Meldepflicht für schwerwiegende Behandlungsfehler gefordert

Behandlungsfehlerbegutachtung 2023
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12.438 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst im Jahr 2023 bundesweit erstellt. In jedem vierten Fall stellten die Gutachter einen Behandlungsfehler fest, durch den Patientinnen und Patienten zu Schaden gekommen sind. In jedem fünften Fall war der Fehler ursächlich für den erlittenen Schaden.

Es handelt sich grundsätzlich um vermeidbare Schadensfälle. In 151 Fällen lagen zudem sogenannte Never Events vor, also Ereignisse, die durch Präventionsmaßnahmen sicher verhindert werden könnten. Darunter fallen folgenschwere Fehler wie Patienten-, Seiten- oder Medikamentenverwechslungen. Das geht aus der aktuellen Jahresstatistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung hervor, die der Medizinische Dienst am 22. August in Berlin veröffentlicht hat. „Um solche Ereignisse zu verhindern, brauchen wir eine Meldepflicht“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund.

Im vergangenen Jahr hat der Medizinische Dienst bundesweit 12.438 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. In jedem vierten Fall (3.160 Fälle) wurde ein Fehler mit Schaden bestätigt. In jedem fünften Fall (2.679 Fälle) war der Fehler Ursache für den erlittenen Schaden – nur dann haben Patientinnen und Patienten Aussicht auf Schadensersatz. Die Zahl der Gutachten liegt geringfügig unter dem Niveau der Vorjahre. „Unsere Begutachtungszahlen zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens“, erläutert Dr. Gronemeyer.

Deutlich höhere Dunkelziffer

„Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt: Fachleute gehen davon aus, dass es in etwa einem Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und vermeidbaren Schäden kommt. Demnach sind jedes Jahr 168.000 Patientinnen und Patienten davon betroffen.  Die Experten gehen von circa 17.000 fehlerbedingten, vermeidbaren Todesfällen aus.“

In der Jahresstatistik 2023 wurden 151 Fälle (2022: 165) als sogenannte Never Events eingestuft, also Schadensereignisse, die eigentlich nie passieren dürften. Dazu gehören schwerwiegende Medikationsfehler, unbeabsichtigt zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen oder Verwechslungen von Patientinnen und Patienten, die zu schweren Schäden führen können. So wurde zum Beispiel bei einer 39-Jährigen, die wegen einer Zyste operiert werden sollte, versehentlich eine Sterilisation durchgeführt.

Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe

In der aktuellen Jahresstatistik bezogen sich zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe auf Leistungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (8.177 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf den ambulanten Bereich (4.233 Fälle). „Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe. Da diese häufig im Krankenhaus erfolgen, werden sie dem stationären Sektor zugeordnet“, erläutert Dr. Christine Adolph, stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern.

29,5 Prozent der Vorwürfe (3.665 Fälle) betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie; 11,5 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.426 Fälle); 9,3 Prozent die Zahnmedizin (1.156 Fälle) und jeweils 9 Prozent die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1.119 Fälle) sowie die Allgemein- und Viszeralchirurgie (1.118 Fälle). 5,8 Prozent der Vorwürfe bezogen sich auf Pflege (726 Fälle). 26 Prozent der Vorwürfe entfielen auf 29 weitere Fachgebiete (3.228 Fälle). In der Jahresstatistik 2023 sind 12.438 Verdachtsfälle zu 994 verschiedenen Diagnosen erfasst. Die Vorwürfe betreffen fehlerhafte Behandlungen bei Hüft- und Kniegelenksverschleiß, Knochenbrüchen, Zahnwurzelbehandlungen, Druckgeschwüren und vieles andere mehr.

Zwei Drittel der kausalen Schäden sind vorübergehend

Die Zahlen der Jahresstatistik sind nicht repräsentativ − sie zeigen lediglich die Begutachtungszahlen und -ergebnisse des Medizinischen Dienstes. „Eine Häufung von Vorwürfen in einem Fachgebiet sagt nichts über die Fehlerquote oder die Sicherheit in dem jeweiligen Gebiet aus“, erklärt Adolph. „Dies zeigt vielmehr, dass Patientinnen und Patienten reagieren, wenn eine Behandlung nicht ihren Erwartungen entspricht.“ Fehler bei chirurgischen Eingriffen sind für Patienten in der Regel leichter zu erkennen als zum Beispiel Medikationsfehler, weshalb auch eher Fehler bei Operationen vorgeworfen werden als bei anderen Behandlungen.

Bei knapp zwei Drittel (65,5 Prozent) der begutachteten Fälle waren die Gesundheitsschäden der Patientinnen und Patienten vorübergehend − eine Intervention oder ein Krankenhausaufenthalt waren notwendig. Die Patienten sind jedoch vollständig genesen. Bei einem knappen Drittel der Betroffenen (29,7 Prozent) wurde ein Dauerschaden verursacht. Wie international üblich, unterscheiden die Medizinischen Dienste zwischen leichten, mittleren und schweren Schäden.

Ein leichter Dauerschaden kann eine geringe Bewegungseinschränkung oder eine Narbe sein. Ein mittlerer Dauerschaden kann eine chronische Schmerzsymptomatik, eine erhebliche Bewegungseinschränkung oder die Störung einer Organfunktion sein. Ein schwerer Dauerschaden liegt vor, wenn Geschädigte pflegebedürftig geworden sind oder sie aufgrund eines Fehlers erblinden oder dauerhafte Lähmungen erleiden. In 2,8 Prozent der vom Medizinischen Dienst begutachteten Fälle (75 Fälle) hat ein Fehler zum Tod geführt.

Quelle: Medizinischer Dienst Bund

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