Wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts für MT

Arbeitszeit Das BAG hat am 13. September 2022 (Az.: 1 ABR 22/21) entschieden, dass eine unmittelbare Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Arbeitgeber müssen daher ein System zur Erfassung der Arbeitszeit einführen und nutzen. Der Gesetzgeber wird dafür nach den Vorgaben des BAG und des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2023 Regelungen schaffen.

Fazit: Die Arbeitszeit wird daher zukünftig klar zu erfassen sein. Anderes könnte gelten für Arbeiten mit freier Zeiteinteilung.

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2022 (Az.: 2 AZR 363/21) einer Beschäftigten einen Schadensersatzanspruch gegen ihren Arbeitgeber zugesprochen, da dieser ihr die geforderten Arbeitszeitnachweise erst mit einer Verspätung von mehreren Monaten ausgehändigt hatte. Verstöße gegen den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO können behördliche Geldbußen (Art. 83 DSGVO) und individuelle Schadensersatzansprüche des Betroffenen (Art. 82 DSGVO) nach sich ziehen. Hier wurde der Beschäftigten ein Schadensersatz in Höhe von 1.000 Euro zugesprochen.

Mit einer Vorlage an den EuGH soll geklärt werden, wann das subjektive Unmutsgefühl aufgrund seiner Merkmale im Einzelfall als immaterieller Schaden angesehen werden kann. Das BAG sieht dies bei einer „bloßen Verärgerung“ noch nicht als gegeben an.

Fazit: Der Auskunftsanspruch kann ein probates Mittel sein, nicht nur die begehrte Auskunft zu erhalten, sondern bei einer erheblichen Verärgerung auch Schadensersatz zu erhalten.

Überstunden (BAG vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21) Das BAG hatte zu klären, ob die vom EuGH festgestellte grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess hat. Dies hat das BAG verneint. Überstunden sind weiterhin vom Beschäftigten darzulegen und zu beweisen.

Fazit: Sie sollten eigenständige Aufzeichnungen über die von Ihnen geleisteten Überstunden machen und dabei notieren: wer die Überstunden angeordnet hat, von wann bis wann sie geleistet wurden und warum (sofern kein Arbeitszeiterfassungssystem besteht, aus dem sich dies klar ergibt).

Aufhebungsvertrag Das BAG sah in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2022 (Az.: 6 AZR 333/21) das Gebot des fairen Verhandelns nicht verletzt. In dem Fall wurde ein Beschäftigter aufgefordert, den Aufhebungsvertrag „hier und jetzt“ zu unterzeichnen, sonst werde ihm fristlos gekündigt. Sofern er den Raum verlassen würde, verfalle das Angebot. Der Beschäftigte unterzeichnete daher den Aufhebungsvertrag, machte aber im Nachhinein die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages wegen Verletzung des Gebots fairen Verhandelns geltend. Die Richter sahen den Vertrag als wirksam an. Der Beschäftigte hätte einfach den Raum verlassen können, um sich der bedrohlichen Situation zu entziehen. Anders wäre dies in Fällen beispielsweise bei einem Kreuzverhör im Büro des Vorgesetzten oder bei mangelnden Sprachkenntnissen zu beurteilen.

Fazit: Unterzeichnen Sie keinen Aufhebungsvertrag in einer Drucksituation oder ohne Prüfung durch die Rechtsabteilung. Andernfalls haben Sie einen in der Regel wirksamen Aufhebungsvertrag und sozialversicherungsrechtliche Nachteile, da das Arbeitslosengeld wegen der Aufhebung gekürzt werden kann.

Diskriminierung Das BAG entschied am 2. Juni 2022 (Az.: 8 AZR 191/21), dass es ein Indiz für eine Diskriminierung darstellt (§ 22 AGG), wenn eine Kündigung ohne Beteiligung des Integrationsamtes erfolgt, da gem. § 168 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen ist. Eine Entschädigung nach § 15 II AGG wurde aber nicht gewährt, da zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderung noch nicht festgestellt war und daher die Beteiligungspflicht noch nicht bestand.

