Warum sind Frühgeborene so anfällig für Infektionen?
Laut „Bundesverband Das Frühgeborene Kind“ kommen in Deutschland pro Jahr 64.500 Babys zu früh auf die Welt. 10.000 dieser Frühgeborenen wiegen anfangs unter 1.500 Gramm. Je früher die Babys geboren sind, desto höher ist das Risiko für lebensgefährliche Komplikationen. Infektionen können zu einer Sepsis führen und gehören zu den häufigsten Todesursachen. „Vor allem bei den ganz kleinen Frühchen kann eine bakterielle Infektion innerhalb von Stunden zum Tod führen", sagt der LMU-Mediziner Prof. Markus Sperandio. Der Physiologie und ehemalige Kinderarzt und Frühgeborenenmediziner erforscht mit seinem Team am Biomedizinischen Centrum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) die Ursachen dieser hohen Infektionsanfälligkeit. Die Forscherinnen und Forscher konnten nun nachweisen, dass ein immunstimulierender Signalweg im sich entwickelnden Immunsystem gehemmt ist. Wichtige Zellen im Immunsystem der Frühgeborenen funktionieren nicht. Bereits in früheren Studien konnte Sperandio zeigen, dass wichtige Zellen des angeborenen Immunsystems - sogenannte Neutrophile - im Fetus und auch bei Neugeborenen nicht wie bei Erwachsenen funktionieren. Im Gegensatz zur Situation bei Erwachsenen schaffen es fetale und neonatale Neutrophile nicht, sich ausreichend an die Wand der Blutgefäße anzuheften und ins umgebende Gewebe auszuwandern. Dies ist aber notwendig, um eine Entzündungsreaktion und damit die Immunabwehr anzustoßen.
Neutrophile verglichen
Welche Mechanismen stecken hinter dieser Unreife? Die LMU-Forscherinnen und -Forscher haben dies in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Frauenklinik am LMU Klinikum nun untersucht. In einer sogenannten Transkriptomanalyse haben sie die Genaktivität der Neutrophilen im Nabelschnurblut von früh- und reifgeborenen Babys mit erwachsenen Neutrophilen verglichen. Im Vergleich zu Erwachsenen sind bei früh- und reifgeborenen Babys viele Gene aktiv, die der Immunabwehr entgegenwirken. „Diese Neutrophilen wirken dann wie abgeschaltet“, sagt Sperandio.
Regulation der Immunreaktion muss fein austariert sein
Betroffen sind demnach insbesondere Signale, die über den NF-κB-Signalweg vermittelt werden, der für Immun- und Entzündungsreaktionen eine entscheidende Rolle spielt. Er beinhaltet zwei mögliche Signalübertragungswege: einen entzündungsfördernden und einen, der Entzündungen entgegenwirkt. Die Aktivität dieser beiden Wege muss daher für die Regulation der Immunreaktion fein austariert werden.
Mögliche Therapie ist Zukunftsmusik
„Unsere Experimente haben gezeigt, dass in fetalen und neonatalen Neutrophilen diese Balance in Richtung des entzündungshemmenden Wegs verschoben ist“, sagt Sperandio. „Während diese Regulation der Neutrophilenfunktion offensichtlich eine Voraussetzung für normales fetales Wachstum im Uterus ist, führt sie bei Frühgeborenen, die sich 'zu früh' an die Welt außerhalb des Uterus anpassen müssen, zu Problemen bei der Immunabwehr.“ Inwieweit diese neuen Erkenntnisse in Zukunft einen Ansatzpunkt für neue therapeutische Optionen bilden, bleibe abzuwarten. „Aufgrund der komplexen Abläufe im wachsenden fetalen und neonatalen Organismus ist eine Reifungs-adaptierte Therapie denkbar, jedoch vorerst noch Zukunftsmusik“, so Sperandio.
Quelle: LMU
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