Bundesärztekammer fordert mutige Reformen
„Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor massiven Herausforderungen, die mutige Reformen in allen Leistungsbereichen des Gesundheitssystems erfordern. Prävention, Versorgungssteuerung, Entbürokratisierung und die nachhaltige Sicherung der Finanzierung unseres Gesundheitswesens gehören in den Fokus der neuen Bundesregierung.“ Das sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt mit Blick auf die Bundestagswahl in knapp sieben Wochen und die sich daran anschließenden Koalitionsverhandlungen am 7. Januar in Berlin.
Interessen der Lebensmittellobby dürfen nicht über das Kindeswohl gehen
„Kinder müssen vor demübermäßigen Konsum zucker- und fetthaltiger Lebensmittel geschützt werden – zum Beispiel durch gezielte Werbeverbote und die Einführung einer Zuckersteuer. Die Gewinninteressen der Lebensmittellobby dürfen nicht länger über das Wohl der Kinder gestellt werden“, so der Bundesärztekammer-Präsident. Flankiert werden sollten diese Maßnahmen durch regelmäßigen und verbindlichen Gesundheitsunterricht an Schulen und Berufsschulen.
Er wies darauf hin, dass in Deutschland Hunderttausende Menschen an den Folgen vermeidbarer Krankheiten sterben. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen zu menschlichem Leid und kosten unser Gesundheitssystem Jahr für Jahr rund 60 Milliarden Euro. Dabei könnten durchPrävention und gesunde Lebensführung rund 70 Prozent dieser Krankheitsfälle und die daraus resultierenden Kosten vermieden werden”, so Reinhardt.
Mehr Koordination in der Versorgung
Reinhardt forderte zudem mehr Koordination in der Patientenversorgung. „In Deutschland werden die Patientinnen und Patienten viel zu oft mit der Organisation und Koordinationihrer Versorgung allein gelassen. Die Folge ist ein ungeordnetes Nebeneinander in der Versorgung. In bestimmten Regionen hat jeder Zweite im Schnitt zwei Hausärzte. So etwas können wir uns bei zunehmender Personalnot und knapper Kassen nicht mehr leisten“, warnte Reinhardt. Es sollte zum Normalfall werden, dass sich Patientinnen und Patienten bei einer Hausarztpraxis einschreiben, die dann die Koordinierung der Weiterbehandlung übernimmt. Bei bestimmten chronischen Erkrankungen könne die Koordination auch ein Facharzt oder eine Fachärztin übernehmen. Dafür notwendig seien zum Beispiel günstigere Krankenkassenbeiträge für diejenigen, die sich in so ein Modell einschreiben.
Um Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für die eigentliche Patientenversorgung zu geben, schlägt Reinhardt einedreijährige Bürokratie-Taskforce von Politik und Selbstverwaltung vor. Diese soll bereits vorliegende Einzelvorschläge zum Bürokratieabbau aufgreifen, um so die Bürokratiebelastung im Gesundheitswesen um mindestens zehn Prozent pro Jahr zu senken. Reinhardt: „Wenn wir am Ende der nächsten Legislaturperiode ein Drittel weniger unnötiger Bürokratie zu bewältigen haben, ist für die Patientenversorgung viel erreicht.“
GKV-Finanzen stabilisieren
Mit Blick auf die steigenden Kassenbeiträge forderte Reinhardt, versicherungsfremde Leistungen über Steuern zu finanzieren. Nötig sei auch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittelwie bei Tierarzneimitteln von jetzt 19 Prozent auf sieben Prozent. „Wir reden hier nicht von Peanuts. Durch eine solche Absenkung würden die Krankenkassen etwa sechs Milliarden Euro jährlich einsparen“, so Reinhardt.
Quelle: BÄK
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