Sir Ronald Ross (1857–1932)

Tropenmediziner, Bakteriologe und Malariaforscher
Christof Goddemeier
Titebild zum Beitrag über Leben und Werk von Sir Ronald Ross (1857–1932)
Ronald Ross mit Mikroskop © Wellcome Collection, Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)
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Auch wenn der im letzten Jahr zugelassene erste Impfstoff gegen Malaria nur etwa 30 Prozent der Kinder vor einem schweren Verlauf schützen kann, feiern Tropenmediziner und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Mosquirix“ als „Durchbruch“ und „Meilenstein“.

Entwickelt und getestet wurde der Impfstoff vom Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline in Zusammenarbeit mit der PATH Malaria Vaccine Initiative. WHO-Chef Tedros Ghebreyesus sprach von einem „historische[n] Tag“ und „ein[em] Geschenk für die Welt“. Die WHO empfiehlt die breite Anwendung des Impfstoffs in Afrika südlich der Sahara. Denn immer noch infizieren sich jedes Jahr mehr als 200 Millionen Menschen mit Malariaerregern, 400.000 sterben an der Krankheit, vor allem Kinder unter fünf Jahren.

In seinem Buch „Die Mücke“ bezeichnet der kanadische Historiker Timothy C. Winegard das Insekt als „das gefährlichste Tier der Welt“, das mehr Menschen auf dem Gewissen habe als jede andere Todesursache der Menschheitsgeschichte. Bereits die Römer machten Feuchtgebiete wie die Pontinischen Sümpfe südöstlich von Rom für die Krankheit verantwortlich. Julius Cäsar versuchte, die Sümpfe trockenzulegen, doch nach seiner Ermordung wurde das Vorhaben nicht weitergeführt. 1787 reiste Johann Wolfgang von Goethe nach Italien. In „Faust II“ beschrieb er weitere Versuche der Austrocknung: „Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,/ verpestet alles schon Errungene;/ den faulen Pfuhl auch abzuziehen,/ das Letzte wär’ das Höchsterrungene. (...)“

In Sir Ronald Ross` Schrift „Über das Malariafieber“ finden sich viele andere Bezeichnungen, etwa „intermittierendes, Sumpf-, Marsch-, Dschöngel- und tellurisches (Erd-) Fieber“. Auch örtliche Namen wie „afrikanisches, birmanisches, römisches Fieber“ wurden verwendet. Doch Ross zufolge handelte es sich „immer um dasselbe Übel“. Heimisch sei es vor allem in heißen Ländern, doch während des Sommers komme es auch in gemäßigten Regionen vor, zum Beispiel früher in England und Schottland. Schon lange war bekannt, dass Malaria vor allem in Ortschaften auftritt, „wo stehendes Wasser sich anzusammeln vermag (...)“. Oft sei das Malariafieber auch in Gegenden anzutreffen, die „ganz ausgedörrt und wasserlos erscheinen“. Doch „auch in den trockensten Gegenden“ seien „die menschlichen Wohnungen immer dort zu suchen (...), wo etwas Wasser vorhanden ist“. Wegen der eindeutigen Beziehung zwischen stehendem Gewässer und Malariafieber vermutete man, dass giftige Ausdünstungen vor allem aus feuchtem Boden die Krankheit hervorrufen – daher der Name „Malaria“ (= schlechte Luft). Die Bezeichnung „tellurisches (Erd-) Fieber“ rührte laut Ross von der Annahme, das Fieber sei eine Folge von Grabungen im Boden, etwa so, „als ob das ‚Erdgift‘ ausgelöst würde, wenn man die Erdoberfläche stört“. Doch derlei Annahmen seien ohne Beleg geblieben.

In den letzten zehn Jahren des 19. Jahrhunderts rückten Forscher Zecken, Stechfliegen und -mücken zu Leibe. Den Anfang machte der US-amerikanische Pathologe Theobald Smith (1859–1934): Er fand, dass Zecken die Rinderkrankheit Texasfieber verbreiten. Sir David Bruce (1855–1931), australisch-englischer Mikrobiologe, entdeckte die nach ihm benannte Brucellose, das Maltafieber, und identifizierte die Tsetse-Fliege als Überträger der Schlafkrankheit.

Entdeckt hat Ronald Ross den Malariaerreger nicht. Dem französischen Mediziner Alphonse Laveran (1845–1922) gelang es bereits 1880 in der algerischen Stadt Constantine, im Blut seiner an Malaria erkrankten Patienten den Erreger zu identifizieren und als Protozoon zu beschreiben. Und der schottische Mediziner Sir Patrick Manson (1844–1922) fand, dass Moskitos aus dem Blut von Chinesen Würmer saugen, die sich dann im Magen der Mücken weiterentwickeln können (Filariose oder Elefantiasis). Seitdem war er von Moskitos begeistert, hielt sie für Meisterwerke der Schöpfung und war überzeugt, dass sie menschliches Leben nachhaltig beeinflussen. Er postulierte, dass Stechmücken auch die Malaria übertragen.

