Steigen jetzt auch noch die Tuberkulosefälle?

Fall in Chemnitz weitet sich aus
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Tuberkulosefall in Chemnitz
© Kateryna_Kon, stock.adobe.com
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Nachdem bereits im Januar von einem Fall von offener Tuberkulose (Tb) bei einer Pflegeschülerin in Chemnitz berichtet wurde, wurde nun eine zweite Infektion und weitere Verdachtsfälle bekannt.

Beim ersten Fall hat das Amt für Gesundheit und Prävention in Chemnitz die Kontakte der betroffenen Patientin ermittelt und untersucht. Diese Untersuchungen betrafen damals insgesamt 75 Personen. Neben Bewohnern und Personal des Pflegeheims (insgesamt 46 Personen) waren auch Mitschüler/-innen sowie Lehrer der Pflegefachschule (insgesamt 29 Personen) betroffen. Weitere 14 Personen werden durch das Gesundheitsamt Annaberg untersucht. Aufgrund des langen Zeitraums, bis der Tuberkuloseerreger nachgewiesen werden kann, sind erst Ende Februar bzw. Anfang März Ergebnisse zu erwarten. Bisher seien jedoch bei einem Drittel der Personen Tuberkuloseinfektionen festgestellt worden.

Kontaktperson betroffen

In diese Phase fällt nun ein zweiter Tuberkulosefall, über den die Stadt Chemnitz informiert hatte. Auch dabei ermittelt das Amt für Gesundheit und Prävention weitere Kontaktpersonen. Dies fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der überall die Maskenpflicht fällt. Der neue Fall steht offenbar in Zusammenhang mit der an offener Lungentuberkulose erkrankten Chemnitzer Pflegeschülerin. Es soll sich um eine enge Kontaktperson der erkrankten Schülerin handeln. Sie sei bereits zuvor mit Tuberkuloseverdacht zur weiteren Diagnostik in die Klinik eingewiesen worden. Nach aktuellem Kenntnisstand leide sie ebenfalls an ansteckungsfähiger Lungentuberkulose und müsse behandelt werden, so die Stadt.

Weitere Umgebungsuntersuchungen

Das Amt für Gesundheit und Prävention ermittelt derzeit weitere Kontaktpersonen, die ein Risiko hatten, sich angesteckt zu haben und wird den betroffenen Personenkreis zeitgerecht untersuchen. Von diesen Umgebungsuntersuchungen seien ebenfalls die Pflegefachschule und ein weiteres Pflegeheim betroffen. Bei der Auswertung der bisherigen Untersuchungsergebnisse der Kontaktpersonen seien außerdem zwei weitere Tuberkuloseverdachtsfälle festgestellt worden, die umgehend zur Diagnostik in ein Krankenhaus eingewiesen worden seien. Bis zum Abschluss der Diagnostik sei zum Grad einer eventuellen Ansteckungsfähigkeit noch keine verbindliche Aussage möglich. Bei den vier Personen, die aktuell im Krankenhaus sind, handele es sich um Schüler/-innen der Pflegefachschule.

Bisher noch selten in Deutschland

Tuberkulose ist weltweit gesehen eine Erkrankung, die vor allem in Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen vorkommt. Dennoch erkranken weltweit jedes Jahr etwa 10 Millionen Menschen und etwa 1,4 Millionen sterben. Vor allem die Ausbreitung der resistenten Stämme bereitet Sorgen. In Deutschland tritt die Erkrankung zumindest bisher mit 4,7 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner eher selten auf. Allerdings sind in den vergangenen Jahren immer wieder auch Fälle an Schulen aufgetreten. Ein Großteil der Erkrankten sind Personen aus Ländern mit höherem Tuberkuloseaufkommen. Daher führen einige Staaten bei der Einreise Untersuchungen auf eine mögliche Tuberkuloseerkrankung durch. Ein Team internationaler Wissenschaftler/-innen um den Bielefelder Professor Dr. Kayvan Bozorgmehr hat sich nun damit beschäftigt, ob eine einzelne Untersuchung einreisender Personen nach Ankunft ausreichend ist.

Proaktive Strategien ausbauen

In Deutschland beschränkt sich die proaktive Fallfindung der Tuberkulose ausschließlich auf Personen, die gemeinschaftlich untergebracht werden. Das betrifft unter anderem Geflüchtete sowie Wohnungslose. Dabei würden jedoch individuelle Faktoren einer Gefährdung nicht berücksichtigt, sondern die Untersuchung erfolge pauschal und verpflichtend, und zudem nur einmalig, so die Forscher. „Ein nur einmaliges Screening auf Tuberkulose greift aber womöglich zu kurz“, sagt jedoch Bozorgmehr. „Nur ein kleiner Anteil der mit Tuberkulose infizierten Menschen wird hierdurch entdeckt. Eine Erkrankung wird meist erst dann erkannt, wenn sich bereits stärkere Symptome entwickelt haben und sie auch weiter fortgeschritten ist.“

Um eine frühere Behandlung und damit eine bessere Prognose sowie geringere Behandlungskosten zu erreichen, regen die Autorinnen und Autoren in ihrer Studie an, proaktive Strategien zur Fallfindung auszubauen. Bozorgmehr betont: „Aus einer bevölkerungsmedizinischen Perspektive ist daher eine freiwillige Nachuntersuchung, die auf angemessener Aufklärung und Einwilligung basiert und gut in das Gesundheitssystem integriert ist, ein sinnvoller Baustein nationaler Programme zur Tuberkulosekontrolle. Bislang gibt es keine Daten, die zeigen, dass verpflichtende Programme bessere Ergebnisse erzielen als freiwillige. In Anbetracht der ethischen und rechtlichen Konsequenzen verpflichtender medizinischer Untersuchungen sind solche Pflichtuntersuchungen daher in Frage zu stellen.“

Quelle: Stadt Chemnitz, Uni Bielefeld

ERGÄNZUNG vom 3.2.23:

Die Resistenzbestimmung bei der Indexpatientin ergab laut Stadt Chemnitz einen Bakterienstamm, der sensibel ist gegenüber allen Erstlinien-Tuberkulostatika, d. h. es bestehe kein Anhalt für das Vorliegen einer Resistenz. Im Fall der erkrankten Kontaktperson lägen Art- und Resistenzbestimmung noch nicht vor, Untersuchungen hierzu laufen.

Bei der Frage nach der Zahl der Kontaktpersonen insgesamt (inkl. des ersten Falles vom Januar) betont die Stadt, dass sich die Zahl der Kontaktpersonen sich aktuell noch ändere, da die Kontaktpersonenermittlung des zweiten Falles noch nicht abgeschlossen sei. Es handele sich im Wesentlichen um eine zweite Pflegeklasse (zusätzlich 20 Personen) und ein zweites Pflegeheim (bis zu 59 Personen mit unterschiedlicher Kontaktintensität) sowie das persönliche Umfeld der erkrankten Person (bisher zusätzlich 3 Personen).

Beim ersten Fall handelte es sich um 75 Kontaktpersonen in Chemnitz und 14 im benachbarten Landkreis Erzgebirge. Demzufolge sind aktuell 171 mögliche Kontaktpersonen bekannt.

Bei der Zahl der bislang identifizierten infizierten Pflegeheimbewohner (zwei) sei in einem Fall ein Zusammenhang mit dem aktuellen Infektionsgeschehen jedoch fraglich. Im Vergleich zur bisher untersuchten Pflegeklasse sei die Zahl der Infektionen gering. Das Amt für Gesundheit und Prävention geht hier davon aus, dass die Masken im Dienstbetrieb des Pflegeheims entsprechenden Schutz geboten haben.

ERGÄNZUNG vom 9.2.23:

Es werden nun auch mögliche Infektionsketten in andere Bundesländer überprüft. Konkret seien Kontakte nach Hamburg und Augsburg bekannt, die dortigen Behörden seien informiert, teilte die Stadt Chemnitz mit.

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