WIdO-Report: Klinikreform könnte Personal-Engpässe lindern
Bei den sogenannten „Kurzliegern“, die weniger als vier Tage stationär behandelt werden, gebe ein großes Potenzial für vermeidbare Krankenhaustage und damit auch für eine Entlastung des Personals in den Kliniken, betonte Prof. Jürgen Wasem, Lehrstuhlinhaber für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports. „Allein die 30 häufigsten operativen Eingriffe mit einem geringen medizinischen Schweregrad machen etwa 4 Prozent aller Pflegetage im Krankenhaus aus“, so Wasem.
Ambulantisierbare Operationen
Wenn man das gesamte Potenzial „ambulantisierbarer“ Operationen und Behandlungen betrachte, könnten noch wesentlich mehr Krankenhaustage vermieden werden. Auch die geplante Reform der Notfallversorgung eröffne Chancen für eine personelle Entlastung. So werden in Deutschland etwa 50 Prozent der Notfälle stationär aufgenommen, während es in den Niederlanden nur 32 und in Frankreich 22 Prozent sind. „Insgesamt bietet die aktuell diskutierte Krankenhausreform eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für die dringend notwendige Entlastung des Personals in den Kliniken und für eine bessere Allokation der verfügbaren Arbeitskräfte“, sagte Wasem.
Hohe Fallzahlen, wenig Personal
Die Zahl der beschäftigten Ärztinnen und Ärzte sowie der Pflegekräfte sei in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, aber im internationalen Vergleich versorge das Personal in deutschen Kliniken im Durchschnitt mehr Fälle als die Beschäftigten in anderen Ländern. Der internationale Mittelwert lag 2019 bei rund 12 Ärztinnen und Ärzten sowie 27 Pflegekräften pro 1.000 Krankenhaus-Fälle, während Deutschland mit etwa 8 Ärztinnen und Ärzten und knapp 19 Pflegekräften pro 1.000 Fällen deutlich unter diesem Wert lag. „Wir haben zu wenig Personal für die hohe Zahl von Krankenhausfällen in Deutschland“, fasste Wasem das Problem zusammen. Durch den Einbruch der Krankenhaus-Fallzahlen in der Corona-Pandemie seien in den Jahren 2020 und 2021 zwar wieder mehr Ärzte und Pflegekräfte pro Fall zu verzeichnen. „Allerdings gab es gerade in der Omikron-Welle auch viele Covid-Infektionen der Beschäftigten, die diesen Effekt vermutlich wieder zunichtegemacht haben“, so Wasem.
Situation verschärft sich
Zudem werden einige langfristige Trends die Personalsituation in den deutschen Kliniken laut Krankenhaus-Report in den nächsten Jahren eher noch verschärfen. Dazu gehört die demografische Entwicklung, die zu einer steigenden Inanspruchnahme der Krankenhäuser führen wird. Grund zur Sorge seien auch vorläufige Daten des Statistischen Bundesamtes zum Rückgang bei der Zahl der Pflege-Azubis und die hohen Ausstiegsraten bei den Berufen im Krankenhaus: „So sind zum Beispiel nach zwanzig Jahren nur noch 60 Prozent der Krankenschwestern und Krankenpfleger in ihrem angestammten Beruf tätig“, berichtete Wasem. Bei den Hilfskräften habe sogar mehr als die Hälfte nach zwei Jahren den erlernten Beruf gewechselt. Viele Kliniken hätten große Probleme, Beschäftigte zu finden. „Es gibt eine sehr geringe berufsspezifische Arbeitslosenquote – wir haben in diesem Bereich praktisch Vollbeschäftigung.“
Mögliche Lösungswege
Der Krankenhaus-Report 2023 zeigt einige Lösungswege auf, um die Attraktivität der Krankenhäuser als Arbeitgeber zu steigern. Dazu gehören bessere Angebote zur Vereinbarung von Familie und Beruf sowie die Umsetzung von Konzepten für ein innovatives Personalmanagement. Die geplanten Reformen im Krankenhausbereich könnten dazu führen, dass große und personell gut ausgestattete Krankenhäuser entstehen, die auch flexibler auf punktuelle Engpässe reagieren könnten – zum Beispiel durch Einrichtung von Personalpools über die Fachabteilungen hinweg, unterstrich Wasem: „Die begrenzten Personalressourcen könnten wesentlich zielgerichteter und rationaler eingesetzt werden, wenn Bund und Länder die qualitätsorientierte Konzentration von Leistungen konsequent umsetzen.“
Quelle: Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO)
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