Mit dem neuen Verfahren haben sie nachgewiesen, dass diese weit verbreitete Bildgebungsmethode zusammen mit der Krebsbehandlung über Teilchenstrahlen prinzipiell funktionieren kann. Das eröffnet neue Möglichkeiten für eine gezielte und gewebeschonendere Krebstherapie. In der Onkologie gehört die Strahlentherapie seit Langem zur Standardbehandlung. Dabei wird eine festgelegte Energiemenge, auch Dosis genannt, in das Tumorgewebe eingebracht. Dort schädigt sie die Erbsubstanz der Krebszellen, verhindert dadurch deren Teilung und führt im Idealfall zum Zelltod. Heute kommt vor allem die sogenannte Photonentherapie mittels hochenergetischer Röntgenstrahlen zum Einsatz. Dabei durchdringt ein erheblicher Teil des Photonenstrahls den Körper des Patienten und bringt auch schädliche Dosis im gesunden Gewebe vor und hinter dem Tumor ein.
Atomkerne als Waffe gegen Krebs
Eine Alternative dazu ist die Therapie mit geladenen Atomkernen, beispielsweise mit Protonen. Diese Partikel haben eine energieabhängige Eindringtiefe und geben am Ende des Strahlverlaufs ihre maximale Dosis ab. Hinter diesem sogenannten „Bragg-Peak“ wird keine Dosis deponiert. Bei der Therapie ist die Herausforderung für die Mediziner, den Protonenstrahl genau an die Form des Tumorgewebes anzupassen und umliegendes Normalgewebe maximal zu schonen. Ihr Zielvolumen wählen sie dabei vor der Behandlung auf einer auf Röntgenstrahlung basierten Computer-Tomografie (CT)-Aufnahme aus.
„Das hat verschiedene Nachteile“, sagt Hoffmann. „Erstens ist der Weichteilgewebe-Kontrast von CT gering und zweitens wird Dosis ins gesunde Gewebe abseits des Zielvolumens eingetragen.“ Hinzu kommt, dass die Protonentherapie anfälliger für Organbewegungen und anatomische Veränderungen als die Strahlentherapie mit Röntgenstrahlung ist. Bei Tumoren, die sich zum Beispiel während der Bestrahlung durch Atmung bewegen, ist die Treffsicherheit somit eingeschränkt. Die fehlende Möglichkeit, solche Bewegungen bildlich darzustellen, wird damit zum größten Hindernis für den Einsatz der Protonentherapie. „Wir wissen nicht sehr genau, ob der Protonenstrahl wie geplant den Tumor trifft“, so Hoffmann. Als Folge müssen Mediziner heute große Sicherheitssäume um den Tumor einplanen. „Dadurch wird aber mehr gesundes Gewebe geschädigt, als bei zielgenauer Bestrahlung nötig wäre. Das Potenzial der Protonentherapie wird also nicht vollständig ausgeschöpft.“
Erster Prototyp für MR-geführte Partikeltherapie
Das wollen Hoffmann und sein Team ändern. In Zusammenarbeit mit dem belgischen Hersteller der Protonenanlage IBA (Ion Beam Applications SA) hat sich seine Arbeitsgruppe zum Ziel gesetzt, die Protonentherapie mit der Echtzeit-Bildgebung über MRT zu integrieren. Denn anders als Röntgen- oder CT-Bilder liefert diese einen exzellenten Weichteilgewebe-Kontrast und ermöglicht kontinuierliche Bildaufnahmen während der Bestrahlung. „Während es zwei solcher Hybrid-Geräte bereits für den klinischen Einsatz in der MR-geführten Photonentherapie gibt, existieren für die Partikeltherapie bisher noch keine.“
Das liegt vor allem an elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen MRT-Scanner und Protonentherapieanlage. Einerseits sind MRT-Scanner auf sehr homogene Magnetfelder angewiesen, um geometrisch akkurate Bilder zu liefern. Andererseits wird der Protonenstrahl in einem Zyklotron, einem Kreisbeschleuniger, erzeugt. In diesem zwingen elektromagnetische Felder die geladenen Teilchen auf eine Kreisbahn und beschleunigen sie. Gelenkt und in Form gehalten wird der Protonenstrahl ebenfalls von Magneten. Diese Magnetfelder können das homogene Magnetfeld des MRT-Scanners stören.###more###
Am Anfang viel Skepsis
„Als das Projekt vor dreieinhalb Jahren begann, waren viele internationale Kollegen skeptisch. Sie hielten es für unmöglich, einen MRT-Scanner im Protonenstrahl zu betreiben, da es zu viele elektromagnetische Störeffekte gibt“, erläutert Hoffmann. „Mit unseren Experimenten konnten wir jedoch zeigen, dass sich ein MRT-Gerät sehr wohl im Protonenstrahl betreiben lässt. Kontrastreiche Echtzeit-Bilder und gezielte Strahlführung schließen einander nicht aus.“ Ein weiteres Problem sahen viele Experten im Verhalten des Protonenstrahls. Denn wenn sich die elektrisch geladenen Teilchen im magnetischen Feld des MRT-Scanners bewegen, werden sie von der Lorentzkraft abgelenkt. Der Strahl verläuft nicht mehr gerade. Aber auch hier konnten die Dresdner Forscher belegen, dass sich diese Ablenkung vorhersagen und dadurch korrigieren lässt.