Arbeit in Indien

Ronald Ross wurde in Indien geboren, sein Vater war dort General der britischen Armee. Mit knapp zehn Jahren kam er nach England, absolvierte die Schule und schrieb sich an der medizinischen Fakultät ein. Doch er komponierte lieber Symphonien und schrieb Gedichte und Dramen, als Anatomie zu lernen. Als sein Vater drohte, ihm die finanziellen Mittel zu streichen, heuerte er zunächst als Schiffsarzt an und arbeitete dann als Arzt in Indien. Hier herrschte an Mikroben kein Mangel: Cholera und Pest rafften die Menschen dahin, und die Malaria war allgegenwärtig. Doch Ross gelang es nicht, Fuß zu fassen. 1888 kehrte er nach England zurück, heiratete Rosa Bloxam und reiste wieder nach Indien. Die „Malariamikrobe“ fesselte ihn, doch seine Versuche, Laverans Entdeckung nachzuvollziehen, blieben erfolglos. Im Blut von Malariakranken fand er den Keim nicht. „Laveran ist auf dem Holzweg! Es gibt keinen Keim der Malaria“, befand er und versuchte zu belegen, dass Malaria nicht von einer Mikrobe, sondern durch eine gestörte Funktion der inneren Organe verursacht wurde.

1894 lernte Ross in London den 13 Jahre älteren Manson kennen. Da sprach Ross noch über den Unterschied zwischen Moskitos und Stechmücken und wusste nicht, dass Moskitos schlicht Stechmücken sind. In der Familie der Stechmücken gibt es weltweit mehr als 3.600 Arten, von denen circa 100 in Europa heimisch sind. Die Stechmückengattung Anopheles (altgriechisch: nutzlos, beschwerlich, schädlich) wiederum umfasst etwa 420 Arten, rund 40 von ihnen können die Malaria übertragen.

Manson zeigte Ross sein Studierzimmer und informierte ihn über die von Laveran gefundene Mikrobe. Unter dem Mikroskop betrachteten sie die Parasiten mit ihrer schwärzlich pigmentierten Oberfläche. Sie vermehrten sich innerhalb der Erythrozyten zu Häufchen, bis die Erythrozyten platzten. Kaum hatten die Kügelchen die roten Blutkörperchen verlassen, nahmen sie eine halbmondförmige Struktur an, aus der bis zu sechs Geißeln hervortraten. „Das also, mein lieber Ross“, sagte Manson, „ist der Malariaparasit, und Sie finden ihn niemals im Blute von malariafreien Menschen. Aber die Frage, die mich quält, ist: Wie kommt er von einem Menschen zum anderen?“

Als Manson seine Theorie erläuterte, dass Moskitos die Malaria weitertragen, hörte Ross aufmerksam zu. Zu der Zeit litt ein Drittel der Patienten in Indiens Hospitälern an Malaria, jedes Jahr starben allein auf dem Subkontinent mindestens eine Million Menschen daran. Ross war entschlossen, Mansons Hypothese zu beweisen. Zurück in Indien, legte er los, doch zunächst ohne Erfolg. 1897 fand er eine neue Art Moskito, die er „braune Moskitos“ nannte. Die saugten das Blut seiner an Malaria erkrankten Versuchsperson Hussein-Khan, der dafür pro Moskito ein paar Cent Entschädigung erhielt. Jeden Tag schaute Ross in den Magen der Insekten. In der Mitte der Magenzellen fand er ein rundes Etwas, vielleicht ein Hundertstel Millimeter lang. In jedem dieser Kreisgebilde sah er „einen Haufen kleiner Kugeln, schwarz wie Pech.“ Nach einem Schläfchen glaubte er, des Rätsels Lösung gefunden zu haben, wie er in seinen Memoiren ausführte: „Diese Kreise in der Magenwand des Moskito, diese Kreise mit den schwarzen Pigmentpunkten, sie können nichts anderes sein als der Malariaparasit, der sich im Magen des Moskito entwickelt.“ Und: „(...) je länger ich warte, bevor ich die vollgesogenen Moskitos töte, desto größer müssten eigentlich diese Kreise werden! (...) wenn sie leben, so müssen sie wachsen!“ Da die Malariamikrobe der Vögel derjenigen der Menschen ähnlich sieht, begann Ross mit Spatzen, Lerchen und Krähen zu experimentieren. An Manson schrieb er: „Mir ists, als lebte ich beständig in drei oder vier Moskitos, die sich mit den Malariaparasiten der Vögel vollgesogen haben. (...)“

1902 fasste er den Lebenszyklus der Malariaerreger zusammen: „Der Vorgang ist kurz folgender: Wenn ein Moskito einen Malariapatienten sticht, saugt er eine Anzahl Malariaparasiten mit dem Blute des Patienten ein. Die Parasiten bohren sich in die Gewebe des Insekts ein, wachsen sich rasch aus und erzeugen nach einer oder zwei Wochen eine Anzahl Sporen. Das Bemerkenswerteste ist, dass diese Sporen in die Gift- oder Speicheldrüse des Insekts eindringen. In diesen Drüsen bildet sich ein Tröpfchen Flüssigkeit, welches das Insekt durch seinen Stechrüssel beim Stechen in die menschliche Haut absondert; (...) Die Sporen der Malariaparasiten liegen in dieser Flüssigkeit und gehen mit ihr in die menschliche Haut über, wo sie sich mit unserem Blut vermischen und die Ansteckung erregen.“

Kampf gegen Malaria

Dass der „Anophelesmoskito (...) seine Brut zumeist in stehende Wasserlachen“ legt, erklärte den „Zusammenhang zwischen Malariafieber und stehendem Wasser“, nicht aus dem Wasser aufsteigende „Miasmen oder keimgeschwängerte Nebel“. Daraus folgt, „wie man die Moskitos los wird“, ein Kapitel seiner Schrift über die Malaria: Man kann die Larven der Mücken vernichten, oder – „noch zweckmäßiger“ – ihre Brutplätze aufheben, das heißt jedes stehende Wasser aus dem Haus entfernen. Ross zufolge fliegen die Moskitos dann davon und „suchen in der Nachbarschaft gastlichere Stätten auf“. Weitere Kapitel widmete Ross der Verhütung und Behandlung. Seit Jahrhunderten war bekannt, dass Chinin gegen Malaria hilft. Laut Ross kommt es darauf an, dass es richtig eingenommen wird, das heißt „man nimmt oft zu kleine Dosen und erzielt dann keine Wirkung, oder, was noch gefährlicher ist, man verzichtet viel zu früh auf das Einnehmen von Chinin“. Richtig durchgeführt ist „völlige Heilung (...) in jedem Stadium von Malariaerkrankung möglich“.

Fast zeitgleich mit Ross sezierte der italienische Zoologe Giovanni Grassi (1854–1925) Moskitos, um den Malariaerreger zu finden, der viel Elend über das Land brachte. Getreu dem Motto „Es gibt Moskitos ohne Malaria, aber keine Malaria ohne Moskitos“ suchte er unter den Stechmücken gezielt die Überträger der Krankheit. Fast gleichzeitig fanden die Forscher, dass Stechmücken der Gattung Anopheles die Malaria übertragen, Ross für die Vogelmalaria und Grassi für die Malaria beim Menschen. Beide lieferten sich anschließend eine erbitterte Fehde um den Vorrang ihrer Entdeckung. Letztlich erhielt Ross 1902 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie, während Grassi leer ausging.

Ross war nicht der Erste, der ein mathematisches Modell zum Verständnis der Ausbreitung einer Infektionskrankheit entwickelte. Ab 1908 publizierte er sein Verfahren, das er „a priori Pathometrie“ nannte. Damit wollte er nicht nur der Malaria auf die Spur kommen, sondern einen neuen Zweig der Wissenschaft etablieren. Ab den 1950er-Jahren setzte der Entomologe George MacDonald Ross’ Arbeit fort. Das „Ross-MacDonald-Modell“ bildet bis heute eine Grundlage, die Ausbreitung von durch Insekten hervorgerufenen Infektionskrankheiten zu verstehen.

Mit seiner Frau hatte Ross vier Kinder. Während des ersten Weltkriegs beriet er das Kriegsbüro bezüglich Malariaerkrankungen. Er lehrte als Professor für Tropenmedizin und Tropische Krankenpflege. Zuletzt war er Generaldirektor des nach ihm benannten „Ross Institute and Hospital of Tropical Diseases and Hygiene“ in London.

Literatur

  1. Ross R: Das Malariafieber, dessen Ursachen, Verhütung und Behandlung. Winke für Reisende, Jäger, Militärs und Bewohner von Malariagegenden. Berlin: W. Süsserott Verlagsbuchhandlung, 1904.

  2. Berndt C, Käppner J: Feind im Anflug. In: Süddeutsche Zeitung, 16. Oktober 2021.

  3. De Kruif P: Mikrobenjäger. Zürich: Orell Füssli Verlag, 3. Auflage, 1927.

  4. Winegard TC: Die Mücke. Elsbethen: Verlag Terra Mater 2020.

 

Entnommen aus MTA Dialog 5/2022

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