Ärzteschaft fordert gesundheitspolitisches Sofortprogramm

125. Deutscher Ärztetag
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Dr. med. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer
Eröffnung und Referat von Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer Christian Glawe-Griebel - helliwood.com
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Die Bundesärztekammer hat einen Forderungskatalog an ein gesundheitspolitisches Sofortprogramm der neuen Bundesregierung erstellt. Die Ärzteschaft fordert unter anderem mehr Patientenorientierung beim digitalen Ausbau des Gesundheitswesens.

„Das Gesundheitswesen in Deutschland hat sich in der Coronapandemie bewährt. Die vergangenen eineinhalb Jahre haben aber auch strukturellen Reformbedarf offengelegt. Die Gesundheitspolitik muss deshalb im Koalitionsvertrag in besonderem Maße gewichtet werden. Sie muss ein zentrales Handlungsfeld der neuen Bundesregierung werden und das Gesundheitswesen zukunfts- und krisenfest ausgestalten.“ Das sagte Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt zum Auftakt des 125. Deutschen Ärztetages.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat dazu einen Forderungskatalog an ein gesundheitspolitisches Sofortprogramm der neuen Bundesregierung erstellt, der Grundlage der gesundheits- und sozialpolitischen Beratungen des Ärztetages ist.  Reinhardt hob zur Eröffnung des Ärztetages den besonderen Reformbedarf im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) hervor. Er forderte, den von Bund und Ländern geschlossenen Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in ein Gesamtkonzept für eine Strukturreform des ÖGD einzubetten. „Meldewege sind zu digitalisieren, einheitliche technische Schnittstellen sind zu etablieren und vor allem sind Anreize für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, im Öffentlichen Gesundheitsdienst tätig zu werden. Eine tariflich gesicherte, arztspezifische Vergütung aller im ÖGD tätigen Ärztinnen und Ärzte ist dafür eine Grundvoraussetzung“, sagte der BÄK-Präsident.

Zunehmende Kommerzialisierung

Sorge bereitet der Ärzteschaft die zunehmende Kommerzialisierung in der ambulanten und stationären Versorgung. „Ärztinnen und Ärzte wollen keine Entscheidungen treffen und auch keine medizinischen Maßnahmen durchführen, die aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben und Überlegungen erfolgen und dabei das Patientenwohl gefährden“, stellte Reinhardt klar. Die Politik sei gefordert, diese ärztliche Grundhaltung mit konkreten gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen zu unterstützen. So müsse im ambulanten fach- und hausärztlichen Bereich der Einfluss von sogenannten Private-Equity-Gesellschaften auf die Versorgung begrenzt werden. Im stationären Bereich müssten Ärztinnen und Ärzte vor ökonomisch motivierten Einflussnahmen der kaufmännischen Geschäftsführung der Kliniken geschützt werden. Erforderlich sei dafür unter anderem eine Reform des starren, letztlich auf Wettbewerb ausgerichteten Vergütungssystems über Fallpauschalen.

Eine solche Vergütungsreform müsse außerdem von einer stärker an den regionalen Bedarf angepassten Neuorganisation der Krankenhausplanung einhergehen. In diesem Zusammenhang bekräftigte Reinhardt seine Forderung an die Bundesländer, endlich ihren Investitionsverpflichtungen an die Krankenhäuser vollumfänglich nachzukommen. Wenn dies weiterhin nicht geschähe, müsse über eine geeignete Kofinanzierung des Bundes bei den Investitionskosten nachgedacht werden.

"Digitalisierung ist kein Selbstzweck"

Mehr Patientenorientierung sei auch bei dem digitalen Ausbau des Gesundheitswesens notwendig. Reinhardt forderte ein einjähriges Moratorium zur inhaltlichen und strukturellen Neuausrichtung der Telematik-Betreibergesellschaft gematik. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Digitalisierung muss Ärztinnen und Ärzte im Versorgungsalltag praktikabel unterstützen. Sie muss sicher und für alle Patientengruppen nutzbar sein, also auch für ältere und multimorbide Menschen. Um dies zu gewährleisten, muss die Versorgungskompetenz der Gesellschafter stärker in der gematik gewichtet werden“, forderte Reinhardt.

Aus Sicht der Ärzteschaft duldet auch die Novelle der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) keinen weiteren Aufschub mehr. Die bisher gültige GOÄ stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 und wurde 1996 lediglich teilnovelliert. Sie bildet weder die Dynamik des ärztlichen Leistungsspektrums noch die aktuelle Kosten- und Preisentwicklung ab. Reinhardt fordert die künftigen Ampel-Koalitionäre auf, die Reform der GOÄ auf Basis eines gemeinsam von Bundesärztekammer und Verband der Privaten Krankenversicherer erarbeiteten GOÄ-Vorschlages unverzüglich anzugehen. Ziel müsse eine moderne, den medizinischen Fortschritt abbildende, transparente und gut verständliche Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte sein.

Der Bundesärztekammerpräsident ging in seiner Eröffnungsrede außerdem auf das Schwerpunktthema des Ärztetages ein, den Schutz der Gesundheit vor den Folgen des weltweiten Klimawandels. „Immer häufiger kommt es auch in Deutschland zu Hitzewellen, die vor allem für ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen tödlich verlaufen können. Hinzu kommen weitere Gesundheitsgefahren durch neuartige Krankheitserreger und Extremwetter“, so Reinhardt. Notwendig seien Maßnahmen von Bund und Ländern, die die Gesundheitseinrichtungen in die Lage versetzen, neue und zusätzliche Aufgaben in der Patientenversorgung aufgrund der Erderwärmung zu bewältigen. Erforderlich sei außerdem eine nationale Strategie für eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung in Deutschland. „Diese muss auch den notwendigen Investitionsbedarf zum Beispiel für den Bau klimaneutraler Krankenhäuser sowie für die Nutzung klimaneutral gewonnener Energie im Gesundheitsbereich berücksichtigen“, sagte der BÄK-Präsident.


Quelle: BÄK, 01.11.2021



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