Das bisherige Dilemma einer chronischen Nierenkrankheit: Es ist kaum sicher vorherzusagen, bei welchem Patienten die Krankheit progredient verläuft und bei welchem nicht. Das Universitätsklinikum des Saarlands publizierte nun wegweisende Daten, denen zufolge das DKK3 (Dickkopf 3)-Protein ein verlässlicher prognostischer Marker für eine fortschreitende Nierenkrankheit ist. Etwa 11% der Bevölkerung sind von einer chronischen Nierenkrankheit (Grad 1-5) betroffen [1], doch es müssen nicht alle behandelt werden. Höheres Alter geht häufig mit einer Einschränkung der Nierenfunktion einher, ohne dass diese klinisch relevant ist. Aber natürlich möchte man nicht, dass die Nierenfunktion unbemerkt kontinuierlich weiter abfällt. Daher erfolgt in der Regel, wenn Grad 3 der Nierenerkrankung erreicht ist (GFR unter 60 ml/min/1,73 m2 liegt), eine engmaschigere Kontrolle bei Hausarzt und bei Bedarf (z.B., wenn andere Krankheitszeichen wie Eiweiß oder Blut im Urin hinzukommen) auch eine Überweisung zum Nierenspezialisten (Nephrologen).
Großes Problem der Vorhersage
Ein bislang großes Problem war, dass man kaum unterscheiden konnte, bei welchen Patienten eine leichtgradige Nierenfunktionseinschränkung stabil bestehen bleibt und somit weitgehend unkritisch ist – und bei welchen Patienten hingegen die Funktion des Organs rasant abnimmt und früher oder später zur Dialysepflichtigkeit führt. Nach Lehrbuch ist das klassische Bild einer fortschreitenden chronischen Nierenkrankheit (CKD) zwar durch eine höhergradige Eiweißausscheidung im Urin (Albuminurie/Proteinurie) und Nierenfunktionsverlust gekennzeichnet, aber bei vielen Patienten, beispielsweise bei Patienten mit Zystennieren oder Diabetes mellitus, kommt es oft gar nicht zu einer Albuminurie/Proteinurie, häufig nicht einmal bis zum Erreichen des Endstadiums der Nierenkrankheit, wenn die Patienten nicht mehr ohne Nierenersatztherapie (Dialyse oder Transplantation) leben können [2, 3]. Aus dem Universitätsklinikum des Saarlands kommt nun eine bahnbrechende Entdeckung, ein Biomarker, mit dessen Hilfe Nierenpatienten identifiziert werden können, bei denen die Erkrankung voranschreitet und die einer intensiven Therapie bedürfen.
Starke Korrelation zwischen DKK3 und tubulointerstitiellen Fibrose
Das pathomorphologische Korrelat einer fortschreitenden Nierenkrankheit ist die tubulointerstitielle Fibrose, eine „Vernarbung“ des Nierengewebes, deren Entstehungs-mechanismen intensiv erforscht wurden. Es sind u.a. DKK (Dickkopf)-Proteine, die die Signalkette, die zur Fibrose führt, anstoßen. Das profibrotische Glykoprotein DKK3 wird unter Stressbedingungen von bestimmten Nierenzellen (renalen Tubuluszellen) abgesondert. In tierexperimentellen CKD-Modellen und bei Patienten mit einer sicher nachgewiesenen chronischen Nierenkrankheit fand sich eine starke Korrelation zwischen der DKK3-Konzentration im Urin und der Ausprägung einer tubulointerstitiellen Fibrose [4]. Neue Daten der Homburger Arbeitsgruppe, die auf dem europäischen Nierenkongress in Kopenhagen präsentiert wurden [5], zeigten nun, dass DKK3 auch als Marker der CKD-Progression verwendet werden kann.
