Fokusveranstaltung des ALM
Das Motto der Veranstaltung lautete: Medizinische Labordiagnostik ist lebenswichtig: patientenzentriert, qualitätsorientiert, intersektoral! Für Enttäuschung hatte die Absage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gesorgt, der bereits im April zugesagt habe und eine Videobotschaft halten sollte. Susan E. Knoll vom Tagesspiegel führte durch die Veranstaltung, die mit einer Keynote von Dr. Michael Müller, Erster Vorsitzender des ALM e.V., startete. Er gab zu bedenken, dass ohne die Labordiagnostik viele Krankheiten nicht diagnostizierbar wären. Das Nicht-Wissen sei schwierig. Die medizinische Labordiagnostik beeinflusse alle Altersgruppen und die Qualität der Medizin. Mit einem Rückblick auf die Entwicklung der PCR zeigte er die zahlreichen Innovationen im Laborbereich auf. Der Bereich sei schon immer patientenzentriert gewesen. Auch gelte der Grundsatz „pay for performance“ schon lange im interdisziplinär geprägten Labor. Zudem kenne der Bereich keine Sektorengrenzen mehr. Vor diesem Hintergrund kritisierte er die fehlende Wertschätzung, die sich z.B. bei der geplanten Laborreform widerspiegele. Sie sei gegen den Willen der Ärzte und über den Kopf der Labore hinweg geplant worden. Ebenfalls kritisierte er in diesem Zusammenhang die diskutierten GoÄ neu. An die Politik appellierte er, sich um gute Rahmenbedingungen zu kümmern. Es gebe aktuell zu viel Regulierung. Dabei erwähnte er u.a. die nach seiner Meinung „Schieflagen im MTBG“.
Finanzielle Rahmenbedingungen und demografische Entwicklung
Im Impulsvortrag von Henning Stötefalke, Bereichsleiter Politik der DAK-Gesundheit, ging es vor allem um die zwei Punkte finanzielle Rahmenbedingungen und die demografische Entwicklung. Bei der Frage um Entbudgetierung verwies Stötefalke auf die prekäre Situation der GKV. So sei die durchschnittliche Reserve der Kassen von 93 Prozent im Jahr 2019 auf inzwischen etwa 10 Prozent gesunken. Gleichzeitig sei der Beitragssatz der Kassen deutlich gestiegen. Die Finanzlage sei dramatisch und der Ausblick nicht besser. Die fetten Jahre seien vorbei. Gleichzeitig liege eine große Zahl von Verrentungen vor uns, was enorme Herausforderungen mit sich bringe. Es sei wichtig, mit den Ressourcen effizienter umzugehen. Es müsse ambulant vor stationär gedacht werden.
Motivation der Mitarbeitenden erhalten
Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der per Video zugeschaltet war, bedankte sich bei den Laboren für die gute Zusammenarbeit als verlässlicher Partner in der Pandemie. Mit Blick auf die Politik kritisierte er das geplante Gesunde-Herz-Gesetz, das in eine falsche Richtung gehe. Ein Positivum des Ampel-Endes sei, dass dieses Gesetz nicht komme. Carola Jaster, Geschäftsführerin Labor 28 Potsdam MVZ GmbH und MTL, erläuterte, warum ihr Team ins Labor komme. Es gehe den Mitarbeitenden darum, einen Beitrag zu leisten, Menschen zu helfen oder der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ähnliche Antworten erhalte sie von Bewerbern für MTL-Ausbildungsplätze. Das Ziel müsse es deshalb sein, diese Motivation zu erhalten. Das Thema Wertschätzung packte sie in das Beispiel der Diagnose von akuter Leukämie. Die dafür vorgesehenen 40 Cent im EBM seien keine Wertschätzung. Eine gut ausgebildete Fachkraft könne durchaus mal 10 Minuten dafür brauchen oder eine Zweitmeinung einholen. Die geplante Laborreform mache dabei noch Betroffener und die Kolleginnen und Kollegen würden das auch so wahrnehmen. Außerdem wirke die Überregulierung nicht motivierend. Es werde eine Sinnhaftigkeit benötigt, sonst könne man junge Mitarbeiter nicht ins Labor bringen.
Tests werden nicht billiger
Dr. Thorsten Hilbich, Geschäftsführer Vice President Central Europe der Diasorin Deutschland GmbH, wagte den Rückblick auf die heiße Phase der Coronapandemie. Er sei der Meinung gewesen, dass in dieser Zeit jeder verstanden habe, dass das Labor wichtig sei und die Wertschätzung gegeben sei. Doch das sei vorbei. So sei die IVDR ein teures Unterfangen und bei der Vergütung gebe es einen regelrechten Verteilungskampf. Er gab zu bedenken: Worüber solle die sprechende Medizin sprechen, wenn keine Ergebnisse vorlägen? Therapie und Vorsorge passiere im Labor. Bei der geplanten drastischen Reduzierung der Vergütung betonte er klar, dass die Industrie die Tests nicht billiger machen könne. Die Effizienzsteigerungen müssten ebenfalls bezahlt werden.
