Forschung macht das Fach zukunftssicher

Röntgenkongress: Radiologen – und MTR! – sollen sich für den Fortschritt engagieren
Michael Reiter
Titelbild zum Veranstaltungsbericht vom 104. Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden
Abb. 1: Röntgenkongress in Wiesbaden: mit aktuellen Entwicklungen rund um die medizinische Bildgebung und die bildgeführte Behandlung am Start © M. Reiter
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Aktuelle Entwicklungen rund um die medizinische Bildgebung und die gezielte, bildgeführte Behandlung von Erkrankungen standen im Mittelpunkt des 104. Deutschen Röntgenkongresses mit Präsenzteil in Wiesbaden.

Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildeten radiologische Forschungsaktivitäten – getreu dem Kongressmotto „Abenteuer Forschung“. Neben zahlreichen nationalen radiologischen Forschungsprojekten wie dem Netzwerk „RACOON“ (Radiological Cooperative Network) sowie „RACOON COMBINE“ spielte in diesem Kontext die künstliche Intelligenz (KI) eine wesentliche Rolle – in Vorträgen und in der Industrieausstellung. Unabhängig hiervon: Warum und wie sich MTR forscherisch engagieren sollten, war beim RöKo ebenfalls ein herausragender Aspekt.

So stand das große Potenzial der KI für den Fortschritt in der radiologischen Diagnostik und der bildgeführten Therapie im Fokus des „Streitgesprächs“ zur Kongresseröffnung. Mit Vorteilen bei Effizienz, Genauigkeit und Geschwindigkeit von Diagnosen kommen schon jetzt KI-gestützte Lösungen zum Einsatz – etwa im Lungenkarzinom-Screening oder in der Mammadiagnostik, und dabei insbesondere in der Früherkennung, so der Tenor. Solche Nutzenvorteile könnten KI zu einem entscheidenden Hebel werden lassen, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten voranzubringen und zu verbessern, so Prof. Dr. Jörg Debatin. Die Eröffnungsveranstaltung zeigte laut dem Healthcare-Unternehmer und Radiologen, „was mit KI möglich ist, aber natürlich wollen wir auch ihre Grenzen verstehen – und begreifen, wie wir KI mit menschlicher Intelligenz ergänzen müssen“.

Hindernisse gebe es vor allem beim Zugriff auf Bilddaten, deren Verfügbarkeit die Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von KI bilde. „In Deutschland fehlt aktuell die entsprechende Struktur. Wir müssen einen Bilddatenschatz erst aufbauen“, unterstrich Prof. Dr. Michael Forsting. Dazu habe das Universitätsklinikum Essen das Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin – IKIM – gegründet, stellte der Leiter des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie dieses Universitätsklinikums fest. „Das Institut kann auf radiologische, aber auch auf andere Daten zurückgreifen, sodass man damit etwa KI trainieren kann.“

 

Leitlinien und DRW

„Die letzten Leitlinien wurden 2007 geschrieben“, sagte Prof. Dr. Dr. Reinhard Loose. Ihre Aktualisierung sei also dringend nötig gewesen, so der medizinphysikalische Berater weiter. Sie bilden das „Gebetsbuch“ der Bundesärztekammer zu Röntgendiagnostik und CT in der täglichen Arbeit für MTR und das Kontrollbuch der Ärztlichen Stellen. Ende 2022 erfolgte ein Update; eine Anpassung folgt zum Ende Mai 2023. Diese Version biete wesentliche Erweiterungen um neue Verfahren wie digitale Volumentomografie (DVT), Angiografie und Hirnperfusionen. Der Zwang zur Anwendung starte mit einer gewissen Toleranz. Neu sind auch Publikationen der Strahlenschutzkommission zu Strahlenschutzmitteln und die neuen diagnostischen Referenzwerte (DRW, insbesondere zu Dosiswerten).

Die aktuelle umfangreiche Empfehlung der Strahlenschutzkommission revolutioniere, wie wir mit Strahlenschutzmitteln arbeiten sollten, erklärte Dr. Josefin Ammon, Leiterin des Instituts für Medizinische Physik des Klinikums Nürnberg. Eigentlich solle man diese gar nicht mehr anwenden, außer beim CT bei der Hirnschädelaufnahme.