Evaluiert an 575 Patienten
Evaluiert wurde der Marker an 575 Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen verschiedener Ursachen, an 96 Teilnehmern der STOP-IGAN-Studie und an 481 Teilnehmern einer Querschnittsstudie in der Allgemeinbevölkerung. Der mediane DKK3-/Kreatinin-Quotient war bei CKD-Patienten signifikant höher als in der Allgemeinbevölkerung (431 vs. 33 pg/mg). Außerdem korrelierten die DKK3-Konzentrationen im Urin signifikant mit der CKD-Progression. Eine DKK3-Konzentration >1.000 pg/mg Kreatinin ging mit einem mittleren jährlichen GFR-Verlust von 2,4% einher (p=0,007) und eine Konzentration >4.000 pg/mg Kreatinin mit einem Verlust von 7,6% (p<0.001), und zwar unabhängig von der eGFR und Albuminurie. Am untersuchten Studienkollektiv der STOP-IgAN-Studie konnte gezeigt werden, dass während der sechsmonatigen Run-in-Phase DKK3-Konzentrationen im Urin von über 1.000 pg/mg Kreatinin sogar mit einen eGFR-Abfall von 12,2% (95% CI: -16.9 to -7.4%; p<0,003) assoziiert waren. Auch zeigte sich, dass danach, in den ersten sechs Monaten der Behandlungsphase, ein Anstieg von DKK3 im Urin mit einem signifikanten eGFR-Abfall einherging (p=0,001), stabile oder fallende DKK3-Konzentrationen hingegen auf einen eher günstigen Verlauf der Nierenkrankheit hindeuteten.
Patienten mit hohem Risiko identifizieren
„Unsere Studie zeigte, dass DKK3 im Urin die Patienten identifizieren kann, die ein hohes Risiko für das Fortschreiten der Nierenerkrankung haben. Damit haben wir einen Biomarker, der Hochrisiko-Nierenpatienten erkennt und eine gezielte Versorgung ermöglicht“, erklärt Studienleiter, Professor Danilo Fliser, Homburg/Saar. Zur Bestimmung von DKK3 steht ein ELISA-Test zur Verfügung, die Bestimmung bieten viele größere Labore an und die Kosten werden bereits von vielen Krankenkassen übernommen.
Professor Jan C. Galle, Lüdenscheid, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, ergänzt: „Wenn sich diese Studienergebnisse im klinischen Alltag bestätigen, ist DKK3 ein Meilenstein für die Nephrologie. Derzeit haben wir das Problem, dass zwar elf von 100 Menschen eine Nierenkrankheit aufweisen, diese aber nicht bei allen behandelt werden muss. Das führt dazu, dass Nierenkrankheiten oft auf die leichte Schulter genommen und nicht engmaschig beobachtet werden. Es rutschen dann immer wieder auch Patienten durch, bei denen die Nierenkrankheit rasant voranschreitet. Wir Nephrologen sehen regelmäßig Patienten, bei denen wir mit der Dialysebehandlung anfangen müssen, die aber bis vor wenigen Monaten oder gar Wochen nicht einmal wussten, dass ihre Nieren krank sind. Wäre das früher bekannt gewesen, hätte man bei diesen Patienten das Fortschreiten der Erkrankung medikamentös verlangsamen und die Dialysepflichtigkeit deutlich hinausschieben können. Ein Frühmarker wie DKK3 würde helfen, die Patienten, die einer Therapie bedürfen, frühzeitig zu erkennen, und die Einleitung einer effizienten nephrologischen Primärprävention zu ermöglichen.“
[1] GBD 2013 Mortality and Causes of Death Collaborators. Lancet. 2015 Jan 10;385(9963):117-71.
[2] Eckardt KU, Alper SL, Antignac C et al. Kidney Int 2015; 88(4): 676-83.
[3] Porrini E, Ruggenenti P, Mogensen CE et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2015; 3(5): 382-91.
[4] Federico G, Meister M, Mathow D et all JCI Insight 2016; 1(1): e84916.
[5] Stephen Zewinger, Thomas Rauen, Michael Rudnicki et al. DKK3 IN URINE IDENTIFIES PATIENTS WITH PROGRESSIVE CHRONIC KIDNEY DISEASE. ERA-EDTA Congress 2018. Publication Number: LB06.
Quelle: idw/Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)
Artikel teilen