Wie lässt sich die Genschere besser justieren?

Gezielte Steuerung von CRISPR-Technologie
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Das Anti-CRISPR-Protein AcrVIB1 (magenta) dockt an die Nuklease Cas13b (hellgrau) an und verstärkt so deren Bindung an die CRISPR-RNA (crRNA; dunkelgrau und grün).
Das Anti-CRISPR-Protein AcrVIB1 (magenta) dockt an die Nuklease Cas13b (hellgrau) an und verstärkt so deren Bindung an die CRISPR-RNA (crRNA; dunkelgrau und grün). Dabei bewirkt AcrVIB1 eine strukturelle Umlagerung in der Nuklease (blau) und setzt so die CRISPR-RNA frei, wodurch sie gespalten und anschließend abgebaut werden kann. © HZI / Stefan Schmelz
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Mit einem neuartigen Mechanismus eines Anti-CRISPR-Proteins könnten die Sicherheit und Präzision von CRISPR-basierten Technologien weiter verbessert werden.

Die Genschere CRISPR-Cas kann vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten – von der Behandlung genetischer Erkrankungen über antivirale Therapien bis hin zur Diagnostik. Man kann sie aber auch z.B. in der Landwirtschaft einsetzen. Ein kritisches Thema ist dabei immer die Sicherheit. Um diese bei solchen Anwendungen zu gewährleisten, erforscht die Wissenschaft gezielt Blocker, die die Aktivität der Genschere (besser) steuern oder unterbinden können. Ein vielversprechender Inhibitor ist das Anti-CRISPR-Protein AcrVIB1, dessen Wirkmechanismus jedoch bislang unbekannt war. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg hat in Zusammenarbeit mit dem Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) die genaue Wirkweise von AcrVIB1 entschlüsselt. Damit werden die bekannten Wege, wie Acrs CRISPR ausschalten können, erweitert.

„Wettrüsten“ zwischen Bakterien und Phagen

Zwischen Bakterien und ihren Viren, den sogenannten Phagen, herrscht seit jeher ein evolutionäres Wettrüsten. Um sich vor Phagenangriffen zu schützen, haben Bakterien raffinierte Abwehrmechanismen entwickelt, mit denen sie eindringende Viren erkennen und unschädlich machen können. Gleichzeitig haben Phagen ihrerseits ausgeklügelte Strategien gefunden, um diese Abwehr zu umgehen. Ein Paradebeispiel für diesen ständigen Kampf sind die CRISPR-Cas-Abwehrsysteme in Bakterien und die Anti-CRISPR-Proteine (Acrs) der Phagen, die diese bakterielle „Genschere“ gezielt blockieren können. Abgesehen von ihrer Abwehrfunktion ermöglichen Anti-CRISPR-Proteine eine präzisere Steuerung von CRISPR-Technologien. Um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, ist es jedoch wichtig, ihre zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. Forschende am HIRI, einem Standort des Braunschweiger HZI haben in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gemeinsam mit HZI-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nun die Funktionsweise eines bedeutenden, aber bisher nicht charakterisierten Anti-CRISPR-Proteins weiter aufgeklärt.

Entdeckung von AcrVIB1

„In einer früheren Arbeit haben wir einen Deep-Learning-Algorithmus eingesetzt, um neue Acrs aufzuspüren. Das Ergebnis war die Entdeckung des ersten Anti-CRISPR-Proteins, das sich gegen die Cas13b-Nuklease richtet: AcrVIB1“, sagt HIRI-Forschungsabteilungsleiter Prof. Chase Beisel, der die Studie zusammen mit der Abteilung von Prof. Wulf Blankenfeldt am HZI geleitet hat. „Die Nuklease Cas13b kann RNA erkennen und schneiden. Derzeit wird sie verwendet, um Gene zu deaktivieren – sei es, um ihre Funktion zu untersuchen, Viren zu eliminieren oder genetisch bedingte Krankheiten zu bekämpfen.“ Wie das Protein AcrVIB1 Cas13b hemmt, blieb allerdings unbekannt – bis jetzt. In einer Studie hat das Forschungsteam diesen gänzlich neuen Blockierungsmechanismus vorgestellt.

