Stufenzuordnung und Ungleichbehandlung

Stufenzuordnung Was war passiert?

Der Kläger sah sich gegenüber Kollegen ungleich behandelt, die später eingestellt und eine bessere Stufenzuordnung erhalten haben. Er war in die Entgeltgruppe 9 Stufe 2 eingruppiert und machte einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 3 TV-L (das heißt die Differenz zu Stufe 2) für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. August 2016 geltend.

Wie entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG)?

Das BAG entschied mit Urteil vom 21. Dezember 2017 (6 AZR 790/16), dass hier keine Ungleichbehandlung vorliege und wies den Vergütungsanspruch ab.

Begründet wurde dies damit, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder i. V. m. § 17 Abs. 4 TV-L der Stufe 2 der Entgeltgruppe 9 TV-L richtig zugeordnet war und daher der Vergütungsanspruch nicht gegeben sei.

Der Kläger sei gemäß § 29a TVÜ-Länder ordnungsgemäß in den TV-L übergeleitet worden. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger einen Antrag auf Eingruppierung in eine sich aus der Entgeltordnung zum TV-L ergebende höhere Entgeltgruppe nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder gestellt hatte, richtet sich die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe gemäß § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder nach den Regelungen für Höhergruppierungen. § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder verweist im Klammerzusatz dabei ausdrücklich auf § 17 Abs. 4 TV-L, gleichwohl die Einordnung in eine höhere Entgeltgruppe nicht auf eine Veränderung der Tätigkeit zurückzuführen ist (zum Normalfall der Höhergruppierung nach § 17 Abs. 4 TV-L wegen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit). Nach § 17 Abs. 4 Satz 3 TV-L beginnt die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung. Die in der unteren Entgeltgruppe erworbene, in der Stufenzuordnung dokumentierte Berufserfahrung wird nicht berücksichtigt. Dies wird damit begründet, dass die Stufen auf die jeweilige Entgeltgruppe bezogen sind und nur die in dieser Entgeltgruppe gewonnene Berufserfahrung durch den Stufenaufstieg honoriert wird. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien des TV-L hat der höhergruppierte Beschäftigte keine Berufserfahrung in der neuen Entgeltgruppe.

Diese Überlegung gilt, durch den Verweis auf § 17 Abs. 4 TV-L, auch für die Überleitung mit unveränderter Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit. Die Tarifvertragsparteien haben damit entschieden, dass auch in diesem Fall die vorher in der bisherigen Entgeltgruppe zurückgelegten Zeiten („Restlaufzeiten“) in der Regel nicht auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe angerechnet werden. Bezüglich des Beginns der Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe stellt § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder konsequent auf den Stichtag des Inkrafttretens der Entgeltordnung zum TV-L ab. Demnach wirkt der Antrag nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung auf den 1. Januar 2012 zurück. Somit hatte der Kläger ab dem 1. Januar 2012 einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 2 TV-L Teil II. Nr. 22.2 der Entgeltordnung zum TV-L sah für den Kläger eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2 TV-L und damit eine höhere Entgeltgruppe als die bislang zutreffende Entgeltgruppe 8 TV-L vor. Die Stufenzuordnung des Klägers ergab sich, wie dargestellt, aus § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder i. V. m. § 7 Abs. 4 TV-L. Bei einem Beginn der fünfjährigen Stufenlaufzeit am 1. Januar 2012 hätte der Kläger die Stufe 3 seiner neuen Entgeltgruppe erst am 1. Januar 2017 und damit außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums (1. Dezember 2014 bis zum 31. August 2016) erreicht.

Die Stufenzuordnung der benannten Vergleichspersonen ist für seine eigene Stufenzuordnung unbeachtlich. Die Stufenzuordnung der übergeleiteten Beschäftigten hat keinen Bezug zu der Stufenzuordnung der nach § 16 Abs. 2 TV-L für ab dem 1. Januar 2012 eingestellte Beschäftigte.

