Neue Erkenntnisse zu venösen Thrombosen

Künftig neue Diagnosealgorithmen?
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Ein Thrombus aus der Vene einer Maus
Ein Thrombus aus der Vene einer Maus, der die in der Studie beschriebenen prokoagulanten Plättchen (weiße Punkte) nachweist © PD Dr. med. Rainer Kaiser, LMU Klinikum
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Venenthrombosen und Lungenembolien gehören zu den häufigsten kardiovaskulären Erkrankungen und können lebensbedrohliche Folgen haben. Neue Erkenntnisse könnten künftig die Diagnose und Therapie verbessern.

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache der Industrienationen. Sie verursachen insgesamt etwa 40 Prozent aller Sterbefälle. Hierzu gehören neben Herzinfarkten und Schlaganfällen auch Gerinnselbildungen im venösen System, so zum Beispiel tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Das Risiko für eine Lungenembolie steigt im Laufe des Lebens. Laut IQWiG erkranken im Alter zwischen 40 und 50 Jahren pro Jahr etwa 1 von 1.000 Menschen daran, ab 80 Jahren etwa 10 von 1.000. Männer sind insgesamt häufiger betroffen als Frauen. Frauen unter 45 und ab 80 Jahren bekommen demnach jedoch öfter eine Lungenembolie als Männer in diesem Alter. Jüngere Frauen haben zudem ein etwas höheres Risiko durch hormonelle Verhütungsmittel und während einer Schwangerschaft. Bisherige Therapiekonzepte sind maßgeblich auf die Hemmung des Gerinnungssystems („Blutverdünner“) sowie die mechanische oder medikamentöse Auflösung der venösen Gerinnsel beschränkt. Im Gegensatz dazu sind Blutplättchen, die bei arteriellen Thrombosen die wichtigste Therapiestruktur darstellen, bislang nicht Teil von Therapiekonzepten der venösen Thrombose.

Welche Rolle spielen die prokoagulanten Plättchen?

Forschende um Privatdozent Dr. Rainer Kaiser, Dr. Badr Kilani und Privatdozent Dr. Leo Nicolai aus der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums beschreiben nun erstmals den wichtigen Beitrag einer besonders aktivierten Form von Blutplättchen, den sogenannten prokoagulanten Plättchen, in der Ausbildung venöser Thromben. Hierfür nutzten die Forschenden Blutproben von Patientinnen und Patienten, die sich mit Verdacht auf Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien in der Notaufnahme des LMU Klinikums vorgestellt hatten. Patientinnen und Patienten, bei denen später eine Venenthrombose oder Lungenembolie tatsächlich festgestellt werden konnte, zeigten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses hohe Werte einer besonders aktivierten Blutplättchen-Unterform, der sogenannten prokoagulanten Plättchen. Diese Subpopulation von Blutplättchen ist durch eine ballonförmige Gestalt und die starke Bindung von Gerinnungsfaktoren auf ihrer Oberfläche gekennzeichnet. Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass prokoagulante Plättchen auch direkt an der Gerinnselbildung von Lungenembolien beteiligt sind und in Thromben nachgewiesen werden konnten, die aus den Lungenarterien besonders schwer erkrankter Patientinnen und Patienten abgesaugt worden waren. Auch in einem Mausmodell der tiefen Venenthrombose wiesen die Forschenden prokoagulante Plättchen nach.

Was bewirkt eine Hemmung der prokoagulanten Aktivierung?

Im zweiten Teil der Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob eine Hemmung der prokoagulanten Aktivierung von Blutplättchen die venöse Gerinnselbildung beeinflussen kann. Tatsächlich hat sich in zwei Mauslinien, die keine prokoagulanten Plättchen bilden können, eine deutlich verringerte Thromboseneigung gezeigt. Im Rahmen eines therapeutischen Ansatzes verwendeten Kaiser, Kilani und Nicolai schließlich ein bereits klinisch zugelassenes Medikament aus der Klasse der Carboanhydrase-Hemmer, das die prokoagulante Aktivierung hemmen kann. Die Forschenden konnten nachweisen, dass die mit dem Medikament Methazolamid behandelten Tiere signifikant weniger Thrombosen aufwiesen. Im Gegensatz zu gängigen Plättchen- und Gerinnungshemmern hatte die Behandlung mit Methazolamid keinen Einfluss auf die Blutungszeit nach traumatischer Gefäßverletzung.

Künftig neue Diagnosealgorithmen der venösen Thrombose?

Die Ergebnisse dieser Studie identifizieren die prokoagulante Aktivierung von Plättchen als wichtigen Mediator in der Entstehung von Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Dieser neue Mechanismus der Gerinnselbildung rücke Blutplättchen in den Fokus der venösen Thrombose: Während bisherige Therapieansätze vor allem Gerinnungsproteine im Blut hemmen und mit erhöhten Blutungsraten assoziiert sind, könnten die neuen Studienergebnisse den Weg zu einer gezielten Hemmung von Blutplättchen mithilfe klinisch bereits zugelassener Wirkstoffe auch im klinischen Alltag ebnen, hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Darüber hinaus könnte der Nachweis erhöhter Zahlen von prokoagulanten Plättchen in der Zirkulation zur Entwicklung neuer Diagnosealgorithmen der venösen Thrombose beitragen.

Literatur:
Kaiser R, Dewender R, Mulkers M, et al.: Procoagulant platelet activation promotes venous thrombosis. Blood, 2024, DOI: doi.org/10.1182/blood.2024025476.

Quelle: idw/Klinikum der Universität München

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