Ist Umkleidezeit Arbeitszeit?

Die Rechtsprechung des BAG (BAGE 143, 107) wertet die Umkleidezeiten als Arbeitszeit, sofern das Umkleiden ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgt, das heißt fremdnützig ist. Dies ist bei MTA dann der Fall, wenn die MTA Arbeitskleidung, wie zum Beispiel Kittel tragen muss und diese nicht auf dem Weg zur Arbeit tragen darf (zum Beispiel aus hygienischen Gründen) oder dies der MTA wegen der Auffälligkeit der Arbeitskleidung unzumutbar ist.

Dies hat zur Folge, dass diese sogenannte fremdnützige Umkleidezeit dann vergütungspflichtig ist, wenn die für das Arbeitsentgelt einschlägigen Rechtsgrundlagen – Tarifvertrag, Arbeitsvertrag – keine Regelung zur Umkleidezeit enthält und daher hinsichtlich des Begriffs der Arbeitszeit eine Verweisung auf das Arbeitszeitgesetz angenommen werden kann. Der Vergütungsanspruch für die Umkleidezeit ergibt sich dann aus § 612 BGB.

Gilt das auch für das Abholen von Dienstkleidung? Im Urteil des BAG vom 19.3.2014 (BAG, NZA 2014, 787) hat das Bundesarbeitsgericht bezüglich des Abholens der Dienstkleidung, entsprechend der oben aufgezeigten Rechtsprechung, entschieden, dass das Abholen fremdnützig erfolge, da es eine Dienstvereinbarung gibt, die das Tragen von Arbeitskleidung vorschreibt. Es entschied daher, dass auch die auf das Abholen entfallene Zeit Arbeitszeit und damit zu vergüten sei.

Welche Zeiten gehören danach zu den Umkleidezeiten? Das BAG sieht es hier allein als maßgebend an, ob der Arbeitnehmer die aufgewandte Zeit ausschließlich für ein fremdes Interesse, des Arbeitgebers, aufwendet. Dient das Umkleiden auch der Befriedigung eines eigenen Bedürfnisses des Arbeitnehmers, scheidet die Einordnung als Arbeitszeit und eine Vergütungspflicht aus.

Das bedeutet für Sie, dass, nach diesen Grundsätzen, das Anlegen vorgeschriebener Hygienekleidung, etwa Hose, Oberteil oder Kittel, als ausschließlich fremdnützig anzusehen ist, da Sie mit diesem Anlegen keine weiteren eigenen Zwecke verfolgt. Setzt das Anlegen der Arbeitskleidung voraus, dass Sie Privatkleidung ablegen, ist auch das Ablegen der Privatkleidung als Arbeitszeit zu werten und von der Vergütungspflicht umfasst. Vom Anlegen der Privatkleidung ist aber Oberbekleidung nicht umfasst, die vor bestimmten Witterungsbedingungen schützen soll, zum Beispiel Winter- oder Regenbekleidung oder Gefahren, zum Beispiel Fahrrad- oder Motorhelm, schützen soll. Dies wird damit begründet, dass Sie diese Kleidungsstücke auch hätten ablegen müssen, wenn Sie nicht zum Tragen von Dienstkleidung im Betrieb verpflichtet wären.

Beim An- und Ablegen von Sicherheitskleidung, zum Beispiel Handschuhe, die dem Schutz der Arbeitnehmer vor Gefahren dienen und die für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer verpflichtend sind (§§ 3, 16 Arbeitsschutzgesetz) ist das Anlegen der Schutzkleidung ebenfalls als ausschließlich fremdnützig einzuordnen. ne Nummer, Das Anlegen ist zwar auch im Interesse des Arbeitnehmers, aber dieser darf die Arbeit ohne die entsprechende Schutzkleidung gar nicht erbringen und der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer ohne diese nicht zur Arbeitsleistung einsetzen. Sofern Sie innerbetriebliche Wege zurücklegen müssen, um die ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers zu tragende Arbeitskleidung an- oder abzulegen, steht die dafür zurückgelegte Zeit der Arbeitszeit gleich und ist zu vergüten (BAGE 143,107).

###more###

Dasselbe gilt für das Waschen: Sofern Ihr Arbeitgeber das Reinigen und Desinfizieren der Hände vor Arbeitsbeginn vorschreibt, erfolgt dies nur im Interesse des Arbeitgebers, ist daher ausschließlich fremdnützig und mithin Arbeitszeit und vergütungspflichtig. Beim Waschen oder Duschen nach Arbeitsende sieht die Rechtsprechung dem entgegen eigene Bedürfnisse als gegeben an, so dass diese Zeit als Arbeitszeit ausscheidet und eine Vergütungspflicht nicht besteht. Anders ist dies aber zu beurteilen, wenn Sie der Arbeitgeber aus hygienischen Gründen zum Waschen und Duschen nach Arbeitsende auffordert. Dann wären diese Tätigkeiten fremdnützig.

Auch die Rückgabe von überlassenen Mobiltelefonen, zum Beispiel bei Rufbereitschaft, kann fremdnützig sein. Es handelt sich um ein notwendiges Arbeitsmittel, was daraus folgt, dass die Erreichbarkeit während ihres Dienstes gewährleistet werden soll. Die Zeiten für die Aushändigung und Abgabe sowie für die Herstellung der Funktionsfähigkeit eines solchen Geräts gehören daher zur Arbeitszeit und sind damit vergütungspflichtig (BAG, Beschluss vom 12.11.2013 - 1 ABR 59/12).

Anders verhält es sich, wenn das Mobiltelefon mit einer zweiten SIM-Karte auch privat genutzt werden kann oder es sich um ein eigenes Mobiltelefon handelt. Hier liegt die Verwendung auch im eigenen Interesse der Arbeitnehmer, was vorliegend die Fremdnützigkeit und damit die Zuordnung dieser Zeiten zur Arbeitszeit und die Vergütungspflicht für die Rückgabe ausschließt.

Wie wird die Dauer bemessen? Fehlt es an konkreten Vereinbarungen, ist maßgebend, wie lange Sie für einen bestimmten Arbeitsvorgang – hier das Umkleiden – benötigen. „Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit“ (BAG 19. 9. 2012–5 AZR 678/11). Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls.

Wie mache ich den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitszeit und Vergütung geltend? Sie müssten dem Arbeitgeber mitteilen, dass das Umkleiden im konkreten Fall ausschließlich fremdnützig, das heißt im Arbeitgeberinteresse, welche konkreten Handlungen hiervon erfasst sind (An – und Ablegen, Wegezeiten, Abgabe von Arbeitsmitteln etc.) und detailliert vortragen, wie viel Zeit sie für diese Handlung konkret benötigt haben (zum Beispiel Zeitmessung durch einen Kollegen, der dann auch als Zeuge zur Verfügung steht), verbunden mit der Bitte, die Arbeitszeit gutzuschreiben und die Vergütung dafür zu bezahlen.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Geltendmachung Ihrer diesbezüglichen Ansprüche.

E. Müller-Rawlins Rechtsanwältin Kanzlei HMR

Aus: MTA Dialog 3 (2016) Jahrgang 17

Ist Umkleidezeit Arbeitszeit?

Online-Angebot der MT im Dialog

Stellen- und Rubrikenmarkt

Ist Umkleidezeit Arbeitszeit?

Sie wollen den ganzen Text lesen?

Das könnte Sie auch interessieren:

Online-Angebot der MT im Dialog

Stellen- und Rubrikenmarkt