Bei Neueingestellten kann die Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Neueinstellung zu einer Zuordnung in die Stufe 3 schon mit Beginn des Arbeitsverhältnisses führen, obwohl diese Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern erworben wurde (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L). In der Konsequenz dessen kann es zu der vom Kläger angeführten Situation kommen, in der ein übergeleiteter Beschäftigter für dieselbe Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe bei identischer Berufserfahrung aufgrund einer niedrigeren Stufenzuordnung weniger Vergütung erhält als ein neu eingestellter Beschäftigter. Diese Ungleichbehandlung ist zulässig. Die daraus resultierende Stufenzuordnung des Klägers verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Tarifvertragsparteien können bestimmen, welche Zeiten welcher Tätigkeiten tariflich in welcher Form Berücksichtigung finden (BAG 3. Juli 2014 – 6 AZR 1067/12 – Rn. 29, BAGE 148, 312). Sie sind nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte greift nur, wenn eine gleichheits- und sachwidrige Differenzierung vorliegt und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Die Tarifvertragsparteien haben als selbstständige Grundrechtsträger (Art. 9 Abs. 3 GG Tarifautonomie) einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, sondern wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Verfassungsrechtlich relevant ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem beziehungsweise die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Das Landesarbeitsgericht hat eine vergleichbare Situation angenommen, weil beide Aufgaben verrichteten, welche der Wertigkeit der Entgeltgruppe 9 TV-L entsprechen. Dies hält das BAG für unzutreffend. Trotz derselben ausgeübten Tätigkeit liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor, die gleich behandelt werden müssten.

Das Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TV-L zum 1. Januar 2012 machte es erforderlich, zwischen den ab diesem Zeitpunkt eingestellten Beschäftigten und den bereits Beschäftigten zu unterscheiden. Die Stufenzuordnung der neu Eingestellten richtet sich nach § 16 Abs. 2 TV-L, der unter anderem auf die Attraktivität des Arbeitgebers bei der Gewinnung neuer Kräfte abzielt. Demgegenüber regelt § 29a TVÜ-Länder die Überleitung der bereits Beschäftigten in das neue Entgeltsystem. Hier ist der maßgebende Zweck die Wahrung des Besitzstands. Dies bringt § 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Länder zum Ausdruck. Bei der Eingruppierung nach den §§ 12, 13 TV-L wird die Zeit einer Tätigkeit oder Berufsausübung vor dem 1. Januar 2012 so berücksichtigt, als wenn die Entgeltordnung zum TV-L bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte. Die Norm betrifft nur die Eingruppierung, nicht die Stufenzuordnung. Das Ziel des Schutzes der erreichten Eingruppierung zeigt sich zudem in § 29a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, welcher die Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit anordnet. Die dargestellte Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder überlässt es dem betroffenen Beschäftigten zu entscheiden, ob er an diesem Besitzstand festhalten will oder eine Eingruppierung nach § 12 TV-L in Verbindung mit der Entgeltordnung zum TV-L vorzieht. Im Falle der Antragstellung schützt ihn § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder i. V. m. § 17 Abs. 4 TV-L durch eine Einstufung mindestens in Stufe 2 und eine betragsbezogene Stufenzuordnung (muss in der neuen Entgeltgruppe mindestens das bisherige Entgelt erhalten) vor Einkommensverlusten.

Es ist daher nicht zu prüfen, ob einschlägige Berufserfahrung, die bei anderen Arbeitgebern erworben wurde, bei der Stufenzuordnung in höherem Maße Berücksichtigung finden darf als die beim jetzigen Arbeitgeber bereits erlangte einschlägige Berufserfahrung.

Auch liegt keine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vor.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Gebot der Verteilungsgerechtigkeit) verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Er greift nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk beziehungsweise eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem Normenvollzug (Anwendung des TV-L) wie hier. Er hat kein eigenes Regelungswerk geschaffen.