Kompetenzzentrum mit Zyklotron und großem Experimentalraum
Um die gegenseitigen Wechselwirkungen zu erforschen, nutzen Hoffmann und sein Team den Experimentalraum am Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay. Die gemeinsame Forschungsplattform des HZDR, der Technischen Universität Dresden und des Uniklinikums Carl Gustav Carus wurde 2005 als Zentrum für Innovationskompetenz gegründet. Seit 2014 werden im OncoRay-Gebäude an der damals gegründeten Universitäts Protonen Therapie Dresden (UPTD) Patienten mit der Protonentherapie behandelt. Heute forschen am OncoRay mehr als 120 Wissenschaftler an innovativen Ansätzen und Technologien für die Strahlentherapie.
„Unsere Mission ist es, die Protonentherapie biologisch zu individualisieren und technologisch bis an die physikalischen Grenzen zu optimieren“, sagt Hoffmann, der die HZDR-Arbeitsgruppe Magnetresonanz-geführte Strahlentherapie leitet. Dazu verfügt das OncoRay über ein Zyklotron, das den Protonenstrahl einerseits in den Therapieraum, andererseits in einen Experimentalraum leitet. Letzteren nutzten Hoffmann und seine Kollegen für ihre Forschungsarbeiten. Mit Hilfe von IBA und Paramed MRI Unit (ASG Superconductors SpA) installierten sie ein offenes MRT-Gerät im Strahlengang der Protonen: der weltweit erste Prototyp für MR-geführte Partikeltherapie. „Zum Glück gibt es hier einen Experimentalraum, der groß genug für einen MRT-Scanner ist. Das ist eines der Alleinstellungsmerkmale von OncoRay.“
Kniephantom, Fleischwurst und berechenbare Ablenkung
Für ihre Experimente mit dem ersten Prototyp griffen sie zuerst auf ein sogenanntes Kniephantom zurück. Das ist ein kleiner Plastikzylinder, der mit einer wässrigen Kontrastflüssigkeit und unterschiedlich geformten Plastikstücken gefüllt ist. Damit führten Hoffmann und sein Team quantitative Analysen zur Bildqualität durch. In einer zweiten Versuchsreihe nutzten die Wissenschaftler ein Stück Dresdner Fleischwurst. „Als die niederländische Forschergruppe 2009 ihre Bildgebung für die MR-geführte Photonentherapie untersuchte, verwendete sie ein Stück Schweinefleisch“, erzählt Hoffmann. „Australische Forscher demonstrierten 2016 ihr MR-Photonentherapie Gerät mit einem Kängurusteak. Für unseren Prototyp der MR-geführten Partikeltherapie wollten wir ebenfalls etwas Regionaltypisches verwenden und griffen deshalb auf die Dresdner Fleischwurst zurück.“ Beide Versuchsreihen mit Phantom und Fleischwurst zeigten, dass durch die Magnetfelder der Protonentherapie keine Bildverzerrungen auftreten, wohl aber kleine Verschiebungen im MRT-Bild, die sich präzise vorhersagen und deshalb korrigieren lassen.
Aktuell werden die nächsten Schritte des Projektes angegangen, mit dem Ziel, den weltweit ersten, klinisch einsetzbaren Prototyp für die MR-geführte Partikeltherapie zu entwickeln. (idw, red)
S.M. Schellhammer, A.L. Hoffmann, S. Gantz, J. Smeets, E. van der Kraaij, S. Quets, S. Pieck, L. Karsch, J. Pawelke: Integrating a low-field open MR scanner with a static proton research beam line: proof of concept. Physics in Medicine & Biology, 2018 (DOI: 10.1088/1361-6560/aaece8).
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