Entdeckung proliferierender Astrozyten in der weißen Substanz
Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Dr. Judith Fischer-Sternjak von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München sowie Prof. Magdalena Götz von Helmholtz Munich, der LMU und dem SyNergy-Exzellenzcluster kartierten mithilfe von Einzelzell-RNA-Sequenzierung und räumlicher Transkriptomik die Vielfalt der Astrozyten in verschiedenen Hirnregionen und Spezies und erstellten damit erstmals ein detailliertes molekulares Profil der Astrozyten der weißen Substanz (WM). Astrozyten spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Neuronen und der Erhaltung der Gehirngesundheit. Bisher wurde ihre Heterogenität jedoch vor allem in der grauen Substanz (GM) untersucht, die für die Informationsverarbeitung verantwortlich ist. Die Astrozyten der weißen Substanz, die weitreichende neuronale Verbindungen unterstützen, sind hingegen noch wenig erforscht. Diese Studie schließe damit eine zentrale Wissenslücke, indem sie zeige, dass WM-Astrozyten keine homogene Zellpopulation sind, sondern aus verschiedenen Subtypen mit spezialisierten Funktionen bestehen, so die Wissenschaftler/-innen.
Keine einheitliche Zellgruppe
„Unsere Ergebnisse widerlegen die bisherige Annahme, dass Astrozyten der weißen Substanz eine einheitliche Zellgruppe bilden“, erklärt Fischer-Sternjak. „Stattdessen haben wir deutliche Hinweise auf spezialisierte Subtypen gefunden, darunter eine Zellart mit erheblichem proliferativem Potenzial, das für die Gehirnreparatur genutzt werden könnte.“ „Da wir bereits nachweisen konnten, dass proliferierende Astrozyten zur Regeneration beitragen können, sind wir besonders begeistert, diese nun auch in der weißen Substanz gesunder Gehirne zu entdecken“, ergänzt Götz.
Verborgenes Reservoir für die Neubildung von Astrozyten?
Die Studie identifizierte zwei unterschiedliche Typen von Astrozyten in der kortikalen weißen Substanz. Einer dieser Typen ist weit im Gehirn verbreitet, evolutionär konserviert und vermutlich an der Unterstützung von Nervenfasern, der Zellkommunikation und der Stoffwechselregulation beteiligt. Der andere ist ein hochspezialisierter Subtyp, der vor allem in der kortikalen weißen Substanz vorkommt. Diese Zellart zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Proliferation aus und wird durch spezifische Signalwege beeinflusst, die mit anderen Gehirnzellen interagieren. Bemerkenswerterweise fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass einige dieser proliferierenden Astrozyten aus der weißen Substanz in die graue Substanz wandern können. Dies lege nahe, dass bestimmte Regionen der weißen Substanz als verborgenes Reservoir für die Neubildung von Astrozyten dienen könnten und somit zur langfristigen Erhaltung der Gehirnfunktion beitragen könnten.
Entwicklung neuer Therapien für Gehirnverletzungen?
Die Entdeckung proliferierender Astrozyten in der weißen Substanz eröffne vielversprechende Möglichkeiten für die regenerative Medizin. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die die Astrozytenproliferation steuern, könnte zur Entwicklung neuer Therapien für Gehirnverletzungen und neurodegenerative Erkrankungen wie Multiple Sklerose führen, bei denen die Integrität der weißen Substanz beeinträchtigt ist. „Diese Studie eröffnet aufregende Perspektiven für die regenerative Medizin“, sagt Dr. Riccardo Bocchi, Erstautor der Studie und Principal Investigator at the Department of Basic Neuroscience, University of Geneva, Switzerland. „Die Entdeckung proliferierender Astrozyten in der weißen Substanz schafft neue therapeutische Ansätze, insbesondere für Erkrankungen, die mit Schädigungen oder Degeneration der weißen Substanz einhergehen.“
Quelle: idw/HZM
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