Versorgungsqualität von Menschen in Pflegeheimen zum Teil desolat
Problematische Dauerverordnungen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln in Heimen finden sich unter anderem im gesamten Saarland sowie in Nordrhein-Westfalen, wo 45 der 53 Kreise und kreisfreien Städte auffällige Ergebnisse aufweisen. Im Bundesdurchschnitt erhielten 7,6 Prozent aller Pflegeheimbewohner solche Dauerverordnungen. Die Dauerverordnungen von Antipsychotika bei Demenz lagen bundesweit bei 9,5 Prozent, in Nordrhein-Westfalen jedoch bei über 10 Prozent, in Baden-Württemberg sogar bei fast 12 Prozent. „Eigentlich sollten pflegebedürftige Menschen maximal vier Wochen mit den untersuchten Schlaf- und Beruhigungsmitteln behandelt werden. Denn bei Dauereinnahme drohen unter anderem Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr und die Entstehung von Angstgefühlen, Depressionen und Aggressionen“, betont Dr. Antje Schwinger, Forschungsbereichsleiterin Pflege beim WIdO. Die Auswertung der Verordnungsdaten bestätige den Befund zahlreicher Studien, dass hier ein ernsthaftes Versorgungsproblem besteht, das regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.
Klinikeinweisungen von Demenzkranken wegen Dehydration
Deutliche regionale Unterschiede zeigten sich auch bei neun weiteren analysierten Themen an der Schnittstelle zwischen Pflege und Gesundheitsversorgung: So hatten laut der Auswertung im bundesweiten Durchschnitt knapp 4 Prozent aller an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen 2021 einen Krankenhausaufenthalt, der durch unzureichende Flüssigkeitszufuhr verursacht war. In den 20 Kreisen mit den auffälligsten Werten (95% Perzentil) waren es dagegen zwischen 7,5 und 12,5 Prozent der Pflegeheimbewohnenden mit Demenz. Auffällige Kreise finden sich in Bayern, vor allem an der deutsch-tschechischen Grenze, in Niedersachsen, im Süden von Rheinland-Pfalz sowie in Nordrhein-Westfalen.
Abrechnungsdaten der 11 AOKs
Die WIdO-Analysen für den Pflege-Report beruhen auf den Abrechnungsdaten der elf AOKs, die rund ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland versichern. Dabei wurden die Daten aus der Kranken- und aus der Pflegeversicherung einbezogen und miteinander verknüpft. Insgesamt sind die Daten von rund 350.000 Pflegeheim-Bewohnerinnen und -Bewohnern ab 60 Jahren eingeflossen. Das entspricht rund der Hälfte aller stationär versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland. Im Online-Portal „Qualitätsatlas Pflege“ des WIdO sind die Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer und für die rund 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland im regionalen Vergleich dargestellt. Die Ergebnisse zu den zehn betrachteten Themen können auch als Zeitreihen für die Datenjahre 2017 bis 2021 betrachtet werden. „Hier zeigen sich durchaus positive Entwicklungen – zum Beispiel bei den vielfach unnötigen Krankenhaus-Aufenthalten von Pflegeheim-Bewohnerinnen und -Bewohnern am Lebensende“, berichtet Pflege-Expertin Antje Schwinger. So sank der Anteil der Menschen, die in ihren letzten 30 Lebenstagen einen Krankenhausaufenthalt hatten, von bundesweit 47 Prozent im Jahr 2017 auf 42 Prozent im Jahr 2021. „Allerdings bleibt abzuwarten, ob dies nur ein vorübergehender Trend infolge der gesunkenen Fallzahlen in der Pandemie ist“, erklärt Schwinger. Auch bei diesem Thema waren große regionale Unterschiede zu verzeichnen, die im Zeitverlauf bestehen blieben. Spitzenreiter bei den Krankenhauseinweisungen am Lebensende ist das Saarland mit einem Anteil von 49,5 Prozent im Jahr 2021 (2017: 55 Prozent), am anderen Ende der Skala liegt Sachsen mit 36 Prozent (2017: 43 Prozent).
Qualitätsatlas Pflege beleuchtet insgesamt zehn Indikatoren
Neben der Dauermedikation mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln, den Krankenhauseinweisungen von Demenzkranken aufgrund von Flüssigkeitsmangel und den vermeidbaren Krankenhausaufenthalten am Lebensende werden im Qualitätsatlas sieben weitere Themen betrachtet. Dies sind die fehlende augenärztliche Vorsorge bei Diabetes, das Auftreten von Dekubitus, die Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenz, die gleichzeitige Verordnung von neun oder mehr Wirkstoffen, der Einsatz von für ältere Menschen ungeeigneter Medikation, die Häufigkeit besonders kurzer Krankenhausaufenthalte von bis zu drei Tagen sowie vermeidbare Krankenhausaufenthalte aufgrund von Stürzen.
Quelle: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
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