Überlastung

Wie kann sich die MTA davor schützen? Grundsätzlich sind MTA durch den Arbeitsvertrag „zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ (§ 611 a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Der Arbeitgeber kann den MTA daher im Wege seines Weisungsrechts (§ 106 Gewerbeordnung) Aufgaben zuteilen, die die MTA je nach ihrer Stellung, Berufserfahrung und Qualifikation dafür zu erledigen hat. Hierbei schuldet die MTA ein Tätigwerden im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten (redliches Bemühen). Stellt sie dabei fest, dass sie die Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit erledigen kann, muss sie dies dem Arbeitgeber mitteilen, da andernfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen, im Regelfall eine Abmahnung, folgen könnten. Gleiches gilt aber auch in dem Fall, wenn die MTA sich in einer dauernden Belastungssituation befindet, da Fehler wahrscheinlicher werden. Die MTA sollte hier eine Überlastungsanzeige an den direkten Vorgesetzten abgeben, in der sie auf den konkreten Missstand (Arbeitszeitvolumen, das für bestimmte Arbeitsvorgänge benötigt wird und angesichts des hohen Aufkommens nicht mehr leistbar ist), die notwendigen Abhilfemaßnahmen und darauf hinweist, dass andernfalls keine Haftung für Fehler übernommen wird (§ 16 Abs. 1 Arbeitschutzgesetz [ArbSchG]).

Den Arbeitgeber trifft hier die Fürsorgepflicht, nach der er einer gesundheitsschädigenden Überanstrengung des Arbeitnehmers, hier der MTA, entgegenzuwirken hat. Dies ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag (§§ 611 a, 241 Abs. 2 BGB). Sie findet eine besondere Ausprägung, insbesondere in § 618 BGB, der vorschreibt, die vom Arbeitnehmer zu erbringenden „Dienstleistungen, (. . .) so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet“. Der Arbeitgeber muss sich daher bei der Zuteilung der Arbeit an der Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen Menschen orientieren, es sei denn, ihm ist bekannt, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers beeinträchtigt ist. Dann ist dies bei der Zuweisung der Arbeit zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte bereits mit Urteil vom 13. März 1967 (Az.: 2 AZR 133/66) im Falle eines leitenden Angestellten festgestellt, dass ein Arbeitgeber zwar ein „Mehr“ an Arbeitsleistung einschließlich Überstunden als von einem „gewöhnlichen“ Arbeitnehmer verlangen dürfe. Gleichwohl dürfe ein Arbeitgeber auch bei einem hoch bezahlten leitenden Angestellten „weder dulden noch gar verlangen, dass er sich in einer seine Gesundheit ernstlich gefährdenden Weise überarbeite“. Dies gilt umso mehr für Arbeitnehmer ohne Führungsposition.

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber ebenfalls zur „menschengerechten Gestaltung der Arbeit“ (§ 2 Abs. 1 ArbSchG) und die „gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse“ (§ 4 Nr. 3 ArbSchG) zu berücksichtigen, nach denen Überlastungen, die zu Gesundheitsschädigungen führen, zu vermeiden sind. Dies kann der Arbeitgeber natürlich nur, wenn ihm die Überlastung angezeigt wird, weshalb die oben beschriebene Überlastungsanzeige erforderlich ist. Diese (Überlastungsanzeige) führt zwar nicht dazu, dass Sie als MTA ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen müssen. Sofern Sie die Aufgabe dann aber nicht mehr in der gewünschten Qualität erfüllen können, kann damit der individuelle Haftungsmaßstab der MTA reduziert sein. Kommt es dann zu einem Fehler, der bei normaler Sorgfalt für eine durchschnittliche MTA vermeidbar gewesen wäre, kann diese nicht wirksam abgemahnt werden, da sie darauf hingewiesen hat, dass das Arbeitspensum zu hoch und nicht realisierbar ist.

