Eine Schule mit hohem Anspruch und familiärer Atmosphäre

Interview mit Gabriele Emminger
Kli/LZ
Gabriele Emminger, Schulleiterin der MTLA-Schule am Max von Pettenkofer-Institut der LMU
Gabriele Emminger, Schulleiterin der MTLA-Schule am Max von Pettenkofer-Institut der LMU Bert Woodward
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Knapp 450 Schülerinnen und Schüler hat Gabriele Emminger seit ihrem Amtsantritt 2006 als Schulleiterin der MTLA-Schule am Max von Pettenkofer-Institut der LMU auf deren Weg ins Berufsleben vorbereitet. Im Interview mit MTA Dialog erläutert sie unter anderem, wie sie sich eine optimale MTA-Ausbildung vorstellt und was sie an ihrem Beruf besonders schätzt.

Frau Emminger, Ihre Schule hat gerade ihr 90-jähriges Bestehen gefeiert, und 30 Schülerinnen und Schüler haben bei Ihnen Ende Juli ihr Examen bestanden. Wie verliefen die Prüfungen unter Corona-Bedingungen?

Sehr gut eigentlich. Für das Schriftliche haben wir einen großen Hörsaal zur Verfügung, der normalerweise 300 Personen Platz bietet. Dort konnte die schriftliche Prüfung für 30 MTA mit Abstand problemlos durchgeführt werden. Nur das Mündliche haben wir geändert. Wir hatten vor Corona-Zeiten in Vierergruppen geprüft, und das haben wir auf zwei reduziert, was wir als sehr angenehm empfunden haben. Das werden wir auf jeden Fall so beibehalten. Glücklicherweise waren alles Präsenzprüfungen.

Können Sie sich noch an Ihr Examen erinnern?

Das ist lange her. Das war 1977. Ich habe damals die zweijährige Ausbildung absolviert. Das Examen fand außerhalb der Schule im Ärztehaus in München statt. Es war eigentlich wie eine Abiturprüfung. Wir waren an kleinen Tischen in einem riesigen Raum verstreut. Und wir hatten 14 Fächer. Die Prüfung erstreckte sich über den ganzen Tag, vormittags und nachmittags mit einer Mittagspause. Die praktische und mündliche Prüfung verliefen so wie heute. Bei mir persönlich war es so, dass ich in der praktischen Prüfung in einem Fach zurücktreten wollte, weil mein Mann damals sehr krank war und ich die ganze Nacht im Krankenhaus verbracht hatte, aber unsere damalige Schulleiterin hat das zum Glück verhindert. Ich habe es dann nämlich trotzdem geschafft.

Könnten Sie kurz Ihre Schule vorstellen? Was ist das Besondere Ihrer Schule?

Es sind verschiedene Aspekte. Das Besondere ist, dass wir am Münchner Hygiene-Institut angesiedelt sind, dessen erster Direktor 1865 Max von Pettenkofer war. Durch unsere räumliche Nähe zur Ludwig-Maximilians-Universität und die Vernetzung mit den Laboratorien der Universität können wir Entwicklungen früh wahrnehmen. Bei uns unterrichten sowohl ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer als auch berufstätige Ärzte, Biologen oder Wissenschaftler. Das sehe ich als ganz großen Vorteil an. Außerdem können wir als Lehrkräfte für den praktischen Unterricht gut an Patientenmaterial kommen.

Was zu unserer Schule auch gehört, sind die sehr beengten Verhältnisse. Das Gebäude stammt aus den 1960er-Jahren und hat natürlich dementsprechend bauliche Mängel. So passiert es schon mal, dass Wasser von oben aus der Decke tropft. Die Fenster sind undicht, die Räume viel zu klein. Unsere Schüler*innen sind auch darauf angewiesen, für den Unterricht in die Nachbargebäude zu gehen, weil unsere Schule zu klein ist, sodass die dann oft wie die Nomaden mit ihrem Gepäck von einem Unterrichtsraum zum anderen ziehen. Wir sind es aber gewohnt, mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Was ich besonders schätze, ist die familiäre Atmosphäre an unserer Schule. Es ist uns wichtig, dass sich die Schüler*innen wohlfühlen. Wir sind ein kleines Team. Acht angestellte Lehrkräfte und 96 Schüler. Die kommen ja zum Teil im Alter von 17 oder 18 Jahren zu uns und entwickeln sich in den drei Jahren enorm. Sie werden geschult und weitergebracht und verlassen uns als selbstbewusste junge Erwachsene. Es ist eine kleine Schule, an der jeder den anderen kennt. Probleme, die immer mal auftreten, können schnell wahrgenommen werden und wir versuchen, dann auch zu helfen. Wir bemühen uns, es den Schülerinnen und Schülern, die ja mehr als 4.000 Unterrichtsstunden in den drei Jahren absolvieren, so leicht wie möglich zu machen.

Hat die Corona-Krise die Digitalisierung an Ihrer Schule vorangebracht?

Auf jeden Fall. Wir mussten uns jetzt zwangsläufig mit dem Thema Videokonferenz und Videounterricht auseinandersetzen. Das hat uns schon herausgefordert. Ich persönlich finde, dass es gut funktioniert hat. Man hat die Schüler*innen gesehen. Man hat mit ihnen gesprochen, und es lief eigentlich eins zu eins. Das ist das eine. Und das andere ist, dass unser langgehegter Wunsch, die Schüler mit Tablets auszustatten, Fahrt aufgenommen hat, sodass wir jetzt zumindest einen Teil des Unterkurses mit Leihtablets ausstatten können. Wir befürworten es auch, dass die Schüler ihre eigenen Notebooks mitbringen dürfen und im Unterricht benutzen. Ursprünglich war das nur angedacht, um Kopierpapier zu sparen und den Personaleinsatz der Sekretärin zu reduzieren. Aber jetzt sollen die Schüler gut ausgestattet sein, falls wir wieder in eine Situation kommen, in der viel Videounterricht stattfinden muss.

Warum lohnt es sich heute noch, MTA zu werden?

Es ist ein schöner, interessanter und abwechslungsreicher Beruf, der sich laufend weiterentwickelt. Man hat viele große Fachbereiche, ist breit aufgestellt, kann im Team arbeiten. Und bei aller technologischen Entwicklung hat man als MTA einen sicheren Arbeitsplatz. Der DVTA hat festgestellt, dass es in Deutschland circa 70.000 Arbeitsplätze für MTA gibt und davon arbeiten circa 19.000 im Krankenhaus. Die anderen sind alle verteilt. Es gibt also eine Vielfalt von Arbeitsmöglichkeiten, und man kann sich den Arbeitsplatz suchen, der einem individuell am besten passt. Ein weiterer Vorteil ist: 51 Prozent der Leute arbeiten in Teilzeit. Das ist natürlich familienfreundlich.

Wieso wird der Beruf der MTLA gerade in Corona-Zeiten in der Öffentlichkeit nicht angemessen wahrgenommen?

Das hat meiner Ansicht nach zwei Gründe. Es liegt zum einen daran, dass die MTLA in der Regel nicht am Patienten sichtbar ist und von den Patienten nicht wahrgenommen wird. Die Labore sind meistens in Nebengebäuden untergebracht oder sind ausgelagert. Die MTLA wird einfach nicht gesehen. Sie bekommt das Untersuchungsmaterial und hat nur indirekt mit dem Patienten zu tun.

 

Der zweite Grund ist: Die MTA streiken nicht und können ihre Interessen nicht adäquat vertreten. Ich glaube, das sind die beiden Hauptgründe. In den Medien ist zurzeit das Pflegepersonal deutlich stärker vertreten. Die MTLA sind eher unsichtbar, obwohl sie die ganzen Tests machen und sehr überlastet sind.

Wünschen Sie dem Beruf insgesamt mehr Wertschätzung/Aufmerksamkeit?

Ja, auf jeden Fall. Ich finde, die Arbeit der MTA ist sehr wichtig. Wenn Sie ins Krankenhaus kommen, dann helfen wir, die richtige Diagnose zu stellen. Und das finde ich sehr wichtig. Die Grundlage für alle Therapie im Krankenhaus sind die klinische Chemie, die Mikrobiologie, die Hämatologie oder die Histologie. Denken Sie nur an die Krebsdiagnosen durch Gewebeuntersuchungen oder auch die ganzen Befunde, die bei Infektionen von Bedeutung sind. Die Tätigkeit der MTLA ist insofern ein essenzieller und unentbehrlich für die Therapie.

Muss Ihrer Ansicht nach die MTA-Ausbildung reformiert werden und wenn ja, in welche Richtung?

Ja, die MTA-Ausbildung muss reformiert werden. Der letzte Lehrplan von Bayern ist von 1992. Gut, dass es überhaupt einen gibt. Das ist bundesweit auch nicht überall der Fall. Es ist inzwischen aber viel passiert. Die Molekularbiologie hat einen größeren Anteil als früher. Andere Fächer kann man vielleicht etwas mehr vernachlässigen. Insgesamt muss der Lehrplan ganzheitlicher, fächerübergreifender und handlungsorientierter gestaltet werden.

Was geben Sie Ihren ehemaligen Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg?

Freuen Sie sich auf Ihren Beruf! Er ist schön und vielfältig. Seien Sie anspruchsvoll bei Ihrer Arbeitsqualität, gegenüber sich selbst und auch Ihren Chefs gegenüber, und lassen Sie sich anständig bezahlen! Das liegt nämlich noch etwas im Argen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Ihrer Schule?

Weniger Bürokratie, mehr Zeit für Zuwendung. Wir haben deutlich mehr Verwaltungsaufgaben als früher, und da bleibt mancher Blick auf die Schüler*innen auf der Strecke. Wenn wir Besprechungen haben, geht es meistens um Organisation und nicht um die Weiterentwicklung der Schulqualität und am allerwenigsten um die Schüler*innen. Das würde ich als Schulleiterin gern ändern wollen.

Die Fragen stellten Gisela Klinkhammer und Ludwig Zahn.

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