Magere Gesetzgebung in der Legislaturperiode
Bei der sich anschließenden Diskussionsrunde ging es zunächst um die Qualität der Gesetze, die Lauterbach auf den Weg gebracht hat bzw. bringen wollte. Müller sagte, dass vieles handwerklich so schlecht gemacht worden sei, dass es besser sei, sie neu zu denken. Es sei eine befremdliche Ideologie zu spüren gewesen. Es sei besser, sich neu zu sortieren. Nicht ganz so kritisch ging Stötefalke mit der Regierung ins Gericht. Bei ein paar Vorhaben habe er sich gewünscht, dass es klappt. Im Rückblick sei es in der Legislaturperiode aber eine magere Gesetzgebung gewesen und die Steigerung der Ausgaben erwartbar.
Laborreform noch abändern?
Bei der Frage nach der Laborreform betonte Müller, dass Beschlüsse jederzeit abgeändert werden könnten, wenn man wolle. Man habe die Folgen und Auswirkungen angesprochen, aber es werde trotzdem gemacht. Er habe das Gefühl, dass es Bockigkeit sei. Eventuell müsse künftig bspw. der Labor-Fahrdienst eingeschränkt werden. Es gebe noch die Chance, dass sich etwas ändern könne. Jaster erläuterte, dass der Zeitrahmen bei den Proben länger werde, gerade in den strukturschwachen Regionen. Ländliche Proben müssten längere Strecken zurücklegen und die restlichen Labore eventuell höhere Mengen verarbeiten, was ebenfalls länger dauere. Hilbich erwähnte die Privatversicherten, die das Ganze noch entspannter sähen. Wer aber auf das Land gezogen sei, werde Probleme bei der Versorgung bekommen. Stötefalke unterstrich, dass es keine Kollateralschäden geben dürfe. Es müsse innerhalb der Ärzteschaft geregelt werden. Ziel müsse es sein, eine optimale Patientenversorgung zu erreichen. Einen Eingriff der Politik möchte er in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Scherer sagte, dass es zu denken geben müsse, wenn ein ganzer Bereich opponiere. Die Kolleginnen und Kollegen müssten sich mitgenommen fühlen. Es sei wichtig, die Implikationen für die Patienten zu bedenken, denn das seien diejenigen, die am stärksten betroffen seien. Auch Müller bestätigte, dass die Patienten die Verlierer seien. Die Verfügbarkeit ändere sich. Inhaltlich habe man sehr viel Unterstützung von den Haus- und Fachärzten erhalten. Es sei nötig, sich im Sinne der Patienten zusammenzusetzen und Lösungen zu finden.
Kritik an Cherry Picking
Bei der Frage nach der Umverteilung von Mitteln brachte Müller den Wirtschaftlichkeitsbonus ins Spiel. Diese Diskussion sei wichtig. Scherer erwähnte die Fehlanreize im System. Es werde zu viel operiert, es gebe zu viel Bildgebung, was wiederum Laborleistung triggere. Dies führe zu Überdiagnostik und Überversorgung. Er erinnerte an das Statement von BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, der von einem Selbstbedienungsladen im deutschen Gesundheitssystem gesprochen hatte. Scherer kritisierte zudem das „Cherry Picking“ einiger Fachärzte. Das deutsche Gesundheitssystem sei ein extrem teures Gesundheitssystem. Es sei an vielen Stellen ineffizient. Gleichzeitig werde die Ambulantisierung die Bedeutung der Labore noch steigern.
Schnelltests umstritten
Während Stötefalke das Vorhaben begrüßte, den Apotheken mehr Möglichkeiten für Tests zu geben, gab Jaster zu bedenken, dass der Weg der Schnelltests auch gefährlich sein könne, wenn man an die Patientensicherheit denke. Allerdings sieht Hilbich einen positiven Effekt, wenn durch diese Tests die Menschen erreicht würden, die sonst nicht erreicht werden könnten. Doch Müller beklagte, dass im Gesetz nicht einmal stehe, wer letztlich diese Tests dann bezahle.
Auf die Fehlallokation innerhalb der Ärzteschaft verwies Scherer. Es sei richtig, dass sich die Zahl der Ärzte (Köpfe) in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt habe, in Vollzeitkräften seien es noch +75 Prozent. Doch nicht alle Sparten hätten davon profitiert. So habe beispielsweise die Chirurgie profitiert, während es einen Mangel bei den Hausärzten gebe. Es gebe keine bedarfsgerechte Steuerung. Dem Argument, dass mit dem Einsatz von KI fehlende Ressourcen ausgeglichen werden könnten, trat Jaster entschieden entgegen. Es sei eine Mischung zwischen Mensch und Maschine nötig. Es sei wichtig, dass die MTL wüssten, was passiere und Ergebnisse bewerten können. Ein Befund müsse auf Plausibilität überprüft werden können. Wichtig sei deshalb das medizinische Hintergrundwissen sowie in immer stärkerem Maße die IT-Kenntnisse. Bei möglichen Einsparungen in den Laboren sieht Jaster keine Potenziale mehr. Es habe in den vergangenen Jahrzehnten schon erhebliche Kostensenkungen und Strukturanpassungen gegeben. Müller rechnete zudem vor, dass der Kostenanteil der Labore an den gesamten Gesundheitsausgaben im Band von 2,8 bis 3,2 Prozent geblieben sei, selbst in den heißen Phasen der Pandemie und obwohl viel Neues hinzugekommen sei. Stötefalke hofft, dass durch den Einsatz von z.B. der ePA Patienten besser versorgt werden könnten ohne mehr Geld ausgeben zu müssen. Hilbich verweis auf die fehlende Konzentration auf das Thema Vorsorge. Es solle stärker um das Verhindern von Krankheit gehen.
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