Spricht man über „Neu auftretende Infektionskrankheiten “, denkt man zunächst an Ebola, MERS, Chikungunya- oder Zika-Fieber. Doch auch in Deutschland gibt es gefährliche Zoonosen, von Tieren auf den Menschen übertragene Virus-Infektionen, die sich schnell ausbreiten können. Ein Beispiel ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine virale Hirnhautentzündung, die tödlich enden kann. Diese Infektion tritt in immer neuen Regionen in Deutschland auf und konnte im Jahr 2016 auch erstmalig in den Niederlanden nachgewiesen werden.
Seit mehreren Jahren erforscht eine kleine Gruppe um den Münchner Privatdozenten Dr. Gerhard Dobler am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr die Ausbreitung des FSME-Virus in Deutschland und Mitteleuropa. Erklärtes Ziel des Projekts, das auch vom DZIF unterstützt wird, ist es, die Ausbreitungs-Mechanismen besser zu verstehen und damit auch die Überwachungs- und Kontroll-Maßnahmen gemeinsam mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zu optimieren.
Zecken als Überträger von Viren
Seit Jahren haben die Münchner Forscher Vögel im Fokus. Ihre molekularbiologischen Ergebnisse von FSME-Viren aus den unterschiedlichen Regionen Europas zeigen, dass die Viren auf den bekannten Vogelzug-Linien verbreitet werden. Allerdings ist bisher unklar, wie diese Verschleppung der Viren erfolgt: durch infizierte Zecken oder durch eine länger andauernde virale Infektion in den Vögeln selbst. In einem Teilprojekt werden daher an Vögeln und an Vogelrastplätzen Zecken gesammelt, um die dort auftretenden Arten zu bestimmen und damit möglicherweise eingeschleppte neue Zeckenarten und gegebenenfalls FSME-Virusstämme zu entdecken.
Eine neue Zeckenart steht unter Verdacht
Die Untersuchungen in bekannten FSME-Herden in Süddeutschland zeigten, dass eine bisher nur im Mittelmeer-Gebiet beschriebene Art, Ixodes inopinatus, stabile Populationen in Süddeutschland bildet. Die bisher in Deutschland unbekannte Zeckenart wirft eine Reihe von Fragen auf: Kann Ixodes inopinatus in Deutschland vorkommende Krankheitserreger (unter anderem das FSME-Virus) übertragen und ist die Einschleppung und Verbreitung dieser Art für die Ausbreitung des FSME-Virus in Mitteleuropa mit verantwortlich? Können dadurch gegebenenfalls auch neue, bisher nicht in Deutschland bekannte Erreger übertragen werden? Diese und weitere Fragen beschäftigen die Münchner Forscher und sie arbeiten hier nun eng mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern und Baden-Württemberg und anderen universitären Partnern zusammen, um mehr über die (veterinär)medizinische Bedeutung dieser Zeckenart zu erfahren.
Neben dieser neuen Art werden jedoch auch weitere Zeckenarten entdeckt, die bisher nur vereinzelt und teilweise vor vielen Jahren in Deutschland nachgewiesen wurden, seither aber nicht mehr beschrieben wurden. „Die Zeckenfauna ist weitaus vielfältiger als bisher angenommen“, erklärt Dobler. Insbesondere Vogelzeckenarten würden identifiziert, wenn gezielt danach gesucht wird. „Die Bedeutung dieser Verschleppungen über Kontinente hinweg ist bisher nur wenig erforscht und könnte für das Auftreten von neu eingeschleppten, durch Zecken übertragene Erkrankungen von größerer Bedeutung sein als bisher angenommen“, betont der Wissenschaftler.
Älteste Zecke der Welt entdeckt
Und die mittlerweile weltweit anerkannte Expertise der Münchner auf dem Gebiet der Zeckenidentifizierung erbrachte noch ein weiteres aufsehenerregendes wissenschaftliches „Nebenprodukt“: Die Beschreibung der ältesten Zecke der Welt in mehr als 100 Millionen altem Bernstein. Die Identifizierung dieser Zeckenart führte zu einem völlig neuen Verständnis zur Evolution der Zecken. (idw, red)
Chitimia-Dobler L, Rieß R, Kahl O, Wölfel S, Dobler G, Nava S, Estrada-Peña A. (2017): Ixodes inopinatus – occurring also outside the Mediterranean region. Ticks Tick Borne Dis (in press), online 9. September 2017. doi.org/10.1016/j.ttbdis.2017.09.004.
Chitimia-Dobler L, Cancian de Araujo B, Ruthensteiner B, Pfeffer T, Dunlop JA. (2017): Amblyomma birmitum, a new species of hard tick in Burmese amber. Parasitology 144(11), 1441-1448. https://doi.org/10.1017/S0031182017000853.
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