„Jahre hindurch haben wir auf neue DRW gewartet“, erläuterte Dr. Kerstin Jungnickel in Wiesbaden. Sie seien deutlich niedriger geworden, so die Medizinphysikerin am Klinikum Magdeburg. Bei der CT seien faktisch nur noch CTDI als DRW und die Scanlänge von Bedeutung. Neue DRW gebe es zu Mammografie und Volumentomografie. Achtung: Die Anwendung gilt ab diesem Jahr!

Neue Technologie

Photon Counting sei eine faszinierende CT-Technologie – sie wandele nicht mehr die einfallenden Röntgenphotonen erst in Lichtsignale um: Die Röntgenquanten fielen in einen Halbleiter, ein Spannungsfeld, und erzeugten direkt ein elektrisches Signal, sagte Prof. Dr. Konstantin Nikolaou. Dies schaffe technisch gewaltige Vorteile, weil man die Energie dieser einfallenden Photonen einzeln filtern und bearbeiten könne, so der DRG-Präsident und Ärztliche Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie im Universitätsklinikum Tübingen weiter. Als Anwendungsgebiete kämen sämtliche CT-Anwendungen in Betracht. So würden beispielsweise bei übergewichtigen Patienten die Bildqualität höher und die Dosis geringer. Noch seien die Zahlen der Verbreitung weltweit erst dreistellig, die Kosten hoch … die weitere Verbreitung sei jedoch nicht aufzuhalten, sagte Nikolaou voraus.

Bei der DRG gingen vermehrt Beschwerden über Hürden beim Bilddatenaustausch ein, berichtete Prof. Dr. Matthias May. Er ist Vorsitzender der AGIT – AG Informationstechnologie der DRG. Zahlreiche Hersteller böten inzwischen Austausch mit Zweifaktorauthentifizierung, sagte May – aber die Portale hätten proprietäre Routinen, was zu Mehraufwand bei den Radiologen führe. Roundtables mit der Industrie sollen hier nun Fortschritte hin zur Vereinheitlichung bringen. Ziel sei laut May eine DIN/TS innerhalb von sechs Monaten. Einheitlichkeit bei Download-Knopf und Dateistruktur sollen den MTR Erleichterungen im Workflow bieten.

 

Forschung und EBR

„Vom FilMTRäger zum (wissenschaftlichen) HeruMTReiber“: Bei MTR sei so viel Expertise vertreten, so viel Beitragspotenzial aus der täglichen Anwendung, betonte der Medizinpädagoge Michael Wiertz. „Sie bringen ja auch bereits jungen Ärzten die Nutzung von Geräten bei.“ Lernkompetenz, Wissenstransfer und Selbstreflektion seien im Kontext des lebenslangen Lernens gefordert. Professionalisierung bedeute, berufliche Erfahrungen mit Wissenschaft zu verknüpfen. So sollten MTR KI, Photon Counting & Co. mit ausgestalten.

Evidenzbasierte Radiologietechnologie (EBR) im Sinne von David Sackett stehe für das Zusammenbringen externer Evidenz – aus aktueller wissenschaftlicher Forschung, aus Projekten und Publikationen – mit aktuellen eigenen klinischen Erfahrungen, den Bedürfnissen der Patienten und den verfügbaren Ressourcen. Nicht nur in Österreich sei der Stellenwert hoch, sagte Prof. Mag. Gerold Unterhumer: EBR-basiertes Handeln sei ein berufsethisches Erfordernis laut Dachverband EFRS, fuhr der Studiengangsleiter Radiologietechnologie BA am FH Campus Wien fort. EBR erhöhe den Status von MTR, „weil wir durch diesen Beitrag auch höhere Arbeitszufriedenheit erreichen.“ Zur Verbreitung sei Unterstützung durch das Management ebenso notwendig wie das Commitment der Kollegen, etwa in Form eines Journal Clubs. Unterhumer zeigte zahlreiche Erfolgsbeispiele mit Bachelorstudierenden und Institutionen auf. Mit EBR „kommt die Wertschätzung zurück“.