AcrVIB1 nutzt einen anderen Ansatz

Die Nuklease Cas13b interagiert mit einer CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA, von englisch CRISPR ribonucleic acid), die als Leitmolekül dient, um komplementäre RNA-Sequenzen – etwa von Phagen – zu erkennen. Sobald die Ziel-RNA gebunden wird, kann Cas13b nicht nur diese komplementären RNA-Moleküle, sondern auch alle anderen RNAs in der Nähe spalten, was zu deren Abbau führt. Während ein Großteil der bekannten Anti-CRISPR-Proteine einzelne Schritte dieses Prozesses wie die crRNA-Bindung oder die Zielerkennung blockiert, nutzt AcrVIB1 einen anderen Ansatz: Das Protein unterbinde die Verbindung zwischen crRNA und Nuklease nicht, sondern verstärke sie sogar. Das resultierende Paar sei jedoch dysfunktional, das Enzym könne also nicht mit dem Abbau von Ziel-RNAs beginnen, selbst wenn diese vorhanden sind. Außerdem werde die gebundene crRNA anfällig für den Angriff zellulärer Ribonukleasen, also Enzymen, die RNA-Moleküle abbauen, so das Forschungsteam.

„Sackgasse“ für crRNAs

„Die engere Bindung zwischen Nuklease und Leit-RNA war völlig unerwartet. Ein einfacherer und deswegen von uns zuerst erwarteter Mechanismus hätte darin bestanden, die Kopplung der Leit-RNA von vornherein zu verhindern“, ordnet Erstautorin Dr. Katharina Wandera, die im Labor von Beisel promoviert hat, die Ergebnisse ein. „Der von AcrVIB1 eingeschlagene Weg scheint jedoch effektiver zu sein: AcrVIB1 bindet sich fest an Cas13b und inaktiviert so die Nuklease. Gleichzeitig beschleunigt es den Abbau der Leit-RNAs, sodass Cas13b zu einer Art ‚Sackgasse‘ für crRNAs wird.”

Sicherheit und Präzision von CRISPR verbessern?

Für eine präzisere Entschlüsselung der Struktur des Hemmmechanismus haben sich das Team von Beisel am HIRI und das Labor von Blankenfeldt am HZI zusammengetan. Mittels hochauflösender Bildgebung durch Kryo-Elektronenmikroskopie zeigte Blankenfeldts Gruppe, dass AcrVIB1 an Cas13b bindet, während die crRNA-Bindungsregion frei bleibt. „Unsere Erkenntnis liefert eine Blaupause für die Entwicklung von Molekülen, die die Funktion des Anti-CRISPR-Proteins nachahmen oder verändern könnten“, sagt Blankenfeldt. Dies seien die ersten Daten aus der neuen Kryo-Elektronenmikroskopieanlage des HZI, die veröffentlicht wurden. „Wir könnten künftig Moleküle wie AcrVIB1 gezielt einsetzen, um CRISPR-Systeme in verschiedenen Anwendungen zu regulieren oder vorübergehend zu deaktivieren“, so Blankenfeldt. Diese Entdeckung biete daher Potenzial, die Sicherheit und Präzision von CRISPR-basierten Technologien weiter zu verbessern.

Entwicklung neuer Antibiotika?

„Die Entschlüsselung dieses Mechanismus bietet zudem wertvolle Einblicke in die Koevolution von Bakterien und Viren, die sich in einem ständigen Wettlauf befinden, um sich gegenseitig zu überlisten“, erklärt Wandera. Das Wissen könnte helfen, bakterielle Resistenzmechanismen besser zu verstehen und somit die Entwicklung neuer Antibiotika sowie Anwendungen in der synthetischen Biologie voranzutreiben. Es könnte der Weg für innovative Therapien und Diagnoseverfahren in der Medizin geebnet werden. „Doch das ist erst der Anfang: Es warten mit Sicherheit noch viele weitere Acrs und neuartige Hemmmechanismen auf ihre Entdeckung“, gibt Beisel einen Ausblick auf zukünftige Forschungsprojekte.

Literatur:
Wandera KG, Schmelz S, Migur A, et al.: AcrVIB1 inhibits CRISPR-Cas13b immunity by promoting unproductive crRNA binding accessible to RNase attack. Molecular Cell (2025); DOI: 10.1016/j.molcel.2025.01.020.

Quelle: idw/HIRI/HZI

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