die unmittelbare Aufsicht erfolgen, jedenfalls muss die Aufsicht aber so geführt werden, dass im Komplikationsfall das ärztliche Eingreifen so rechtzeitig gesichert ist, dass eine Gefährdung und ein Schaden für die Patienten/-innen vermieden werden kann. Bei Ungeübten sollte die ärztliche Aufsicht daher in unmittelbarer Nähe erfolgen. Bei Erfahrenen kann, wie im Fall des OLG Dresden, die Aufsicht im durch eine Glasscheibe vom Behandlungsraum getrennten Raum erfolgen. Das Maß der notwendigen Aufsicht richtet sich aber immer nach den Umständen des Einzelfalls.

Gefragt ist auch die Eigenverantwortung der Hilfskraft. Sofern sie sich berechtigterweise nicht in der Lage sieht, die delegierte Leistung ordnungsgemäß und fehlerfrei auszuüben, sollte sie diese nicht ausüben. Arbeitsrechtlich dürfen ihr dadurch keine Nachteile entstehen (§ 612 a BGB).

Dies ist wichtig, da auch die nicht ärztlichen Gesundheitsfachberufe im Falle einer Patientenschädigung mit in die Haftung (abgemilderter Maßstab der Arbeitnehmerhaftung) genommen werden können, wie auch im Fall des OLG Dresden geschehen. Im Fall des OLG Dresden konnte eine Haftung aber nicht begründet werden, da das mit der Injektion verbundene Risiko als gering (vergleichbar einer Blutentnahme) angesehen wurde, sie aufgrund der MTRA-Ausbildung über das erforderliche medizinische Grundlagenwissen, die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur intravenösen Injektion verfügte und es sich um eine erfahrene MTRA handelte, die die Injektion bereits häufig ordnungsgemäß durchgeführt hatte.

Empfehlungen zu delegationsfähigen Leistungen finden sich zum Beispiel in den Anlagen des DKI-Gutachtens zur Neuordnung des ärztlichen Dienstes (2008: 163 ff.). Für MTA werden hier unter anderem nach entsprechender Einweisung venöse Blutentnahme, subkutane Injektionen oder bei qualifizierender Ausbildung Durchführung einer kapillaren Blutgasanalyse benannt. Auch die Bundesärztekammer hat in der Empfehlung „Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und die Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen (2008)“ insbesondere Blutentnahme, Injektion und Infusion als delegierfähig an entsprechend qualifizierte nicht ärztliche Mitarbeiter/-innen angesehen. Der Katalog enthält aber auch die den MTA vorbehaltenen Tätigkeiten als delegierbare Tätigkeiten, was, wie nachfolgend ausgeführt wird, nach diesseitiger Auffassung nicht richtig ist. Gleiches gilt für die „Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“ gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB V (Stand 2015).

Wichtig für Sie als MTA ist, dass es sich bei Ihnen erst dann um delegierte Tätigkeiten handelt, sofern diese nicht zu den nach § 9 des MTAG Ihnen vorbehaltenen Tätigkeiten gehören. Die für Ihre Fachrichtung maßgebenden Aufgaben nach § 9 MTAG dürfen Sie selbstständig und eigenverantwortlich ausüben, da diese Gegenstand Ihrer Ausbildung und Prüfung waren. Hierzu bedarf es zwar der Anordnung des/der fachkundigen Arztes/Ärztin, aber nicht der ärztlichen Aufsicht! Auch die Durchführungsverantwortung liegt bei Ihnen und nicht beim anordnenden Arzt/Ärztin.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern legt nur die in der Beratungspraxis häufig auftretenden Probleme dar. Maßgebend ist immer die Entscheidung im Einzelfall. Gerne beraten wir Sie dazu.

Entnommen aus MTA Dialog 8/2019

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