Eine neue Art der CRISPR-Genschere?

Potenziell breiter technologischer Einsatz
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Prof. Dr. Chase Beisel (links) und Dr. Oleg Dmytrenko
Prof. Dr. Chase Beisel (links) und Dr. Oleg Dmytrenko. © HIRI
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Eine gänzlich neue Art der CRISPR-Immunabwehr legt infizierte Zellen lahm und könnte künftig die molekularbiologische Diagnostik voranbringen.

Wissenschaftler/-innen des Helmholtz-Instituts Würzburg in Kooperation mit Benson Hill, Inc. (Missouri) und der Utah State University in den USA haben eine unerwartete Entdeckung gemacht: Sie haben eine Nuklease (Cas12a2) gefunden, die eine gänzlich neue Art der CRISPR-Immunabwehr darstellt. Im Gegensatz zu jeder anderen bisher bekannten Nuklease des CRISPR-Cas-Immunsystems („Genschere“) zerstört Cas12a2 die DNA, um eine infizierte Zelle abzuschalten. Die Erkenntnisse könnten neue CRISPR-Technologien unter anderem für die molekularbiologische Diagnostik hervorbringen.

Immunabwehrstrategien der Mikroorganismen

Wie der Mensch können auch Bakterien und Archaeen von Viren befallen werden. Gegen die Erreger haben diese Mikroorganismen eigene Immunabwehrstrategien entwickelt. Bakterielle Abwehrsysteme wie CRISPR-Cas verfügen über verschiedene Proteine und Funktionen, die den Bakterien helfen, sich gegen fremde Eindringlinge zu schützen. Die Abwehr basiert auf einem gemeinsamen Grundmechanismus: Eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als „Leit-RNA“ dient, hilft dabei, Regionen eines fremden Genoms, etwa die DNA eines Virus, zu erkennen, um sie gezielt unschädlich zu machen. Die von einer crRNA geleitete Nuklease (Cas) kann ihr Ziel wie eine Schere zerschneiden: eine Strategie der Natur, die sich der Mensch technologisch auf vielfältige Weise zunutze gemacht hat.

Neue und verbesserte Technologien?

„Wenn man bedenkt, wie gut verschiedene Nukleasen in neue und verbesserte Technologien umgesetzt wurden, dann könnte jede Entdeckung auf diesem Gebiet neuen Nutzen für die Gesellschaft bringen“, beschreibt Chase Beisel eine Forschungsmotivation seines Labors am Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Die Einrichtung ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg. Beisel hat die aktuellen Untersuchungen an einer ausgewählten Gruppe von CRISPR-Cas-Systemen zusammen mit Matthew Begemann von Benson Hill, Inc. (Missouri) und Ryan Jackson von der Utah State University in den USA initiiert. Eine weiterführende strukturelle Analyse hat ein zweites Team ebenfalls unter Leitung von Ryan Jackson sowie von David Taylor von der University of Texas vorgenommen.

Cas12a2 verhält sich anders als alle anderen Nukleasen

„Wir haben CRISPR-Nukleasen erforscht, die ursprünglich unter Cas12a subsumiert wurden, also unter Nukleasen, die Bakterien vor Eindringlingen schützen, indem sie invasive DNA erkennen und spalten. Als wir jedoch mehr von diesen Nukleasen identifiziert hatten, zeigten sich so viele Unterschiede, dass es sich lohnte, tiefer in die Materie einzusteigen”, berichtet Oleg Dmytrenko, Erstautor der Studie. „Dabei entdeckten wir, dass sich diese Nukleasen, die wir Cas12a2 nannten, nicht nur ganz anders verhalten als Cas12a, sondern auch als jede andere bekannte CRISPR-Nuklease.“

Bisher noch nie beobachtet

Der entscheidende Unterschied: Wenn Cas12a2 invasive RNA erkennt, spaltet die Nuklease diese, kann aber auch andere RNA und DNA in der Zelle schädigen. Das beeinträchtigt deren Wachstum und dämmt die Infektion ein. Grundsätzlich seien solche sogenannten abortiven Infektionsabwehrstrategien (Abi) von Bakterien bereits bekannt, meint HIRI-Postdoc Dmytrenko. Auch einige andere CRISPR-Cas-Systeme funktionierten auf diese Weise. „Ein CRISPR-basierter Abwehrmechanismus, der sich auf eine einzige Nuklease stützt, um den Eindringling zu erkennen und zelluläre DNA und RNA abzubauen, wurde jedoch noch nie beobachtet“, sagt der Wissenschaftler.

Direkter Nachweis von RNA-Biomarkern möglich

Die Proteinsequenz und -architektur von Cas12a2 unterscheiden diese Nuklease von Cas12a. Aktiviert durch eine Protospacer-flankierende Sequenz (PFS), erkennt Cas12a2 Ziel-RNAs, die komplementär zu seiner Leit-RNA sind. Das Abzielen auf die RNA löst eine kollaterale Nukleinsäurespaltung aus, die RNA, einzelsträngige DNA und doppelsträngige DNA abbaut. Diese Aktivität führt zu einem Zellstillstand, vermutlich durch die DNA- und RNA-Schäden, die das Wachstum beeinträchtigen. Cas12a2 kann für die molekulare Diagnostik und den direkten Nachweis von RNA-Biomarkern verwendet werden, wie der Machbarkeitsbeweis (proof-of-priciple) ergeben hat.

Cas12a2 verändert nach Bindung die Struktur

In der weiterführenden strukturellen Analyse der Nuklease durch ein zweites Team hat sich in verschiedenen Phasen der Immunabwehr gezeigt, dass Cas12a2 nach der Bindung an ihr RNA-Ziel ihre Struktur stark verändert. Das wiederum führt zu einer freiliegenden Spalte in der Nuklease, die jede Nukleinsäure, auf die sie trifft, zerkleinern kann – sei es RNA, einzelsträngige DNA oder doppelsträngige DNA. Bei den Untersuchungen wurden auch Möglichkeiten entdeckt, Cas12a2 zu mutieren, um die Nukleinsäure zu verändern, die die Nuklease nach Erkennung ihres RNA-Ziels abbaut. Diese Spezifika eröffnen für die Zukunft einen potenziell breiten technologischen Einsatz.

Literatur:
1. Dmytrenko O, Neumann GC, Hallmark T, et al. (2023): Cas12a2 elicits abortive infection via RNA-triggered destruction of dsDNA. Nature, DOI: 10.1038/s41586-022-05559-3.

2.  Bravo JPK, Hallmark T, Naegle B, et al.: RNA targeting unleashes indiscriminate nuclease activity of CRISPR–Cas12a2. Nature (2023), DOI: doi.org/10.1038/s41586-022-05560-w.

Quelle: idw/ Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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