Altersdiskriminierung: Erhebliche Dunkelziffer zu vermuten?

Problembewusstsein fehlt oftmals
lz
Frau miot Maske symbolisiert mit der Hand: Stopp!
© fizkes/stock.adobe.com
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


* Pflichtfeld

Jede dreizehnte Person (7,7 %) in der zweiten Lebenshälfte berichtete im Jahr 2023, innerhalb der letzten zwölf Monate eine Benachteiligung aufgrund des eigenen Alters erlebt zu haben. Auch im medizinischen Bereich wird von Diskriminierung berichtet.

Jeder dürfte den Spruch vor allem in den sozialen Medien „OK, Boomer“ oder „Hey Boomer“ schon gelesen haben. Vielen dürfte gar nicht bewusst sein, dass damit schon der erste Schritt zur Altersdiskriminierung erfolgt ist. Denn in der Jugendsprache will man sich explizit z.B. als Meme über die Boomergeneration lustig machen. Im Deutschen Alterssurvey wurde nun explizit nach der wahrgenommenen Altersdiskriminierung in den letzten zwölf Monaten gefragt. Es zeigte sich, dass sich 7,7 Prozent der Menschen in der zweiten Lebenshälfte aufgrund ihres Alters benachteiligt fühlen – das entspricht jeder/jedem Dreizehnten in Deutschland. Personen im Alter von 66 bis 75 Jahren äußerten im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt sogar doppelt so häufig, Altersdiskriminierung erlebt zu haben (15,7 %).

Altersdiskriminierung im medizinischen Bereich?

Gefragt wurde auch nach Bereichen, in denen eine Benachteiligung erlebt wurde: Besonders häufig fühlten sich Menschen bei der medizinischen Versorgung (3,7 %) benachteiligt. Beim genaueren Blick auf die gefühlte Diskriminierung im medizinischen Bereich zeigte sich, dass die Gruppe zu Beginn des Ruhestandes (66- bis 76-Jährige: 9,0 %) jeweils signifikant häufiger berichtet, von Altersdiskriminierung betroffen zu sein als die anderen Altersgruppen der 43- bis 55-Jährigen (2,3 %), die Gruppe der 56- bis 65-Jährigen (2,4 %) und die Gruppe der 76-Jährigen und Älteren (2,5 %). Und trotz des vielerorts beklagten Fachkräftemangels fühlten sich auch Menschen bei der Arbeit bzw. der Arbeitssuche (3,6 %) benachteiligt, gefolgt vom Alltag (3,0 %) und Geldangelegenheiten (2,3 %), seltener wurden Behördengänge (1,5 %) genannt. Fast die Hälfte der Personen, die eine Benachteiligung erlebt haben, nannten mehrere Lebensbereiche, in denen sie diese Erfahrungen machten. Im Bereich Arbeit/Arbeitssuche berichteten armutsgefährdete Personen (6,5 %) signifikant häufiger darüber, Altersdiskriminierung erlebt zu haben als Personen mit höherem Einkommen (1,6 %).

Unterschiede je nach Einkommen

In weiterführenden Analysen bestätigte sich, dass einkommensarme Menschen (bei mittlerem Einkommen 8,5%, bei armutsgefährdeten Personen 11,7%) sich deutlich häufiger benachteiligt fühlen als Menschen mit höheren Einkommen (3%) – sowohl bei der Arbeit/Arbeitssuche als auch bei der medizinischen Versorgung und im Alltag. Gleiches gilt für Menschen, die gesundheitlich eingeschränkt sind – das ist besonders problematisch, da gerade sie in erheblichem Maße auf eine gute medizinische Versorgung angewiesen sind. Insgesamt war der Anteil an Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen in allen drei näher betrachteten Lebensbereichen fast dreimal so hoch im Vergleich zu Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen. Svenja Spuling, Erstautorin der Studie, betonte: „Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass hier wahrgenommene Altersdiskriminierung analysiert wird. Die Aufmerksamkeit für negative Altersbilder und altersdiskriminierendes Verhalten ist gesamtgesellschaftlich jedoch vergleichsweise gering ausgeprägt. Eventuell besteht somit ein geringeres Problembewusstsein hinsichtlich altersdiskriminierenden Verhaltens: Eine ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund des eigenen Lebensalters wird vielleicht nicht als Diskriminierung wahrgenommen und somit in unserer Studie auch nicht genannt. Es ist also zu vermuten, dass wir mit 7,7 Prozent das Problem eher noch unterschätzen.“

Politischen Handlungsbedarf angemahnt

Die Tatsache, dass jede dreizehnte Person in der zweiten Lebenshälfte Altersdiskriminierung erlebe und berichte, mache deutlich, dass politischer und gesellschaftlicher Handlungsbedarf bestehe, gerade weil das Erleben von Altersdiskriminierung weitreichende Konsequenzen für das Wohlbefinden, die Gesundheit und Langlebigkeit der Betroffenen habe, so die Studienautoren. Auf gesellschaftlicher Ebene lägen die Kosten vor allem im nicht genutzten Potenzial Älterer, zum Beispiel in der Arbeitswelt oder hinsichtlich des ehrenamtlichen Engagements.

Auch der Altersbericht schlägt Gegenmaßnahmen vor

Die Studienautoren geben zu bedenken, dass politische Maßnahmen beispielsweise in der Bekämpfung negativer Altersstereotype, im Überdenken struktureller Gegebenheiten (wie z. B. willkürliche Altersgrenzen) und in der Sensibilisierung des Personals in der Gesundheitsversorgung bestehen könne. Für komplexere, das heißt differenzierte und vielseitige Altersbilder setzt sich bereits das Programm Altersbilder des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein. Auch Der Neunte Altersbericht der Bundesregierung befasst sich mit Ageismus und schlägt Gegenmaßnahmen vor, z. B. pädagogische Bildungsformate zum Thema Alter gerade bei jüngeren Bevölkerungsgruppen, intergenerationale Programme, die den Kontakt zwischen älteren und jüngeren Menschen fördern, sowie gezielte Aufklärungskampagnen zur Bekämpfung von Ageismus. Davon können nicht nur Ältere, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes profitieren – am meisten jedoch bestimmte Risikogruppen wie armutsgefährdete oder gesundheitlich eingeschränkte Personen. Ageismus wird dabei laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als Zusammenspiel aus Stereotypen (wie wir denken), Vorurteilen (wie wir fühlen) und Diskriminierung (wie wir handeln) in Bezug auf andere Menschen oder auch in Bezug auf uns selbst aufgrund des Lebensalters.

Deutsches Alterssurvey:
Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung von Personen in der zweiten Lebenshälfte ab 40 Jahren. Im Rahmen der Studie werden seit beinahe drei Jahrzehnten Menschen auf ihrem Weg ins höhere und hohe Alter regelmäßig befragt. Der Deutsche Alterssurvey wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Literatur:
Spuling SM, Weinhardt M, Mavi L: Wahrgenommene Altersdiskriminierung in der zweiten Lebenshälfte. DZA Aktuell 02/2025. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen. DOI: 10.60922/2tdb-b513.

Quelle: idw/DZA

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige