In China wurde es vor sechs Jahren entdeckt, verbreitet ist es aber offenbar schon deutlich länger und weit über China hinaus: Die Rede ist vom Alongshan-Virus (ALSV), einem von Zecken übertragenen Virus, das 2017 bei Patienten in der nordchinesischen Stadt Alongshan identifiziert und nach ihr benannt wurde. Mittlerweile wurde das Virus auch in Zecken in Finnland, Frankreich, Russland und der Schweiz gefunden, auch in Deutschland gibt es erste Nachweise.
Grippeähnliche Beschwerden
Schwere Erkrankungen, die über grippeähnliche Beschwerden hinausgehen, werden mit einer ALSV-Infektion bislang nicht in Verbindung gebracht; dennoch nimmt das CRM das neue Virus zum Anlass, einmal mehr auf die Bedeutung von Zecken als Krankheitsüberträger hinzuweisen und zu einem guten Zeckenschutz aufzurufen. „Die Verbreitungsgebiete vieler heimischer Zeckenarten haben sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet“, sagt Professor Dr. med. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM. Die milden Winter und wärmeren Sommer kämen den Spinnentieren zugute, sogar zwei ursprünglich aus den Tropen stammende Arten der Gattung Hyalomma hätten begonnen, sich in Deutschland zu etablieren.
ALSV in Niedersachsen nachgewiesen
Problematisch sind nicht die Zecken selbst, sondern die Vielzahl an Viren und Bakterien, die sie, ähnlich wie Mücken, bei jeder Blutmahlzeit übertragen können. „Die von Bakterien verursachte Borreliose und die virale Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME sind dabei nur die bekanntesten Beispiele für Zecken-übertragene Erkrankungen“, sagt Jelinek. Mit dem Alongshan-Virus ist die Liste der Krankheitserreger, die über Zeckenstiche verbreitet werden, nun noch einmal angewachsen. Seit der Entdeckung in China und der Charakterisierung des Virus konnte ALSV bereits in mehreren europäischen Ländern nachgewiesen werden. Bei einer systematischen Untersuchung von Zecken, die in den Jahren 2021 und 2022 in der Schweiz gesammelt worden waren, fand sich ALSV sogar häufiger als das FSME-Virus. „Es ist daher davon auszugehen, dass das Virus auch epidemiologische Bedeutung für den Menschen hat“, sagt CRM-Leiter Jelinek. Auch in Niedersachsen tragen viele Zecken das ALS-Virus in sich, wie eine aktuelle Studie der Universität Hannover zeigt. Das Virus wurde dort nicht nur in Zecken nachgewiesen, sondern auch in mindestens einem Hirsch; Antikörper gegen das Virus wiederum fanden sich in Hirschen, Rehen, Ziegen, Schafen und Pferden. Symptome von ALSV-Infektionen
ALS-Virus schon länger in Europa?
Wie stark auch Menschen von ALSV-Infektionen betroffen sind, ist noch weitgehend unbekannt. In China wurde man auf das neue Virus aufmerksam, als Patienten nach einem Zeckenbiss FSME-typische Symptome wie Kopfschmerzen und Fieber entwickelten, sich jedoch keine FSME-Viren nachweisen ließen. Stattdessen stießen die Forscher auf das zuvor noch unbekannte ALS-Virus. „Es ist davon auszugehen, dass das Virus auch in Europa bereits länger zirkuliert und vermutlich auch schon zu Erkrankungen geführt hat“, sagt Jelinek. Diese seien jedoch vermutlich mit nur leichten grippeähnlichen Symptomen verbunden gewesen, zudem hätten sie dem noch unbekannten Virus – natürlich - nicht zugeordnet werden können.
Schutz vor Zecken bleibt wichtig
Eine spezifische Behandlung steht für ALSV-Infektionen ebenso wenig zur Verfügung wie eine Impfung. „Am effektivsten ist es daher, sich vor den Zecken selbst zu schützen“, sagt Jelinek – denn damit schütze man sich auch vor allen anderen Krankheitserregern, die diese möglicherweise in sich trügen. Allgemein wird zum Tragen langer heller Kleidung geraten, auf der die Zecken leicht zu entdecken sind. Auch die Verwendung chemischer Repellentien kann sinnvoll sein. Nach jedem Aufenthalt im Grünen sollte zudem der Körper gründlich abgesucht werden, denn oft krabbeln die Zecken mehrere Stunden lang umher, bevor sie sich festsetzen. Und auch wenn sie schon gestochen haben, ist die Infektionswahrscheinlichkeit umso geringer, je rascher sie wieder entfernt werden. „Wer in ein FSME-Risikogebiet reist und Outdoor-Aktivitäten plant, sollte sich außerdem dringend gegen FSME impfen lassen“, rät Jelinek. Eine FSME könne schwere, zum Teil auch bleibende Schäden verursachen, die durch die Impfung äußerst effektiv verhindert werden könnten.
Quelle CRM
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