Forscherinnen und Forscher des Helmholtz Zentrums München, Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), haben einen molekularen Mechanismus aufgedeckt, der entscheidend zur Krankheitsentwicklung der Bronchopulmonalen Dysplasie beiträgt. Die Ergebnisse sind in EMBO Molecular Medicine nachzulesen.
Die Lunge zählt beim heranwachsenden Baby zu den am spätesten entwickelten Organen. Das bedeutet, dass sie bei Frühgeburten noch nicht vollständig ausgereift und anfällig für Komplikationen ist. Die häufigste chronische Erkrankung, die in Folge auftreten kann, wird als Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) bezeichnet. Sie tritt vor allem dann auf, wenn die zu früh geborenen Kinder künstlich beatmet werden oder eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen. Die Krankheit kennzeichnet sich durch einen Mangel an voll ausgebildeten Lungenbläschen und den entsprechenden Gefäßen, was zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf und einer großen Atemanstrengung führt, die man klinisch beobachten kann.
„Welche Ursachen genau bei einer BPD ausschlaggebend sind, ist bislang kaum verstanden“, sagt Dr. Prajakta Oak, Wissenschaftlerin am Comprehensive Pneumology Center und Institut für Lungenbiologie (ILBD) des Helmholtz Zentrums München. „Neben Schädigungen durch die Beatmung selbst und die Toxizität des Sauerstoffs gelten auch charakteristische Entzündungsprozesse und die funktionelle und strukturelle Unreife der Lunge als Auslöser“, so die Erstautorin der aktuellen Studie.
Eine genetische Assoziationsstudie
Ausgangspunkt der Arbeit war eine genetische Assoziationsstudie mit 1.061 Neugeborenen (492 mit einer BPD-Diagnose). Sie ergab, dass bestimmte Veränderungen im Gen für den Wachstumsfaktor-Rezeptor PDGFR-α (Platelet-Derived Growth Factor Receptor α) das Risiko für die Erkrankung signifikant erhöhen. Das ist insofern naheliegend, da Zellen des Lungengewebes, die PDGFR-α produzieren, zur Bildung der Lungenbläschen und der Entwicklung des Lungengerüstes beitragen. Auch in isolierten Zellen aus den Lungen betroffener Kinder konnten die Wissenschaftler die genetischen Auffälligkeiten bestätigen und mit einer verringerten Produktion dieses Moleküls sowie funktionellen Konsequenzen für diese Zellen verbinden.
„In einem weltweit nur an wenigen Standorten etablierten Modell konnten wir anschließend zeigen, dass eine geringere Produktion von PDGFR-α in Verbindung mit künstlicher Beatmung zu den typischen Symptomen einer BPD führte“, erklärt Studienleiterin PD Dr. Anne Hilgendorff vom ILBD. „Dazu gehörten eine verringerte Dichte der Blutgefäße und weniger Scheidewände in der Lunge sowie eine erhöhte Sterblichkeit der Lungenzellen.“ Die Krankheitssymptome konnten die Forschenden im Versuchsmodell allerdings vermindern, wenn sie die Signalweitergabe über PDGFR-α künstlich erhöhten.
In weiteren Versuchen konnten sie zudem zeigen, dass das Signalmolekül TGF-β (Transforming Growth Factor β) zur Entwicklung der BPD beiträgt: Es drosselt nämlich ebenfalls die Produktion von PDGFR-α. Durch die mechanische Verletzung der Lunge im Rahmen der künstlichen Beatmung wird der Entzündungsbotenstoff TGF-β vermutlich besonders oft ausgeschüttet, so die Wissenschaftler.
„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals im Modellversuch und in den Zellen von frühgeborenen Patienten, dass eine BPD mit einer geringeren Produktion eines wichtigen Wachstumsfaktors, nämlich PDGFR-α, zusammenhängen kann“, ordnet Studienleiterin Hilgendorff die Ergebnisse ein. Das könne sowohl genetisch bedingt als auch durch Entzündungen vermittelt sein oder verschlimmert werden. „Als nächstes möchten wir noch intensiver überprüfen, ob es machbar ist, gezielt in diese Signalkette einzugreifen und so einen Weg für mögliche Therapien zu eröffnen.“
Oak, P. et al. (2017): Attenuated PDGF signaling drives alveolar and microvascular defects in neonatal chronic lung disease. EMBO Molecular Medicine, DOI: 10.15252/emmm.201607308
Quelle: HZM, 29.09.2017
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