Scharfe Kritik am Bundes-Klinik-Atlas

Nachbesserungen gefordert
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Der neue Bundes-Klinik-Atlas soll mehr Transparenz in der Krankenhausbehandlung bieten. Doch das Portal stößt bei Krankenhäusern und Verbänden auf scharfe Kritik.

Die Volkskrankheit Diabetes mellitus sei im Bundes-Klinik-Atlas kaum abgebildet, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Die rund drei Millionen Menschen, die jährlich mit dieser Stoffwechselerkrankung stationäre Versorgung benötigen, erhielten nur unzureichend Informationen über die bundesweite diabetologische Klinikexpertise. Die DDG fordert daher rasche Nachbesserungen im Interesse der Betroffenen.

„In Deutschland werden jährlich etwa drei Millionen Menschen mit einem Diabetes in Krankenhäusern behandelt. Das Bundesportal suggeriert, dass Diabetes in deutschen Kliniken quasi gar nicht stattfindet. Das ist nicht nur verkannte Realität, sondern trägt zu einer massiven Desinformation bei, die den Diabetes aus der Versorgungslandschaft und damit die Diabetologie allgemein aus dem Gesundheitswesen verdrängt“, sagte DDG-Präsident Prof. Dr. med. Andreas Fritsche

Behandlungsrelevante Zertifizierungen gefordert

Bei der Suche nach einer fachübergreifenden Behandlung der „Zuckerkrankheit“ erhalte man null Treffer. Ein 60-jähriger Patient mit einem Diabetes Typ 2, stark schwankenden Blutzuckerwerten und diabetischen Folgeerkrankungen wie Niereninsuffizienz, Bluthochdruck, einer koronaren Herzerkrankung und Schädigungen an Nerven und Augen, finde im Klinik-Atlas kein Krankenhaus, das ihn interdisziplinär versorgen könne. „Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein sehr häufig auftretendes Patientenbeispiel. Allerdings ist die Versorgungslage in Deutschland noch nicht so gravierend schlecht, dass wir diesem Patienten nicht eine Klinik mit entsprechenden Kompetenzen vermitteln könnten“, führt Fritsche aus.

Zudem finden sich im Portal nur vier Kliniken, die eine besondere Diabetesexpertise vorhalten. Auch hier bemängelt die DDG die Vollständigkeit wichtiger Angaben. Die DDG fordert, behandlungsrelevante Zertifizierungen sofort in den Klinik-Atlas aufzunehmen. Laut BMG sei dies jedoch nicht vor 2025 geplant, obwohl die DDG seitens Vertreter der Ampel-Koalition bereits die Zusicherung erhalten habe, die DDG-Zertifikate in das Register einzuflechten.

„Zahlreiche falsche und fehlende Daten"

Eine Woche nach Start des Klinik-Atlas aus dem Bundesgesundheitsministerium verdeutliche sich immer mehr, dass dieser „Transparenzatlas“ zahlreiche Fehler und veraltete beziehungsweise falsche Daten aufweise, die die Patientinnen und Patienten erheblich in die Irre führen könnten, betont die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).

Dazu erklärt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, Prof. Dr. Henriette Neumeyer: „Lauterbachs Klinik-Atlas erfüllt leider nicht ansatzweise sein Versprechen, mehr Transparenz in der Krankenhausbehandlung zu schaffen. Im Gegenteil, zahlreiche falsche und fehlende Daten leiten Patientinnen und Patienten massiv in die Irre. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir den Informationssuchenden leider raten, den Atlas mit größter Vorsicht zu behandeln, unbedingt Rücksprache mit den behandelnden Ärzten zu halten und auf eine bewährte Plattform zurückzugreifen. Das Bundesgesundheitsministerium fordern wir auf, Fehler so schnell wie möglich zu korrigieren und den Atlas mit einem Hinweis auf noch zu behebende Fehler zu versehen.“

„Keine vergleichbaren Informationen“

Nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK) verfehlt das neue Krankenhausverzeichnis des Bundesgesundheitsministeriums den beabsichtigten Zweck. „Statt den Patientinnen und Patienten Orientierung zu geben, stiftet der Bundes-Klinik-Atlas vor allem Verwirrung. Anders als suggeriert wird, gibt es weder umfassende noch faire oder vergleichbare Informationen über den Versorgungsumfang und die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern,“ erklärt BDPK-Hauptgeschäftsführer Thomas Bublitz.

Der BDPK unterstütze jede Form von Qualitätstransparenz, die dazu führt, dass Patientinnen und Patienten die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten. Dazu trägt der Bundes-Klinik-Atlas aus Sicht des BDPK aber nicht bei. So würden die zwei im Atlas verwendeten „Tachos“, mit denen die Zahl der Behandlungsfälle und der „Pflegepersonalquotient“ eines Krankenhauses abgebildet werden, zu Darstellungen führen, die kaum Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität zulassen. Weder die undifferenzierte Zahl der Fälle pro Krankenhaus noch die Gesamtzahl der im Krankenhaus angestellten Pflegekräfte sage Konkretes über die erbrachte Behandlungsqualität aus.

Für eine valide Bewertung sei vielmehr eine Risikoadjustierung erforderlich, die den Behandlungsschweregrad der Patientinnen und Patienten sowie eine längere Verweildauer infolge komplexer Indikationen berücksichtige: „Ohne diese Differenzierung stehen vor allem Fachkrankenhäuser, die sich auf die Behandlung von schwerstkranken Patienten spezialisiert haben, in der Tachodarstellung fälschlicherweise schlechter da als allgemeine Krankenhäuser.“

Ein weiterer eklatanter Fehler des Portals ist, so der BDPK, dass keine Vergleichs- und Durchschnittswerte zu den angezeigten Ergebnissen abgebildet werden. Dadurch mangele es an wesentlichen Orientierungspunkten. „Ein großes Manko ist zudem, dass echte Ergebnisqualitätsindikatoren, die die tatsächliche Qualität der Behandlung bewerten im Portal gänzlich fehlen. Bereits existierende Portale und Initiativen, wie das Deutsche Krankenhausverzeichnis und die IQM sind hier schon wesentlich weiter und für die Patienten viel aussagekräftiger.“

Eklatante Schwächen im Praxistest

Auch Krankenhäuser kritisieren die Online-Plattform, so zum Beispiel das Krankenhaus Saarbrücken. Das Klinikum begrüßt zwar grundsätzlich Transparenz, was Behandlungsqualität und -routine angeht. Im Praxistest würden jedoch eklatante Schwächen beim Klinik-Atlas deutlich.

So sorge beispielsweise die Suche nach der Versorgung von Frühgeborenen sorge für große Irritationen: Zwar findet sich das Klinikum Saarbrücken hier mit sehr vielen Behandlungsfällen (53) auf Platz eins der Liste – aber beispielsweise für das Universitätsklinikum des Saarlandes würden gerade einmal sechs Fälle ausgewiesen, was absolut nicht plausibel erscheine.

„Statt des angekündigten ‚übersichtlichen Wegweisers durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland‘, sehen wir uns in der Praxis mit einer unzureichenden und intransparenten Datenqualität konfrontiert. Das ist für mich nicht nachvollziehbar“, übt Dr. Christian Braun, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor des Klinikums Saarbrücken, Kritik am Bundes-Klinik-Atlas.

Quellen: DDG, BDPK, DKG, Krankenhaus Saarbrücken
 

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