Der Körper setzt sich gegen Tumoren normalerweise mit allen Mitteln zur Wehr. So versucht er beispielsweise, die Wucherung in einer Hülle aus Bindegewebe zu „verpacken“ und so einzukapseln. Diese Reaktion bremst die weitere Ausbreitung der Krebszellen. „Bei der Analyse von Gewebeproben ist uns aber aufgefallen, dass das nicht immer gelingt“, erklärt Dr. Bruno Märkl, Professor für Allgemeine und Spezielle Pathologie an der Universität Augsburg und Direktor des Instituts für Pathologie und Molekulare Diagnostik am Universitätsklinikum. „Manche Tumorzellen scheinen quasi ungehindert in das umliegende Gewebe einzuwandern.“
Kontakt mit Fettzellen kritisch
Besonders kritisch ist das, wenn sie dabei auf Fettzellen treffen. Die Augsburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnen solche Tumor-Fett-Kontaktzonen als SARIFA. Das Kürzel steht für „Stroma Areactive Invasion Front Areas“ (SARIFA), übersetzt etwa „Invasionsgebiete, in denen es keine Gegenreaktion des Gewebes gibt“. „Die Existenz von SARIFA geht unseren Untersuchungen zufolge mit einer erheblich verschlechterten Prognose für die Erkrankten einher“, betont Märkl: „So überlebten Patientinnen und Patienten mit SARIFA-positiven Magentumoren im Schnitt etwa anderthalb Jahre - nicht einmal halb so lange wie SARIFA-negative Vergleichspersonen.“ Zu SARIFA wird in Märkls Team dauerhaft und intensiv geforscht. Sechs Veröffentlichungen dazu befinden sich bei den Fachjournalen derzeit im Review-Prozess und könnten in den nächsten Monaten erscheinen. Die jüngste Publikation dazu erschien im Februar in "Cancers".
SARIFA in Gewebeschnitten als prognostischer Marker
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler griffen für ihre Studien auf jahre- oder jahr-zehntealte Proben zurück. Diese waren den Betroffenen seinerzeit meist bei der Diagnose oder der Operationsplanung entnommen worden. „In allen Fällen wussten wir auch, welchen Verlauf die Erkrankung in den Jahren danach genommen hatte“, sagt Märkl. In Zukunft könnte die Existenz von SARIFA in Gewebeschnitten alsprognostischer Marker dienen. „Geschulte Pathologinnen und Pathologen benötigen für die Beurteilung nur ein paar Sekunden“, sagt Märkl. „Fehldiagnosen sind zudem äußerst selten. Da bei der Abklärung eines möglichen Tumors ohnehin Proben entnommen werden müssen, fallen außerdem keine zusätzlichen Kosten an.“
Kontakt zu Fettgewebe sorgt für Aggressivitätsschub
Doch warum sind SARIFA-positive Tumoren so viel bösartiger? Das liegt vermutlich nicht nur an der gescheiterten „Einkapselungs-Strategie“ des Körpers. Zwar können sich die Krebszellen dadurch besser ausbreiten. Doch ihren Agressivitäts-Schub verdanken sie wohl auch maßgeblich dem direkten Kontakt zum Fettgewebe. Denn das Körperfett dient den Tumoren augenscheinlich als eine Art Tankstelle: Sie zapfen die Fettzellen gewissermaßen an und versorgen sich aus ihnen mit großen Mengen energiereicher Fettsäuren. Dadurch schaffen sie es, sich besser zu vermehren.
Diabetes-Medikament Metformin als Hoffnungsträger?
Eine erfolgversprechende therapeutische Strategie könnte es daher sein, diesen Tankvorgang zu unterbinden. Es gibt bereits Wirkstoffe, die gegen bestimmte Proteine wirken, mit denen Krebszellen Fettsäuren aufnehmen. Dazu zählt beispielsweise das Diabetes-Medikament Metformin. „Vielleicht lassen sich die Behandlungsaussichten SARIFA-positiver Tumoren mit solchen oder ähnlichen Präparaten - in Kombination mit einer konventionellen Chemotherapie - verbessern“, hofft Märkl.
Rolle der Makrophagen
Die Augsburger Forschenden wollen aber auch der Frage nachgehen, warum es dem Immunsystem mancher Menschen so schlecht gelingt, Krebsgeschwulste an der Ausbreitung zu hindern. Dabei haben sie bereits erste Einblicke gewonnen. So scheinen Menschen mit SARIFA-positiven Tumoren vermehrt einen bestimmten Typ von Fresszellen (Makrophagen) zu bilden. Dieser ist nicht dazu in der Lage, Krebszellen effektiv zu beseitigen. Außerdem sind bei ihnen auch andere Immunmechanismen deutlich schwächer ausgeprägt. Märkl: „Ihre körpereigenen Abwehrtruppen scheinen mit dem Krebs einfach nicht gut genug fertig zu werden.“
Quelle: idw/Uni Augsburg
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