Laut Deutscher Restless Legs Vereinigung leiden in Deutschland mehrere 100.000 Menschen am sogenannten Restless Legs Syndrom (RLS). RLS ist nach wie vor eine unzureichend erkannte Erkrankung, obwohl 2 bis 3 % der älteren Menschen europäischer Abstammung eine medizinische Behandlung benötigen. Patientinnen und Patienten leiden unter chronischem Schlafmangel, einer erheblich reduzierten Lebensqualität und einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand. Die vielschichtige Erkrankung entsteht durch komplexe Wechselwirkungen zwischen genetischen und Umweltfaktoren, allerdings ist die ihr zugrunde liegende Biologie noch weitgehend unbekannt, was die Entwicklung wirksamer Behandlungs- und Präventionsstrategien erschwert.
Datensatz mit mehr als 100.000 Patienten
Ein Forscherteam um Prof. Juliane Winkelmann, Direktorin des Instituts für Neurogenomik von Helmholtz Munich und Direktorin des Instituts für Humangenetik an der TUM, Prof. Konrad Oexle, Gruppenleiter am Institut für Neurogenomik von Helmholtz Munich und TUM-Professor, sowie Forscher Dr. Steven Bell und Prof. Emanuele Di Angelantonio von der Cardiovascular Epidemiology Unit der Universität Cambridge hat nun drei genomweite Assoziationsstudien kombiniert und so einen leistungsstarken Datensatz mit mehr als 100.000 Patienten erstellt, um diese Defizite beheben zu können. In diese Studie wurden Daten des internationalen EU-RLS-GENE Konsortiums, der INTERVAL Studie, und Daten aus dem Forschungsprogramm der DNA-Analyse-Firma 23andMe eingeschlossen.
Ansätze zur Neupositionierung von Medikamenten
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhöhten die Anzahl der genetischen Risikoloci für RLS von 22 auf 164 und führten die erste geschlechtsspezifische genetische Untersuchung für RLS durch. Mit Hilfe modernster statistischer Werkzeuge hat das Team potenzielle neue Arzneimittelziele unter den Kandidatengenen identifiziert und Risikofaktoren und deren Zusammenspiel mit RLS und anderen Merkmalen aufgeklärt. Sie identifizierten 13 Gene, die von zugelassenen Medikamenten anvisiert werden könnten, was vielversprechende Ansätze zur Neupositionierung von Medikamenten zur Behandlung von RLS bieten soll.
Verbesserung der Patientenversorgung?
„Wir haben einen leistungsstarken Datensatz erstellt, der es uns ermöglicht hat, eine signifikante Anzahl genetischer Risikoloci und potenzieller Arzneimittelziele zu identifizieren. Diese Erkenntnisse stellen einen großen Schritt zur Verbesserung der Patientenversorgung dar“, sagt Dr. Barbara Schormair, stellvertretende Leiterin des Instituts für Neurogenomik bei Helmholtz Munich, Hauptkoordinatorin und eine der Erstautorinnen der Studie. Über RLS hinaus habe die Mendelsche Randomisierungsanalyse der Studie gezeigt, dass RLS ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes ist. Weitere Untersuchungen könnten daher dazu beitragen, Typ-2-Diabetes zu bekämpfen. Dr. Chen Zhao, Senior Research Associate am Institut für Neurogenomik bei Helmholtz Munich und am Institut für Humangenetik der TUM sowie einer der Erstautoren der Studie, nutzte darüber hinaus maschinelles Lernen zur Vorhersage des RLS-Risikos. Der Ansatz zeige die beste Leistung, wenn sowohl genetische als auch nicht-genetische Faktoren, einschließlich ihrer komplexen nicht-linearen Wechselwirkungen, einbezogen würden. Die Hoffnung: Diese Erkenntnisse könnten auch die Risikovorhersage für verschiedene andere weit verbreitete Krankheiten verbessern.
Verbesserte, personalisierte Maßnahmen als Ziel
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, mit den Ergebnissen der Studie, das Leben von Millionen von RLS-Patienten erheblich beeinflussen zu können. Das Ziel sind verbesserte, personalisierte Maßnahmen, die darauf abzielen, die Krankheit effektiv zu behandeln oder sogar präventiv anzugehen. „Zum ersten Mal sind wir in der Lage, das Risiko für RLS ausreichend zu bewerten. Es war ein langer Weg, aber jetzt haben wir die Möglichkeit, RLS nicht nur zu behandeln, sondern auch zu verstehen, wie wir diese Erkrankung verhindern können“, sagt Juliane Winkelmann.
Quelle: idw/HZM/TUM
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