Sehen Sie sich dauernd überfordert, ist eine entsprechende schriftliche Anzeige (zur Dokumentation) sinnvoll. Sie sollten darin auch dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit machen (Berechtigung dazu ergibt sich aus § 17 Abs. 1 ArbSchG). Sind Sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um Ihre Sicherheit und Ihren Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, sollten Sie sich darüber sachlich beim Arbeitgeber beschweren und erneut die Durchführung der von Ihnen aufgezeigten notwendigen Maßnahmen oder notwendige Maßnahmen mit Fristsetzung fordern. Hilft der Arbeitgeber Ihrer Beschwerde nicht fristgerecht ab, können Sie sich an die zuständige Behörde für Arbeitsschutz wenden. Hierdurch dürfen Ihnen keine arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen (§ 17 Abs. 2 ArbSchG). Zudem sollten Sie sich die Unterstützung des Betriebsrates sichern, da dieser nicht nur bei Überstunden, sondern auch beim Gesundheitsschutz ein Mitbestimmungsrecht hat und auf die Einhaltung der geltenden Gesetze achten soll. Ähnliches gilt für eine Mitarbeiter- und Personalvertretung.

Können sogenannte Risikogruppen die Arbeitsleistung zum Schutz der eigenen Gesundheit verweigern? Gemäß des Coronavirus-Steckbriefs des Robert Koch-Instituts (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText3), der eine Orientierung geben will, haben insbesondere die „folgenden Personengruppen, basierend auf der aktuellen Studienlage, ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf:

– ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren; 86 Prozent der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter [Altersmedian: 82 Jahre]

– Raucher (30, 60) (schwache Evidenz)

– stark adipöse Menschen

– Personen mit bestimmten Vorerkrankungen (ohne Rangfolge):

des Herz-Kreislauf-Systems (zum Beispiel koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) chronische Lungenerkrankungen (zum Beispiel COPD) chronische Lebererkrankungen Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) Patienten mit einer Krebserkrankung Patienten mit geschwächtem Immunsystem (zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht, oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können, wie zum Beispiel Cortison)“. Es stellt sich daher die Frage, ob diese sogenannten Risikogruppen ein Leistungsverweigerungsrecht zugunsten ihrer Gesundheit haben.

1. Fahrt zur Arbeit

Arbeitnehmer können generell nicht die Arbeit mit der Begründung verweigern, dass sie bei der Hin- und Rückfahrt von der Arbeit einer höheren Ansteckungsgefahr durch die notwendige Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgesetzt sind. Die Hin- und Rückfahrt zur Arbeit fällt in der Regel allein in das Risiko der Beschäftigten. Für Risikogruppen kann dies anders zu beurteilen sein, bei einer hohen Corona-Infektionsrate, da dann die Fahrt zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln als nicht mehr zumutbar angesehen werden kann. Gibt es keine Alternativen (zum Beispiel Benutzung des Fahrrads, Autos et cetera), kann ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB begründet sein. Maßgebend dafür ist, ob ein der Arbeitsleistung „entgegenstehendes Hindernis“ besteht.

Dies ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Es empfiehlt sich insoweit, die konkrete Gefahr mit einem Arzt vorab zu klären. Es gilt aber zu beachten, dass § 275 Abs. 3 BGB keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gewährt. Für schwerbehinderte Menschen (zum Beispiel bei Krebskranken, sofern anerkannt et cetera) ist zu beachten, dass für den Arbeitsweg die Anforderungen einer behinderungsgerechten Gestaltung nach § 164 SGB IX erfüllt sein müssen (Kohte/Volkmann JurisPR-ArbR 36/2015 Anm. 1). Ist dies nicht der Fall, kann ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 BGB gegeben sein.