Fazit: Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflichten gegenüber Schwerbehinderten, wie beispielsweise die Pflicht, geeignete schwerbehinderte Personen bei einer Bewerbung zum Vorstellungsgespräch einzuladen, kann dies die Indizwirkung und damit einen Schadensersatzanspruch begründen.

Urlaub Der EuGH hat am 6. November 2018 festgehalten, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen gemäß § 7 III BUrlG nur eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den anspruchsberechtigten Beschäftigten auf den drohenden Verfall seiner Urlaubsansprüche hingewiesen hat.

Fazit: Urlaubsansprüche verfallen in der Regel nicht, wenn der Arbeitgeber nicht darauf hingewiesen hat.

Am 22. September 2022 entschied der EuGH zudem, dass der Arbeitgeber, der seiner Hinweisobliegenheit nicht nachkommt, sich auch nicht auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen berufen kann.

Fazit: Urlaubsansprüche, auf die der Arbeitgeber nicht hingewiesen hat, verjähren nicht. Es ist daher möglich, dass bereits ausgeschiedene Beschäftigte auch weit zurückliegende Urlaubsansprüche noch geltend machen könnten. Das Bestehen dieser Ansprüche ist von den Beschäftigten darzulegen und zu beweisen.

Hat der Arbeitgeber aber beispielsweise keine Kenntnis von der Schwerbehinderung eines Beschäftigten und weist ihn deshalb nicht auf den drohenden Verfall des gesetzlichen Zusatzurlaubes hin, besteht keine Hinweisobliegenheit. Das BAG hat am 26. Februar 2022 entschieden, dass hier die Verantwortung der schwerbehinderten Person gegeben ist, den Arbeitgeber auf die Schwerbehinderung hinzuweisen, wenn diese daraus Rechte ableiten möchte.

Fazit: Sie sollten den Arbeitgeber rechtzeitig über die Schwerbehinderung informieren, wenn Sie Ansprüche auf den gesetzlichen Zusatzurlaub haben, um über einen drohenden Verfall rechtzeitig vom Arbeitgeber informiert werden zu müssen.

Das BAG entschied am 16. August 2022 (Az.: 9 AZR 76/22 (A)) zur Frage, ob § 9 Bundesurlaubsgesetz (Gutschrift von Urlaub bei Krankheit) auch auf Fälle der behördlich angeordneten Quarantäne anzuwenden sei, dass dies nicht der Fall sei, da § 9 BUrlG auf nicht durch Krankheit hervorgerufene Beeinträchtigungen des Urlaubs nicht anzuwenden sei. Das BAG hat dem EuGH dazu noch die Frage vorgelegt, ob ein Zusammenfallen von Urlaub und Quarantäne mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Die Entscheidung steht noch aus.

Für Fälle ab dem 17. September 2022 regelt § 59 I Infektionsschutzgesetz, dass Tage der Quarantäne nicht auf den Urlaub angerechnet werden.

Fazit: Eine Gutschrift von Urlaub kann im Fall der Quarantäne nur erfolgen, wenn die betroffenen Beschäftigten dabei auch krankgeschrieben sind.

Zeugnis Das BAG hat am 15. Januar 2022 (Az.: 9 AZR 146/21) entschieden, dass kein Anspruch auf eine Dankes- und Schlussformel im qualifizierten Arbeitszeugnis besteht, mit der der Arbeitgeber sich für die Zusammenarbeit bedankt und für die Zukunft alles Gute wünscht. Nach Ansicht der BAG-Richter sei die Schlussformel nicht integraler Bestandteil eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Die Meinungsfreiheit und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit würden gegen diese Verpflichtung sprechen.

Fazit: Die Dankes- und Schlussformel hat in der Zeugnisbewertung ein nicht unerhebliches Gewicht. Sie sollten daher gegenüber Ihrem Arbeitgeber weiterhin versuchen, diese zu erhalten. Einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine entsprechende Zeugnisänderung haben Sie aber bei Weigerung des Arbeitgebers nicht.

Bei Fragen zu diesen Entscheidungen wenden Sie sich gerne an die Rechtsprechstunde des DVTA.

Entnommen aus MT im Dialog 2/2023

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