Es wurden knapp 45.000 Spendermeldungen bearbeitet, 7.915 Aufklärungsgespräche geführt und am Ende gab es 3.367 Zustimmungen. 42,5 Prozent aller Spenderinnen und Spender und Angehörige stimmten einer Gewebespende zu. Spendenstärkstes Bundesland war 2022 mit 448 Gewebespenden Nordrhein-Westfalen, dicht gefolgt von Sachsen mit 446 Gewebespenden. Insgesamt konnten damit 7.111 Patientinnen und Patienten ein Gewebetransplantat aus dem Netzwerk der DGFG erhalten.
Trotz des Erfolgs eine Sorge
Trotz dieser erfreulichen Entwicklung blickt die DGFG besorgt in die Zukunft. Die Gesellschaft betont, dass lebensrettende Herzklappen fehlen. Während die DGFG die Spende von Augenhornhäuten ausbauen konnte, musste die gemeinnützige Gesellschaft einen starken Rückgang in der Spende von Herzklappen hinnehmen. Grund dafür ist insbesondere der Rückgang in der Organspende, aus der noch immer der Großteil an Herzklappen gewonnen wird. Zusätzlich gefährde das im März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende die Patientenversorgung erheblich. Die darin festgeschriebenen Zugriffsbeschränkungen (§ 2a Abs. 4 TPG) auf das geplante Register würden den Spendeprozess behindern und zu einem erheblichen Einbruch der Spendezahlen führen, sollte bis zum Registerstart an der Gesetzesreform nichts mehr geändert werden, wird befürchtet.
DGFG kritisiert Gesetzesreform
„Das im März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende wird in dieser Form zu einem Ausbremsen unserer Arbeit in der Gewebespende führen. Für jeden einzelnen Fall wären wir auf die Auskunft aus dem Register, die nur über bevollmächtigte Klinikangestellte mit einem elektronischen Heilberufeausweis abgerufen werden kann, angewiesen. Bei rund 45.000 Fällen pro Jahr, die wir bei der DGFG bearbeiten, und begrenzten Zeit- und Personalressourcen auf Klinikseite kann das nicht funktionieren. Mit diesem extremen Organisationsaufwand für das Abrufen einer möglichen Entscheidungsdokumentation können wir die Zeitfenster in der Gewebespende nicht einhalten“, hält Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG, fest. „Diese Gesetzesreform macht deutlich, dass auf politischer Seite eine völlige Unkenntnis über die Prozesse in der Gewebespende bestehen. Noch immer haben wir in der Gewebespende mit einem Mangel, vor allem an Herzklappen zu kämpfen. Das Netzwerk der DGFG stemmt die Hälfte der Patientenversorgung mit Gewebetransplantaten. Damit das so bleiben kann, muss dringend gehandelt werden.“
Immer weniger Herzklappen
Auch im dritten Pandemiejahr ist es der DGFG gelungen, die Gewebespende weiter auszubauen: Demnach konnten 7.111 Gewebetransplantate erfolgreich vermittelt werden, darunter 4.366 Hornhauttransplantate. Die Augenhornhaut ist mit 83,5 Prozent nach wie vor das am meisten gespendete Gewebe. Neben der Spende von Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen und Amnionmembranen widmete sich die DGFG im vergangenen Jahr auch der Spende von Knochen, Sehnen und Bändern (muskuloskelettale Gewebe = MSG). Im Rahmen dieser 28 MSG-Spenden konnten 388 Präparate gewonnen werden. In der Versorgung mit Herzklappen sieht die Situation anders aus: Nur 144 Herzklappen konnte die DGFG 2022 zur Transplantation vermitteln, zehn weniger als im Vorjahr. „Bei mehr als 300 Anfragen für eine Herzklappe ist das bedeutend zu wenig, wenn man bedenkt, dass hier die Lebenserwartung der Patientinnen/Patienten drunter leiden muss. Gerade junge Patientinnen/Patienten sind auf humane Herzklappen, die mitwachsen können und keine blutverdünnenden Medikamente erfordern, angewiesen. Hier müssen wir zusammen mit den Kliniken daran arbeiten, die Herzklappenspende nach Herz-Kreislauf-Tod auszubauen, um eine verlässliche Alternative zur Organspende zu haben“, sagt Börgel.
Mehr Unterstützung auf Klinikseite angemahnt
Nach wie vor sei die Organspende wichtig für die Patientenversorgung insbesondere mit kardiovaskulärem Gewebe (KVG), d. h. Herzklappen und Blutgefäßen: Insgesamt stammten 322 Gewebespenden von Organspenderinnen/-spendern (10,5 %). Bei 55 Prozent dieser Gewebespenden konnte das Herz für die Gewinnung der noch funktionsfähigen Herzklappen und Gefäße entnommen werden. Da im Unterschied zur Organspende die Gewebespende nicht an die Hirntoddiagnostik gebunden ist, treibt die DGFG seit einigen Jahren das von der Organspende unabhängige Programm der KVG-Spende bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen voran. Eine Entnahme von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden, eine Augenhornhautspende sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt möglich. „Wir haben in der Gewebespende nicht die Situation, dass eine Herzklappe genau wie ein Herz binnen vier Stunden nach Entnahme bei Patientinnen/Patienten implantiert werden muss. Wir haben bis zu 36 Stunden Zeit, das Herz zu entnehmen und in eine Gewebebank zur Aufbereitung zu bringen. Das medizinische Screening, die Aufklärungsgespräche und Entnahmen erfolgen über unser eigenes Personal. Von den Kliniken benötigen wir neben einer zeitnahen Spendermeldung und zügigen Überführung der Verstorbenen in eine Kühlung auch einen Entnahmeraum. Hier bedarf es noch mehr Unterstützung auf Klinikseite“, so Börgel.
Immer mehr AmnioClip-plus
Als Alternative zur herkömmlichen Amnionmembrantransplantation, bei der die dünne Eihaut aus der mütterlichen Plazenta auf die Augenoberfläche genäht wird, greifen immer mehr Augenärztinnen und -ärzte auf den AmnioClip-plus (AC+) zurück. 140 dieser Clips konnte die DGFG 2022 vermitteln, rund 60 Stück mehr im Vergleich zum Vorjahr. Der AC+ sei eine Innovation aus dem DGFG-Netzwerk. Er könne ähnlich wie eine Kontaktlinse auf das erkrankte oder verletzte Auge gelegt werden. Vorteil: Die Amnionmembran sei in ein Ringsystem eingespannt und könne nach erzieltem Erfolg wieder herausgenommen werden. Eine zusätzliche Naht entfalle, was für einen schonenderen Heilungserfolg bei Patientinnen und Patienten sorge. Gewonnen werde die Amnionmembran im Rahmen der Plazentaspende, einer Lebend-Gewebespende bei geplantem Kaiserschnitt. 2022 konnte die DGFG 21 Plazentaspenden realisieren.
Quelle: DGFG
Artikel teilen