Der CRISPR-Werkzeugkasten wird erweitert

Mit der Genschere RNA nachweisen
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Symbolbild zur CRISPR-Genschere
© elenabsl/stock.adobe.com
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Mit der neuen Form der CRISPR-Diagnostik könnten künftig zuverlässige molekulare Tests am Point-of-Care ermöglicht werden, entweder zur Bestimmung von viralen oder bakteriellen Krankheitserregern oder von Krebs-Biomarkern.

Seit ihrer Entdeckung haben sich die bakteriellen CRISPR-Cas-Abwehrsysteme zu einer bedeutenden Ressource für molekulare Diagnoseverfahren entwickelt. Forschende des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) konnten diesen umfangreichen Werkzeugkasten nun erweitern: Ihre neuartige Technologie (PUMA) soll den Nachweis von RNA mit Cas12-Nukleasen ermöglichen, die herkömmlicherweise DNA schneiden. Von der Methode versprechen sich die Wissenschaftler/-innen vielseitige Anwendungsmöglichkeiten und hohe Genauigkeit.

Empfindlichere und effizientere Nachweismethoden

Bakterien haben spezielle Abwehrmechanismen entwickelt, um sich gegen Viren zu schützen – denn diese befallen keineswegs nur den Menschen. Bei diesen sogenannten CRISPR-Cas-Systemen erkennt eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als „Leit-RNA“ dient, Regionen fremden Erbguts, zum Beispiel DNA eines Virus. Die von der crRNA geleitete Nuklease (Cas) macht diese DNA dann unschädlich, indem sie sie wie eine Schere zerschneidet. Die Forschung hat sich die Strategie zunutze gemacht: „CRISPR, bekannt als ‚Genschere‘, ist die Grundlage zahlreicher molekularer Technologien“, sagt Chase Beisel, Leiter der Abteilung Synthetische RNA-Biologie am Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Auch die Diagnostikplattform LEOPARD – eine Erfindung des Beisel-Labors in Zusammenarbeit mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg aus dem Jahr 2021 – beruht auf der CRISPR-Technologie. LEOPARD ermöglicht den Nachweis einer Vielzahl von krankheitsbezogenen Biomarkern in nur einem Test. Der Ansatz basiert darauf, RNA-Faktoren, so genannte tracrRNAs, umzuprogrammieren. Diese RNAs sind von Natur aus an der Herstellung von Leit-RNAs beteiligt, die manche Cas-Nukleasen verwenden. „LEOPARD konzentrierte sich auf Cas9. CRISPR-Cas-Systeme umfassen jedoch noch eine weitere, vielfältige Gruppe von Nukleasen: Cas12“, erläutert Beisel. Während sowohl Cas9 als auch Cas12 DNA-Zielmoleküle schneiden können, könne Cas12 das ausgehende Signal erhöhen, indem es „kollaterale“ DNA schneidet. Dies mache die Nachweismethoden empfindlicher und damit effizienter.

Funktionen von LEOPARD auf Cas12 ausgeweitet

Das Forschungsteam um Chase Beisel hat nun die einzigartigen Funktionen von LEOPARD auf Cas12 ausgeweitet. Die daraus entstandene Technologie hat das Team PUMA getauft (Programmable tracrRNAs Unlock protospacer-adjacent Motif-independent detection of ribonucleic Acids by Cas12 nucleases). Zwar sind Cas12-Nukleasen in der molekularen Diagnostik bereits weit verbreitet, doch bisher gab es zwei entscheidende Einschränkungen: Zum einen waren Cas12-basierte Technologien auf DNA beschränkt. Zum anderen musste für den Einsatz der Nuklease eine Erkennungssequenz, genannt PAM (vom engl. protospacer-adjacent motif), vorhanden sein, die das Zielmolekül ausweist.

Biomarker in Probe nachweisen

PUMA soll nun eine elegante Lösung bieten. Wie LEOPARD stütze sich auch diese neue Methode auf tracrRNAs. „Mithilfe von PUMA können wir die tracrRNAs umprogrammieren. So steuern wir, welcher RNA-Biomarker in eine Leit-RNA umgewandelt wird. Diese Leit-RNA wiederum steuert Cas12 zu einem DNA-Molekül, das wir bereitstellen, und aktiviert die Genschere“, erklärt Erstautor Chunlei Jiao die neue Technologie. Chunlei Jiao war Doktorand und später Postdoc im Beisel-Labor und bereits maßgeblich an der Entwicklung von LEOPARD beteiligt. Jüngst hat er eine Professur an der National University of Singapore angetreten. „Anhand der geschnittenen DNA kann dann festgestellt werden, welcher Biomarker in der Probe vorhanden war, zum Beispiel solche, die für verschiedene Krankheitserreger spezifisch sind“, ergänzt Beisel.

Geschwindigkeit lässt sich deutlich erhöhen

Die neuartige Technologie soll folglich die Erkennung von RNA-Biomarkern mithilfe von CRISPR-Nukleasen ermöglichen, die normalerweise nur DNA nachweisen können. „Dies ist besonders für molekulare Biomarker von Bedeutung, die nur auf RNA-Ebene gefunden werden können. Dazu gehören unter anderem RNA-Viren“, sagt Beisel. Dabei komme PUMA ganz ohne Erkennungssequenz aus: Denn diese sei im mitgelieferten DNA-Zielmolekül enthalten. Da die Forschenden das Zielmolekül selbst bereitstellen, könnten sie auch gekürzte DNA einbringen. Dadurch konnten sie die Geschwindigkeit der Methode deutlich erhöhen.

Sepsiserreger nachgeweisen

„PUMA hat das Potenzial, ein flexibles und präzises Werkzeug für den Nachweis von RNA zu werden“, folgert Beisel. Das Team wollte die Leistungsfähigkeit der Methode unter Beweis stellen, indem es aufgezeigt hat, dass PUMA fünf verschiedene bakterielle Erreger nachweisen kann, die mit akuter Sepsis in Verbindung gebracht werden. Ihre Bestimmung habe dabei auf einer einzelnen universellen umprogrammierten tracrRNA basiert, was folglich eine vereinfachte Methode zur Unterscheidung verschiedener Bakterienarten darstelle. Damit sollen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin eröffnen lassen: „Die neue Technologie repräsentiert eine neue Form der CRISPR-Diagnostik, die zuverlässige molekulare Tests am Point-of-Care ermöglichen könnte – sei es zur Bestimmung von viralen oder bakteriellen Krankheitserregern oder von Krebs-Biomarkern“, so Jiao.

Ziel: Anwendungsbereich erweitern

Das Forschungsteam hat bereits die nächsten Schritte geplant: „Wir wollen eine multiplexfähige Auswertung, ähnlich wie bei LEOPARD ermöglichen, und den Anwendungsbereich der Technologie erweitern“, sagt Beisel, der zudem auf eine breite Anwendung in der Forschungsgemeinschaft spekuliert: „Wir hoffen, dass unsere Studie weitere Untersuchungen zur Umprogrammierung von tracrRNA anregt.“

Literatur:
Jiao C, Peeck NL, Yu J, et al.: TracrRNA reprogramming enables direct PAM-independent detection of RNA with diverse DNA-targeting Cas12 nucleases. Nature Communications, 2024, DOI: doi.org/10.1038/s41467-024-50243-x.

Quelle: idw/HZI

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