Was heißt das für Sie?###more###

Die aufgezeigte Stufenzuordnung und Ungleichbehandlung ist häufig Gegenstand der Rechtsanfragen. Die aufgezeigte Entscheidung gilt nicht nur für den TV-L, sondern ist von den Grundsätzen her auch auf den TVöD übertragbar.

Sie bedeutet für Sie, dass Sie bereits bei der Einstellung darauf achten sollten, dass Ihre bisherige Berufserfahrung angemessen berücksichtigt wurde. Der Arbeitgeber hat hier ein Ermessen, auch mehr als eine dreijährige Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen, zum Beispiel können nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Die Übergeleiteten sollten prüfen, ob sie die nächste Stufe bei den Stufen 4 bis 6 durch besonders herausragende Leistungen verkürzen können und so auch zum gewünschten Ziel gelangen könnten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 TV-L). Gerne berät Sie die Rechtsabteilung dabei.

Benachteiligung wegen einer Behinderung – Indiz im Sinne von § 22 AGG Was war passiert?

Der Kläger ist schwerbehindert. Er bewarb sich bei einer Universität und wurde abgelehnt. Die Schwerbehindertenvertretung hatte der Einstellung mit Verweis auf die bessere Eignung der anderen Bewerberin zugestimmt.

Der Kläger machte einen Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG mit der Begründung geltend, dass die Beklagte es unter Verstoß gegen § 81 I 9 SGB IX unterlassen habe, die Ablehnung seiner Bewerbung zu begründen. Im Laufe des arbeitsgerichtlichen Prozesses begründete die Beklagte ihre Entscheidung näher. Sie hatte das Studium der Erziehungswissenschaften des Klägers nicht als sozialwissenschaftliches Studium gemäß der Stellenausschreibung anerkannt.

Wie entschied das BAG?

Das BAG entschied mit Urteil vom 28. September 2017 (8 AZR 492/16), dass ein Verstoß gegen die in § 81 I 9 SGB IX a. F. (§ 164 I 9 SGB IX n. F.) vorgesehene Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung unter anderem des abgelehnten Bewerbers, die eine Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung (§ 22 AGG) begründen kann, nicht vorliege.

Voraussetzung der Unterrichtungspflicht nach § 81 I 9 SGB IX a. F. (§ 164 I 9 SGB IX n. F.) sei:

1. der Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und

2. dass die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 SGB IX a. F. (§ 176 SGB IX n. F.) genannte Vertretung mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist.

Nach der Entscheidung des BAG fehle es an einem Indiz für eine Benachteiligung. Ein Verstoß gegen Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen könne zwar ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung sein, die Beklagte sei aber im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen, den Kläger gemäß § 81 I 9 SGB IX (entspricht § 164 I 9 SGB IX n. F.) über die Gründe für die Ablehnung zu unterrichten. Die oben genannten Voraussetzung müssten beide („und“) erfüllt sein. Hier lag das Einverständnis der Schwerbehindertenvertretung mit der Einstellung der anderen Bewerberin vor. Damit waren die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht nicht erfüllt.

Was heißt das für Sie?

Als Leitende oder betroffene Schwerbehinderte sollten Sie im Rahmen des Auswahlverfahrens strikt auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften zugunsten schwerbehinderter Bewerber achten. Ansonsten wird in der Regel ein Indiz im Sinne des § 22 AGG dafür gesetzt, dass eine ablehnende Entscheidung zulasten des schwerbehinderten Bewerbers auf dessen Behinderung beruhte. Diese Vermutung des § 22 AGG ist schwer zu widerlegen. Maßgebend ist, dass ein Verstoß gegen beide Voraussetzungen (siehe oben) vorliegen muss. Liegen diese vor, besteht – anders als vorliegend – eine Begründungspflicht im Absageschreiben, das heißt konkret eine Darlegung der Gründe der Ablehnung.