Spätestens seitdem im Scheinwerferlicht eines Tauchbootes 2018 eine Einkaufstüte in 11.000 Metern Tiefe des Mariengrabens auftauchte, ist das Vorhandensein von Plastikmüll in der Tiefsee unbestreitbar. Ein Team von Forscherinnen und Forschern des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, der Universität Basel und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung, hat nun den pazifischen Kurilen-Kamtschatka-Tiefseegraben erforscht. „Auch wenn es mittlerweile ein zunehmendes Bewusstsein für das Plastik-Problem gibt, ist die weltweit produzierte Kunststoffmenge in den letzten 70 Jahren sehr stark gestiegen – allein im Jahr 2021 wurden 391 Millionen Tonnen hergestellt“, erzählt Dr. Serena Abel, aktuell Postdoktorandin an der Universität Basel und erläutert: „Die Vernetzung der Ozeane durch Meeresströmungen in Verbindung mit der Transportfähigkeit von schwimmfähigem Kunststoff macht die Plastikverschmutzung zu einem globalen Problem. Vor allem in abyssalen und hadalen Tiefen, wo die Hauptabbaufaktoren wie Photodegradation, das heißt die Veränderung unter dem Einfluss von Sonnenlicht, und Welleneinwirkung fehlen, sammelt sich Plastik an und bleibt lange – bis zu mehreren Hundert Jahren – bestehen. Jüngste Aufzeichnungen von Tiefseegräben zeigen die Allgegenwärtigkeit des menschlichen Fußabdrucks auch an Orten, die für uns Menschen unzugänglich sind.“
Die Ergebnisse sind alarmierend
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin hat in ihrer neuen Studie gemeinsam mit der Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Angelika Brandt und Kolleginnen und Kollegen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung, das Vorhandensein von Plastikmüll im Kurilen-Kamtschatka-Graben, einer 2.250 Kilometer langen Tiefseerinne im nordwestlichen Teil des Pazifischen Ozeans, untersucht. Mithilfe von Schleppnetzen und einem Epibenthosschlitten beprobten die Wissenschaftler/-innen 13 Stationen in Tiefen zwischen 5.134 und 9.582 Metern. „Dies ist nach unserem Wissen der tiefste Einsatz von Schleppnetzen zur Erforschung der Plastikverschmutzung, der jemals stattgefunden hat“, erläutert Brandt und fährt fort: „Unsere Ergebnisse sind alarmierend: In allen Proben haben wir (Makro-) Plastikmüll gefunden – mit einer Gesamtzahl von 111 Gegenständen.“
Industrieverpackungen und Fischereimaterial
Industrieverpackungen und Material, das der Fischerei zugeordnet werden kann, waren die häufigsten Müllkomponenten im Kurilen-Kamtschatka-Graben, die höchstwahrscheinlich aus dem Ferntransport durch den Kuroshio-Ausdehnungsstrom oder aus dem regionalen Seeverkehr und der Fischerei stammen. Mit 33 Prozent waren Schnüre und Kordeln die häufigsten Hinterlassenschaften, gefolgt von Kunststofffragmenten (23 %) und Industrieverpackungen (11 %). Auf sechs Kunststoffabfällen waren eindeutige Etiketten in japanischer, koreanischer und spanischer Sprache zu erkennen.
Hauptsächlich Polyethylen, Polypropylen und Nylon
„Durch die Kategorisierung der anthropogenen Abfälle nach ihrem Verwendungszweck war es möglich, die beiden Hauptquellen von Kunststoffen, die sich am Grabenboden absetzen – Verpackungen und Fischerei – zu unterscheiden. Durch unsere spektroskopischen Analysen konnten wir zudem die wichtigsten Polymertypen, nämlich Polyethylen, Polypropylen und Nylon, identifizieren. Diese Polymere sind in der Meeresumwelt recht stabil, da sie nicht hydrolytisch abgebaut werden und höchstwahrscheinlich auf dem Grund des Grabens landen, ohne in kleinere Teile zu zerfallen“, ergänzt Abel.
Dringlichkeit neuer politischer Maßnahmen
Die abgelegene Position des Kurilen-Kamtschatka-Grabens und die hohen Sedimentationsraten machen ihn zu einem potenziellen Standort für eine umfangreiche Kunststoffverschmutzung, was ihn zu einem der am stärksten kontaminierten Meeresgebiete der Welt und zu einer ozeanischen Kunststoffablagerungszone machen könnte, heißt es in der Studie. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit neuer politischer Maßnahmen für die Abfallbehandlung und die Kunststoffproduktion! Der Meeresboden darf keine Halde für Plastikmüll werden!“, fordert Brandt.
Quelle: idw/Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Artikel teilen