2. Bei der Arbeit

Der Ausbruch der Corona-Pandemie gibt Arbeitnehmern nicht per se das Recht zur Leistungsverweigerung wegen der Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz. Die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistungserbringung kann aber gegeben sein, wenn Arbeitnehmer akut gefährdet sind oder eine Pflichtenkollision vorliegt, etwa weil Kinder infolge Schulschließungen zu betreuen sind (§ 1626 BGB) und insbesondere Großeltern als Risikogruppe nicht als Betreuungspersonen infrage kommen. Da hier zur allgemeinen Infektionsgefahr individuelle Umstände hinzutreten, liegt ein persönlicher Grund vor, weshalb der Lohnanspruch nach § 616 BGB – allerdings auf wenige Tage beschränkt – bestehen bleibt. Für einen längeren Zeitraum bedarf es daher eines ärztlichen Attests, um entschuldigt von der Arbeit fernbleiben zu können und die Entgeltfortzahlung für die eigene Erkrankung über § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz oder bei Erkrankung des Kindes nach § 45 SGV V oder § 56 Abs. 1 a Infektionsschutzgesetz für die Betreuung von Kindern im Homeschooling zu erhalten.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen. Dies ist in der Regel die Ausrüstung mit der erforderlichen Schutzausrüstung. Auch hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus §§ 241 II, 618 BGB, für angemessene Infektionsprävention durch Abstandsregeln, Desinfektion und Organisation der Betriebsabläufe zu sorgen. Arbeitnehmer können im Einzelfall diesen Anspruch über § 273 I BGB durchsetzen, indem sie ihre Arbeitsleistung zurückhalten. Dadurch gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und hat nach § 615 Satz 1 BGB den Lohn fortzuzahlen. Können Schutzmaßnahmen das gewünschte Ziel nicht erreichen, wäre auch eine Freistellung durch den Arbeitgeber im Einzelfall denkbar. Der Arbeitgeber gerät durch die Freistellung in Annahmeverzug, sodass der Lohnanspruch fortbesteht (§ 615 Satz 1 BGB). Erfolgt die Freistellung wegen begründeten Infektionsverdachts, kommt ein Regressanspruch des Arbeitgebers gegen den Träger der Gesundheitsbehörde in Betracht.

Wird einem Arbeitnehmer, der zur Risikogruppe gehört, die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach § 31 Satz 2 IfSG untersagt oder wird gegen ihn nach § 30 I 2 IfSG Quarantäne angeordnet, weil er krankheits- beziehungsweise ansteckungsverdächtig ist, hat er nach § 56 I 1 beziehungsweise 2 IfSG einen Anspruch auf eine Entschädigung in Geld. Für die ersten sechs Wochen besteht der Anspruch in voller Höhe des Verdienstausfalls, (§ 56 II 1, III IfSG). Auch Kurzarbeitergeld wird für die Entschädigung berücksichtigt (vgl. § 56 III 2, IX IfSG). Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer (allein) durch die genannten Maßnahmen einen Verdienstausfall erleidet, das heißt, dies gilt nicht, wenn eine Lohnfortzahlungspflicht aus § 3 I EFZG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit schon gegeben ist.

Das Arbeitsgericht Mainz (ArbG Mainz – 4 Ga 10/20) war jüngst mit einem Eilantrag eines 62-jährigen Lehrers befasst, mit dem dieser unter Berufung auf sein Alter seinem Arbeitgeber verbieten lassen wollte, ihn während der Corona-Pandemie zu Präsenzunterricht heranzuziehen, da er befürchtete, sich durch eine Präsenz unzumutbaren gesundheitlichen Risiken auszusetzen, obwohl ein Interesse an Präsenzunterricht nicht ersichtlich sei. Das Gericht lehnte den Eilantrag ab. Ungeachtet dessen, dass Interesse am Präsenzunterricht bestehe, sah das Gericht die Gefährdung bei Einzelunterricht in einem 25 Quadratmeter großen Raum als nicht gegeben an, da hinreichend Abstand gewahrt werden kann.

Was bedeutet die Entscheidung für MTA?

Die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gibt noch kein Leistungsverweigerungsrecht. Es sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles zu betrachten. Zudem wird den Schulen ein Ermessensspielraum zugestanden, wie sie den Gefahren der Corona-Pandemie begegnen wollen. Sofern diese den Vorgaben entsprechen, ist grundsätzlich auch der Einsatz von Risikopersonen möglich. Zudem ist es nicht Aufgabe der Gerichte, vorab zu entscheiden, welcher Lehrer wie eingesetzt wird.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Gestaltung einer Überlastungsanzeige oder beraten Sie zu den vorstehenden Themen in Ihrem konkreten Einzelfall in der Rechtssprechstunde.

Entnommen aus MTA Dialog 7/2020

Überlastung

Wie kann sich die MTA davor schützen?

Online-Angebot der MT im Dialog

Stellen- und Rubrikenmarkt

Überlastung

Wie kann sich die MTA davor schützen?

Sie wollen den ganzen Text lesen?

Online-Angebot der MT im Dialog

Stellen- und Rubrikenmarkt