Wie lässt sich die Aktivität von CRISPR-Genscheren sichtbar machen?

Verfahren präziser machen
lz
Die Forscherinnen und Forscher haben einen DNA-Rotorflügel konstruiert
Die Forscherinnen und Forscher haben einen DNA-Rotorflügel konstruiert und an dessen Ende einen Goldnanopartikel befestigt, um die Bewegungen bei der DNA-Entwindung beobachten zu können. © Dominik Kauert
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


Eine neue Methode soll es ermöglichen, die Generkennung von CRISPR-Cas-Proteinkomplexen mit höchster Auflösung in Echtzeit zu verfolgen. Damit soll die Präzision der Genscheren verbessert werden.

Wenn Bakterien von einem Virus befallen werden, können sie sich mit einem Mechanismus dagegen wehren, der das eingeschleuste Erbgut des Eindringlings abwehrt. Der Schlüssel dazu sind CRISPR-Cas-Proteinkomplexe. Deren Funktion als adaptive Immunsysteme in Mikroorganismen wurden erst im letzten Jahrzehnt entdeckt und aufgeklärt. CRISPR-Komplexe erkennen die Angreifer mit Hilfe einer integrierten RNA an einer kurzen Sequenz in deren DNA und zerstören sie dann. Der Mechanismus der Sequenzerkennung mit Hilfe einer RNA wurde in der Folge genutzt, um Gene in beliebigen Organismen gezielt auszuschalten und zu verändern. Diese Entdeckung revolutionierte die Gentechnik und wurde bereits 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna gewürdigt.

Es gibt durchaus auch Probleme beim Verfahren

In der Pflanzenzüchtung erlebt die Diskussion um den Einsatz der Genschere einen neuen Höhepunkt. Denn auch mit dieser Technologie sind potenziell Risiken verbunden, wie z.B. mangelhafte Präzision der Eingriffe in das Genom oder gentechnische Veränderungen an anderer Stelle als gewünscht. Zudem können auch Reste der Genschere in der Zelle bleiben (Quelle: BMUV). Doch auch in der Medizin können Abweichungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. „Die Ursachen dafür sind noch nicht gut verstanden, da der Prozess bisher nicht direkt beobachtet werden konnte“, sagt Dominik Kauert, der als Doktorand an dem Projekt arbeitete.

Lässt sich das Entwinden der DNA in Echtzeit verfolgen?

Um den Erkennungsprozess besser zu verstehen, machte sich das Team um Prof. Dr. Ralf Seidel und Dominik Kauert von der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Vilnius in Litauen zunutze, dass die DNA-Doppelhelix der Zielsequenz während der Erkennung entwunden wird, um die Basenpaarung mit der RNA zu ermöglichen. „Die zentrale Frage des Projekts war daher, ob sich das Entwinden eines nur 10 Nanometer (nm) langen DNA-Stücks überhaupt in Echtzeit verfolgen lässt“, sagt Kauert.

Nutzung der DNA-Origami-Technik

Um den Entwindungsprozess im Detail beobachten zu können, mussten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihn für das Mikroskop erfassbar machen. Dafür griff das Team auf den Werkzeugkasten der DNA-Nanotechnologie zurück, mit der sich beliebige dreidimensionale DNA-Nanostrukturen erstellen lassen. Mit Hilfe dieser so genannten DNA-Origami-Technik konstruierten die Forscherinnen und Forscher einen 75 nm langen DNA-Rotorflügel und befestigten an dessen Ende einen Goldnanopartikel. Die Entwindung der 2 nm dünnen und 10 nm langen DNA-Sequenz übertrug sich im Experiment auf die Rotation des Goldnanopartikels entlang eines Kreises mit einem Durchmesser von 160 nm – diese vergrößerte Bewegung konnte in einem speziellen Mikroskopaufbau verfolgt werden.

Basenpaar für Basenpaar beobachten

Mit dieser neuen Methode konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Sequenzerkennung durch den CRISPR-Komplex Cascade nun nahezu Basenpaar für Basenpaar beobachten. Überraschend war dabei, dass die Basenpaarung mit der RNA energetisch kaum von Vorteil ist, sodass der Komplex während der Sequenzerkennung nur labil gebunden ist. Erst, wenn die gesamte Sequenz vollständig erkannt wurde, kommt es zu einer stabilen Bindung und in der Folge zur Zerstörung der DNA. Handelt es sich um die „falsche“ Zielsequenz, wird der Prozess hingegen abgebrochen.

Bessere Auswahl von RNA-Sequenzen für mehr Präzision

Dass der Erkennungsprozess dennoch manchmal fehlerhafte Ergebnisse liefert, ist auf dessen stochastische Natur, nämlich auf zufällige Molekülbewegungen, zurückzuführen, wie die Forscherinnen und Forscher jetzt nachweisen konnten. „Die Sequenzerkennung wird durch thermische Fluktuationen bei der Basenpaarung angetrieben“, so Kauert. Mit den gewonnenen Daten konnte ein thermodynamisches Modell der Sequenzerkennung erstellt werden, das die Erkennung von abweichenden Sequenzabschnitten beschreibt. Dies soll in Zukunft eine bessere Auswahl von RNA-Sequenzen ermöglichen, die nur die gewünschte Zielsequenz erkennen, um die Präzision genetischer Manipulationen zu optimieren. Da die konstruierten Nanorotoren universell für die Messung von Verdrehungen und Drehmomenten in einzelnen Molekülen geeignet sind, können sie auch für andere CRISPR-Cas-Komplexe oder Biomoleküle eingesetzt werden.
 

Zusammenfassung:

  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, um kleinste Verdrehungen und Drehmomente von Molekülen innerhalb von Millisekunden zu messen.
  • Sie konstruierten einen 75 nm langen DNA-Rotorflügel und befestigten an dessen Ende einen Goldnanopartikel.
  • Damit ließ sich die Entwindung der DNA beobachten.
  • Mit den gewonnenen Daten kann der Erkennungsprozess genau charakterisiert und modelliert werden, um die Präzision der Genscheren zu verbessern.

 

Literatur:
Kauert DJ, Madariaga-Marcos J, Rutkauskas M, et al.: The energy landscape for R-loop formation by the CRISPR–Cas Cascade complex. Nat Struct Mol Biol, 2023, DOI: doi.org/10.1038/s41594-023-01019-2.

Quelle: idw/Uni Leipzig

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige