Die EU-Verordnungen MDR und IVDR, die das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und Labortests europaweit regeln, sorgen seit Jahren für Unmut. Die beiden Branchenverbände BVMed und VDGH bezeichneten auf das EU-Regelwerk jetzt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin als „handwerklich schlecht gemacht, zu kompliziert und bürokratisch“. Es bestehe breiter Konsens, dass MDR und IVDR (In Vitro Diagnostic Regulation) eine ungewünschte Verknappung von Produkten in der medizinischen Versorgung verursachten. erklärten sie. Ein Drittel der Produkte drohe vom Markt genommen zu werden, bereits jetzt seien viele Produkte nicht mehr auf dem Markt verfügbar. Studien zeigten: MedTech-Unternehmen seien in 65 Prozent der Fälle gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit.
US-amerikanische Zulassung favorisiert
89 Prozent der MedTech-Unternehmen priorisierten laut einer Studie der Boston Consulting Group mittlerweile die US-amerikanische Zulassung ihrer Produkte, hieß es weiter. Denn deutsche Hersteller hinkten bei der Zulassung ihrer Produkte drei bis vier Jahre hinterher, hinter Brasilien, Japan und den USA. „Wir wollen eine zukunftsweisende Reform, die Patientinnen und Patienten sowie dem Innovationsstandort Europa hilft – keine fortwährenden Klein-Klein-Korrekturen“, so die beiden Vorstandsvorsitzenden Dr. Meinrad Lugan (BVMed) und Ulrich Schmid (VDGH): „Die zwei führenden deutschen MedTech-Verbände BVMed und VDGH haben deshalb ein Whitepaper mit Lösungsvorschlägen erarbeitet.“
Kritik am fünfjährigen Re-Zertifizierungszyklus
„Wir müssen handeln und MDR und IVDR strukturell weiterentwickeln. Unsere Vorschläge sind praxisorientiert und haben sich in anderen Systemen bereits bewährt. Jetzt ist die richtige Zeit, darüber zu reden, damit wir nach der Europawahl mit der neuen Kommission und dem neuen Parlament zügig konkret werden können“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll und VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger. Die Verbände fordern in ihrem neuen Whitepaper unter anderem die beschleunigte Zulassung (Fast-Track-Verfahren). Abschaffen möchten sie den fünfjährigen Re-Zertifizierungszyklus. Vielmehr solle sich eine erneute Zertifizierung am Risiko des Produkts messen. Denn Kapazitäten bei Benannten Stellen zu finden, um ihre Produkte gemäß der neuen MDR- und IVDR-Kriterien auf den Markt zu bringen, sei problematisch.
Gesundheitspolitischer Sprecher Liese verteidigt MDR
Der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. med. Peter Liese, unterstützt auf seiner Homepage zwar die Forderungen nach einer Änderung der Medizinprodukte-Verordnung sowie der Verordnung über In-vitro-Diagnostika und bekräftigte die Kritik an der Re-Zertifizierung, doch er verteidigte auch die geltende MDR mit den Worten: „Es war und bleibt richtig, dass wir die Medizinprodukterichtlinie in eine Verordnung umgewandelt haben und als Reaktion auf Skandale wie zum Beispiel mit Brustimplantaten unangemeldete Kontrollen in den Betrieben vorschreiben sowie eine stärkere Überwachung der Benannten Stellen (in Deutschland zum Beispiel TÜV) beschlossen haben. Es gab nicht nur den Skandal um Brustimplantate, sondern ähnliche Probleme auch bei HIV-Tests und Hüftimplantaten. Außerdem haben manche Benannte Stellen ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht. So konnte es einer britischen Journalistin gelingen, ein Apfelsinennetz aus dem Supermarkt als Medizinprodukte zu zertifizieren."
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