Neuer Therapieansatz bei Tuberkulose?

Wirkstoffe direkt in die Lunge bringen
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Lungenschnittes einer mit TB infizierten Maus
Die Mikroskopaufnahme eines Lungenschnittes einer mit TB infizierten Maus zeigt in Rot die Wirkstoff-Nanopartikel. © FZB Zelluläre Mikrobiologie, Dr. N. Redinger
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Viele Tuberkulosepatientinnen und -patienten brechen ihre langwierigen Therapien ab. Ein neues Aerosol-Verfahren könnte in Zukunft helfen, die Therapietreue zu erhöhen.

Laut WHO erkrankten im Jahr 2021 weltweit geschätzt 10,6 Millionen Menschen an Tuberkulose und 1,6 Millionen starben daran. Das war eine Erhöhung im Vergleich zum Vorjahr (2020: 9,9 Millionen Neuerkrankungen und 1,5 Millionen Todesfälle). Allerdings könnte es hier eine erhebliche Dunkelziffer durch die Auswirkungen der Pandemie geben. Die Tuberkulose bleibt somit eine der Infektionserkrankungen mit den höchsten Todesfallzahlen. Besonders problematisch ist, dass laut WHO zudem vor allem therapieresistente Tuberkuloseinfektionen zunehmen. Auch in Deutschland kann es zu Erkrankungen durch diese bakterielle Infektion kommen. Die Tuberkulose stellt aus zwei Gründen eine besondere Herausforderung dar: Erstens kapseln sich die Bakterien im Gewebe ein, meist in der Lunge, und können über Jahre inaktiv bleiben, um dann lange nach der primären Infektion Symptome auszulösen. Zweitens zeigen Tuberkulose-Bakterien häufig Resistenzen, mindestens gegen zwei der gängig eingesetzten Antibiotika. Das vermehrte Auftreten therapieresistenter Erregerstämme ist auf unzureichende Wirkstoffkonzentrationen am Ort der Infektion und vorzeitigen Behandlungsabbruch unter anderem wegen der häufig erheblichen Nebenwirkungen der Antibiotika zurückzuführen.

Nanomedizinischer Ansatz gegen Resistenzen?

Ein nanomedizinischer Ansatz könne dabei helfen, die Entwicklung weiterer Resistenzen zu verringern, so das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nanopartikel sollen dabei als Träger neuer Antibiotika dienen und diese zielgerichtet zu Infektionsherden und infizierten Zellen bringen. So soll sich die Wirkstoffkonzentration in der Lunge lokal erhöhen lassen. „Die neu entwickelten Antibiotika sind allerdings häufig lipophil, das heißt fettlöslich, und lassen sich in Wasser nicht oder schwer verabreichen. Daher werden sie aus Magen, Blut und Zellflüssigkeit bisher nur schlecht aufgenommen“, erklärt Professor Claus Feldmann, Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie (AOC) des KIT.

Bisher häufige Therapieabbrüche

Aktuell werden an Tuberkulose erkrankte Patientinnen und Patienten mit hohen Dosen über einen langen Zeitraum behandelt, um die Erreger in den Infektionsherden zu erreichen. Die zum Teil schweren Nebenwirkungen wie Leberschädigungen sind allerdings häufig Gründe für Therapieabbrüche mit der Folge weiterer Resistenzentwicklung. Künftig sollen die Nanopartikel dabei helfen, Antibiotika zielgerichtet zu transportieren. „Wir haben schon einige Nanocarrier für den Transport von Antibiotika gegen die Tuberkuloseerreger in Mäusen getestet, aber erst die neuen Nanocarrier unserer Kolleginnen und Kollegen vom KIT haben mich davon überzeugt, dass es möglich ist, gezielt und hochdosiert Antibiotika in die Tuberkuloseherde der Lunge zu bringen, ohne dabei andere Organe in Mitleidenschaft zu ziehen“, sagt Professor Ulrich E. Schaible, Leiter der Zellulären Mikrobiologie und Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum.

Nutzung der Nanocarrier als Aerosol

Am Institut für Anorganische Chemie des KIT ist es gelungen, Nanopartikel mit Tuberkulose-Antibiotika herzustellen, die extrem hohe Wirkstoffgehalte aufweisen. „Der Antibiotikumgehalt beträgt bis zu 99 Prozent des Gesamtgewichts der Partikel“, berichtet Feldmann. „Bisher waren nach dem Stand der Literatur höchstens zehn Prozent möglich.“ Die am KIT entwickelten Nanocarrier lassen sich in Wasser dispergieren, also fein verteilen, und als Aerosol tief in der Lunge verabreichen. Am Forschungszentrum Borstel haben Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Tuberkulose-Experten Schaible in Kooperation mit weiteren Partnern in Deutschland, Österreich und Belgien die Wirksamkeit der Nanopartikel getestet und eine hohe Wirksamkeit sowohl im Labor als auch im lebenden Organismus festgestellt. Die Arbeit lief innerhalb des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens ANTI-TB. Inzwischen haben sich das KIT und das Forschungszentrum Borstel die Methode gemeinsam patentieren lassen. „Bis diese Aerosolformulierung beim Menschen angewendet kann, sind jedoch noch viele Vorarbeiten notwendig“, so Schaible.

Im Tierversuch 50 Prozent höhere Wirksamkeit

Die zum Inhalieren bestimmten amorphen Nanopartikel enthalten das Antibiotikum Bedaquilin mit einem Wirkstoffgehalt von 69 Prozent oder das Antibiotikum BTZ-043 mit einem Wirkstoffgehalt von 99 Prozent. Beide Antibiotika wirken auch gegen multiresistente Tuberkulosebakterien. In den Nanopartikeln sorgen Tenside dafür, dass sich die hoch lipophilen Antibiotika in Wasser dispergieren lassen. Dispersionen mit 4,1 Milligramm Bedaquilin pro Milliliter oder 4,2 Milligramm BTZ-043 pro Milliliter bleiben über mehrere Wochen stabil. Bei Tests an Mäusen zeigten die Nanopartikel-Dispersionen eine um 50 Prozent höhere Wirksamkeit als herkömmliche BTZ-043-Lösungen zur pulmonalen Inhalation. Die Nanocarrier bewiesen eine gute Fähigkeit, die verschiedenen biologischen Barrieren zu überwinden und waren in hohen Mengen in der Lunge, aber nicht in Leber und Milz nachzuweisen.

Literatur:
Rudolph D, Redinger N, Schwarz K, et al.: Amorphous Drug Nanoparticles for Inhalation Therapy of Multidrug-Resistant Tuberculosis. ACS Nano, 2023. DOI: 10.1021/acsnano.3c01664.

Quelle: idw/KIT

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