„Vergessen wir über die Forschungsmotivation für MTR nicht die persönliche Ansprache der Patienten“, forderte Prof. Dr. Winfried Albert Willinek. Dies sei ein enormer Wert, den die Berufsgruppe zu der Leistungserbringung beitrage, fügte der Chefarzt für Diagnostische Radiologie im Trierer Brüderkrankenhaus hinzu. „In der Diskussion über Personalmangel sollten wir uns – neben der Pflege – auch dieser menschlichen, sozialen Anforderung an Technologische Assistenten widmen!“

 

Zukunft der Radiologie

Willinek sieht die Zukunft der Radiologie verstärkt positiv – insbesondere im Kontext der aktuellen Reformbestrebungen. Klinische Behandlungspfade brächten einen relevanten Nutzen weg von der Menge hin zu mehr Qualität. Eine zentrale Steuerung sei gefragt sowie eine Bündelung der Kompetenzen zur Verbesserung des Prozesses. Er nannte als Beispiel den akuten Bauchschmerz: Radiologen bringen Chirurgen und Internisten direkt in der Notaufnahme am Patienten zusammen. So stehen früh im Prozess die Informationen für die Leistungsentwicklung zur Verfügung, wodurch sich beispielsweise unnötige Untersuchungen vermeiden ließen. Die Aufgabenstellung umfasse, Fragestellungen aufzunehmen und Antworten zu geben – ohne Umwege und Verzögerungen. Patientenorientierung stehe im Fokus. Dieser Behandlungspfad werde von Studierenden nun gelernt. Im Kontext der Prozessoptimierung werde der Radiologe zum Moderator, Lotsen und Manager des Behandlungspfades. Der Rückschluss lautete: Schluss mit Zukunftsängsten in der Radiologie!

Die MTR ständen ganz im Zentrum des Faches, sagte Willinek. Das Stärken des Berufsbildes helfe bei der Gewinnung von Mitarbeitenden. Chefärzte sollten sich hier stark engagieren – siehe die Gründung einer MTR-Schule in Trier. Die Ausbildungsgänge starten laut Willinek im Oktober und stützen mit Inhalten wie Behandlungspfaden die Entwicklung des Faches.

 

Thema Nachhaltigkeit

Drei Säulen machten die Nachhaltigkeit aus, fasste Dr. Isabelle Redenius zusammen: ökologisch, ökonomisch und sozial – alle verknüpft. Der Stellenwert des Themas sei inzwischen weitreichend anerkannt, stellte die Radiologin bei evidia fest. Ihr Appell geht an Mitarbeitende in der Radiologie zur Einsparung von Energie, aber auch an die Industrie. Innovation beim Energieverbrauch sollte nicht nur bei Neuentwicklungen Einzug halten, sondern auch in bestehenden Portfolios. Ein Geräteaustausch sei ja kaum nachhaltig. „Jetzt anfangen“, lautete ihre Botschaft.

Für die Radiologie am Universitätsspital Bern bilde Nachhaltigkeit ein Kernziel, betonte PD Dr. Tobias Heye. Sie verursache einen hohen Anteil am CO2-Ausstoß und Energieverbrauch im Verhältnis zum Gesamtspital – und biete somit einen „riesigen Hebel“ für Verbesserungen. Laut dem leitenden Arzt und IT-Chef biete sich an, zuerst zu analysieren, wie Geräte genutzt werden. Auf dieser Basis sollten alle ausgeschaltet werden, die nicht in Nutzung seien: Insbesondere CT und Angiografie verbrauchten enorm viel Strom. Sie hätten laut Heye jedoch eine relativ geringe Frequenz an Untersuchungen und sie führen schnell hoch auch in Notfällen. Bei PET-CT könne man den CT-Anteil ausschalten! Radiologen und MTR sollten mit den Herstellern über den tatsächlichen Einsatz sprechen – so könne die Industrie den Stromverbrauch der Geräte reduzieren. Eine Forderung an die Hersteller lautete ferner: einen Eco-Mode einrichten und aktivieren.

Ausblick

Die Kongresspräsidentin Prof. Dr. Christiane Kuhl zeigte sich begeistert von der Teilnehmerzahl und dem Diskussionsengagement der MTR in Richtung eigener Forschungsprojekte – für die Zukunft der Disziplin. Volle Säle, ein optimistischer Spirit und Sommersonne für den Gedankenaustausch von MTR, Radiologen und Industrievertretern auf der Terrasse … bessere Bedingungen könne man sich für das Voranbringen des Faches nicht wünschen. Freuen wir uns alle auf den RöKo 2024 – erneut in Wiesbaden!

 

Entnommen aus MT im Dialog 7/2023

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