Das Fraunhofer IAO hat auf Basis eines neu entwickelten Befragungsinstruments im Zeitraum Juni/Juli 2023 mehr als 1.000 Beschäftigte in Deutschland zu ihren Arbeitswerten befragt. Freude an der Arbeit, selbstbestimmtes Arbeiten und abwechslungsreiche Tätigkeiten sind Mitarbeitenden laut der Studie besonders wichtig. Die Ergebnisse sowie Arbeitswertprofile veranschaulicht das Fraunhofer IAO über ein Online-Dashboard.
Werte und eine gut gelebte Unternehmenskultur haben maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Sie dienen als Leitprinzipien für Entscheidungen und Handlungen und können die Bindung der Beschäftigten an ihre Organisation, ihre Leistungsbereitschaft, ihr Wohlbefinden sowie ihre Einstellungen zur Vielfalt und Inklusion beeinflussen. Welche Ziele und Erwartungen haben Mitarbeitende in Bezug auf ihre Arbeit wie Autonomie, soziale Gerechtigkeit, das Befolgen von Regeln oder ökologische Nachhaltigkeit? Welche Arbeitswerte sind von Relevanz, um die Kündigungsabsicht zu reduzieren?
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat diese Fragestellungen im Rahmen einer großangelegten Befragung unter 1.049 Teilnehmenden deutschlandweit untersucht. Dabei wurden die Arbeitswerte wissenschaftlich fundiert definiert und die Stichprobe repräsentativ nach Alter und Geschlecht der Teilnehmenden zusammengesetzt. Erstmalig in Deutschland hat das Fraunhofer IAO nach eigenen Angaben für die Umfrage mithilfe von Machine Learning ein methodisch innovatives Instrument entwickelt, dass die Arbeitswerte umfassend und anschaulich über ein interaktives Dashboard darstellen kann.
Erst das Vergnügen, dann die Nachhaltigkeit?
Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten die Arbeitswerte „Vergnügen“, „Autonomie“ und „Abwechslung“ als besonders wichtig einstufen. Diese Arbeitswerte stehen für Faktoren wie selbstbestimmtes Arbeiten und abwechslungsreiche Tätigkeiten. Zum Vergnügen gehört die „Freude an der Arbeit“, worunter die Begeisterung für die Arbeit sowie eine gelungene Balance zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten zu verstehen ist. An vierter Stelle folgt der Arbeitswert „Regeln respektieren“. Dies verdeutlicht, dass es den Befragten wichtig ist, sich an Regeln und die organisatorische Struktur zu halten.
Soziale Aspekte wie „Helfen und Unterstützung“ sowie »Soziale Gerechtigkeit“ spielen eine vergleichsweise geringere Rolle. „Dass ,Ökologische Nachhaltigkeit‘ im Schnitt eine vergleichsweise so geringe Rolle spielt, stimmt mich nachdenklich“, sagt Jannick Schneider, der die Studie vonseiten des Fraunhofer IAO leitet. „Angesichts der Klimakrise sollte nachhaltigem Handeln bei der Arbeit viel mehr Bedeutung beigemessen werden“, ergänzt Schneider. Die Studie zeigt, dass es in Bezug auf „Ökologische Nachhaltigkeit“ und „Autorität“ kontroverse Meinungen in der Bevölkerung gibt, während sich die Befragten bei der Relevanz der Aspekte „Vergnügen“ und „Autonomie“ eher einig waren.
Führungskräfte: Autorität und Ehrgeiz
Der Vergleich zwischen den Geschlechtergruppen zeigt, dass männliche Beschäftigte „Autorität“ und traditionelle Werte als wichtiger erachten, während weibliche Beschäftigte „Vergnügen“ sowie „Helfen und Unterstützen“ höher bewerten. Personen ohne Führungsverantwortung messen zudem „Vergnügen“, „Autonomie“, „Helfen und Unterstützen“ sowie „Soziale Gerechtigkeit“ mehr Bedeutung bei als Personen mit Führungsverantwortung, welchen „Autorität“ und „Ehrgeiz“ wichtiger ist. Bedeutende Zusammenhänge des Alters mit der Wichtigkeit einzelner Arbeitswerte konnten hingegen nicht festgestellt werden.
Darüber hinaus hat das Fraunhofer IAO auch untersucht, welche Arbeitswerte Organisationen vertreten sollten, um Kündigungen vorzubeugen. Das Ergebnis: Wenn die als wichtig erachteten Werte wie „Vergnügen“, „Autonomie“, „Helfen und Unterstützen“, „Soziale Gerechtigkeit“ und „Regeln“ nicht von einer Organisation repräsentiert werden, steigt die Gefahr, dass Beschäftigte kündigen.
Interessant ist auch der Branchenvergleich Dabei zeigt sich, dass der Arbeitswert „Vergnügen“ überwiegend als wichtigstes Kriterium bewertet wird. Ausgenommen davon ist jedoch der Forschungs- und Entwicklungsbereich: Hier steht Abwechslung an erster Stelle. Außerdem gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Branchen in Bezug auf ausgewählte Arbeitswerte. Zum Beispiel ist „Helfen und Unterstützen“ im Gesundheits- und Sozialwesen deutlich wichtiger, während „Ökologische Nachhaltigkeit“ für Unternehmen im Bereich Verkehr und Logistik weniger bedeutend als für den Durchschnitt ist.
Viertagewoche positiv bewertet
Auch wenn es fraglich ist, ob sie wirklich realistisch umsetzbar ist: Ein signifikanter Teil der Befragten ist positiv gegenüber der Einführung einer Viertagewoche sowohl mit 32 als auch mit 40 Stunden eingestellt – trotz der resultierenden Gehaltseinbußen. 44,2 Prozent der Teilnehmenden stimmen der Aussage „Ich befürworte eine Einführung der Viertagewoche mit 32 Stunden (angepasstes Gehalt)“ tendenziell oder voll und ganz zu. 48,9 Prozent schätzen, dass sich ihre Lebensqualität durch die Viertagewoche verbessern würde.
38,2 Prozent befürworten die Viertagewoche mit 40 Stunden, und 34,3 Prozent erwarten sich dadurch eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. In Bezug auf die Frage, ob die Einführung einer Viertagewoche im eigenen Job als realistisch angesehen wird, stimmten 42,2 Prozent bei einer 32-Stunden-Woche (angepasstes Gehalt) und 34,8 Prozent bei einer 40-Stunden-Woche zu. Diese Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen der Berufe-Studie des Haftpflichtverbands der Deutschen Industrie (HDI) aus dem Jahr 2022. Allerdings fällt hier die Zustimmung zur 32-Stunden-Woche bei angepasstem Gehalt deutlich höher aus.
Die detaillierteren Ergebnisse sowie Arbeitswert-Profile werden zurzeit vom Studienteam des Fraunhofer IAO erarbeitet und auf der Projekt-Webseite über ein Dashboard veranschaulicht. Dort werden in naher Zukunft auch Ergebnisse zur Kündigungsabsicht, Arbeits- und Lebenszufriedenheit sowie zur wahrgenommenen Übereinstimmung der Werte mit der Organisationskultur präsentiert.
Quelle: idw
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