Neue Bildgebungsmethode für die Krebschirurgie
Fluoreszenzbildgebung mit kurzwelligem Infrarotlicht hat das Potenzial, die Präzision und Sicherheit in der Krebschirurgie deutlich zu erhöhen. Bislang gibt es hierfür jedoch nur sehr wenige klinisch einsetzbare Farbstoffe. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern am National Cancer Institute (Bethesda, Maryland, USA) und am Helmholtz Zentrum München hat nun zwei neue Fluoreszenzfarbstoffe für den Kurzwelleninfrarot-Bereich und ein zugehöriges Bildgebungssystem entwickelt.
Damit eröffnet sich erstmals die Möglichkeit, während einer Operation bestimmte Strukturen – wie den Tumor, das umliegende gesunde Gewebe sowie ableitenden Lymphgefäße – gleichzeitig in einem flüssigen Videobild sichtbar zu machen. Nach seiner Berufung ans Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) wird Prof. Oliver Bruns die innovative Bildgebungsmethode für die Krebschirurgie in Dresden weiterentwickeln. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachmagazin Nature Methods veröffentlicht https://doi.org/10.1038/s41592-022-01394-6
Tumoroperationen sind Millimeterarbeit
Ziel ist es, den Tumor und mögliche Metastasen vollständig zu entfernen. Zugleich gilt es, gesundes Gewebe sowie umliegende Risikostrukturen wie Nerven und Gefäße soweit wie möglich zu schonen. Die Fluoreszenzbildgebung mit kurzwelligem Infrarotlicht (auch „SWIR“ von englisch short-wave-infrared) mit Wellenlängen größer 1.000 Nanometern soll Chirurginnen und Chirurgen künftig bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Mittels SWIR lassen sich deutlich schärfere Bilder und Einblicke in tiefere Gewebeschichten erzielen als mit der herkömmlichen Fluoreszenzbildgebung, die mit Infrarotlicht im Wellenlängenbereich von 700 bis 900 Nanometern funktioniert. Zudem bietet die innovative Methode das Potential, zeitgleich ausgewählte Gewebe, Gefäße und Körperflüssigkeiten gezielt zum Leuchten zu bringen. Nachdem die Preise für geeignete Kameras durch die rasante Entwicklung in der Industrie deutlich gesunken sind, sind geeignete Farbstoffe das entscheidende Nadelöhr für die medizinische Anwendung. „Die nun erzielten Fortschritte bei der Farbstoff- und Technologieentwicklung schaffen erstmals die nötigen Voraussetzungen, um verschiedene Strukturen wie den Tumor, ableitende Lymphgefäße und Wächterlymphknoten in einem sehr dynamischen Prozess wie der fluoreszenzgeführten Chirurgie sichtbar zu machen“, sagt Prof. Oliver Bruns, der im Februar in einer gemeinsamen Berufung der TU Dresden und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zum Professor für Funktionelle Bildgebung in der Operativen Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ernannt wurde und zudem Gruppenleiter am Helmholtz Zentrum München ist. Die in seiner Zeit am Helmholtz Zentrum München erzielten Forschungsergebnisse zur Fluoreszenzbildgebung sind eine wichtige Grundlage für die künftige Forschung in Dresden.
Ungiftig und wasserlöslich
Bei der Farbstoffentwicklung setzten die Forschenden auf Cyanin-Farbstoffe, die zu den gängigsten Farbstoffen für die Mehrfarben-Fluoreszenzmikroskopie gehören. Nur wenige von ihnen sind allerdings für die Bildgebung in lebenden Organismen und im SWIR-Bereich geeignet. Fluoreszenzfarbstoffe werden in der Regel intravenös verabreicht und lassen sich teilweise mit Antikörpern verknüpfen, die sie spezifisch an Tumore binden lassen. Durch die gezielte computergestützte Weiterentwicklung einer klinisch zugelassenen Molekül-Klasse gelang es, zwei neue Farbstoffe (FNIR-872, FNIR-1072) zu entwickeln, die nach der optischen Anregung einen Großteil des Lichts im SWIR-Bereich emittieren. „Weitere wesentliche Eigenschaften der neu entwickelten Farbstoffe sind, dass sie ungiftig sind, sich gut in Wasser lösen und sich mit Biomolekülen koppeln lassen, die die Farbstoffe zu den gewünschten Zielstrukturen im Organismus transportieren“, erklärt Dr. Martin Schnermann vom National Cancer Institute.
Parallel zu den Farbstoffen entwickelten die Forschenden ein Bildgebungssystem mit drei Lasern und einer LED-Quelle. Damit ist es möglich, einen bereits zugelassenen, für die SWIR-Bildgebung geeigneten Farbstoff (Indocyaningrün, ICG) sowie die beiden neu entwickelten Farbstoffe gleichzeitig mit den jeweils geeigneten Wellenlängen anzuregen. Die verschiedenen Bildinformationen lassen sich in einer gemeinsamen Ansicht bündeln und mit einer Rate von acht Bildern pro Sekunde in ein flüssiges Videobild überführen. Dieses eröffnet die Möglichkeit, Chirurginnen und Chirurgen während einer Operation einen kontinuierlichen Einblick in alle wichtigen Ziel- und Risikostrukturen zu geben. Mit der bisherigen Fluoreszenzbildgebung lassen sich hingegen jeweils nur einzelne Strukturen in geringerer Qualität hervorheben. Das neu entwickelte Bildgebungssystem hat darüber hinaus den Vorteil, dass es nicht empfindlich für sichtbares Licht ist und Operationen bei normaler Raumbeleuchtung ermöglicht.
Erfolgreich getestet
In vorklinischen Experimenten wurden die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem bereits erfolgreich getestet. Künftig sollen die Eigenschaften der Farbstoffe weiter optimiert werden, damit sie sich beispielsweise leichter herstellen und noch besser mit verschiedenen Biomolekülen koppeln lassen. „Unser Ziel ist es, dass die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem in wenigen Jahren klinisch verfügbar sind“, sagt Prof. Bruns.
Quelle: idw/Uniklinikum Dresden
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