Das Proteasom als Recycling-Anlage zerkleinert nicht nur ausgediente oder beschädigte Proteine (wie z.B. falsch gefaltete Proteine oder nicht funktionsfähige Proteine). Die dabei entstehenden Peptide können auch als Bausteine für neue Proteine verwendet oder an die Zelloberfläche gebracht werden, wo sie als „Signalflaggen“ für das Immunsystem dienen. Bestimmte Zellen unserer Immunabwehr prüfen, ob diese körpereigen oder fremd sind. „Anhand der unbekannten Peptide erkennen sie: Hier stimmt etwas nicht! Immunzellen können so zwischen gesunden und infizierten oder krebsartigen Zellen unterscheiden“, erklärt Juliane Liepe, Forschungsgruppenleiterin am Max Plack Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften. Das Immunsystem kann anschließend die befallenen Zellen oder Krebszellen zerstören.
Gespleißte Tumorpeptide für Immuntherapien nutzen?
Allerdings zerlegt das Proteasom nicht nur Proteine zu kleineren Peptiden. Es kann auch mehrere von ihnen wieder zusammenfügen. Dieser Vorgang wird Peptid-Spleißen genannt. Eine beträchtliche Anzahl der Peptide, die dem Immunsystem präsentiert werden, sind solche gespleißten Varianten. Die Forschungsgruppe Quantitative und System-Biologie um Liepe hat sich besonders mit der Frage beschäftigt, welche gespleißten Peptide zur Immunabwehr beitragen. Daneben wird erforscht, nach welchen Regeln das Proteasom diese erzeugt. „Kennt man beispielsweise die gespleißten Tumorpeptide, die Krebszellen dem Immunsystem präsentieren, können sich diese zukünftig möglicherweise für Immuntherapien nutzen lassen. Dazu müssen wir wissen, welche spezifischen Peptide das Proteasom produziert und welche Bedeutung diese haben“, erklärt die Bioinformatikerin.
Größten bekannten Datensatz von Peptiden erzeugt
Die Forscherinnen und Forscher stellten im Laborexperiment nach, wie das Proteasom ganze Proteine abbaut. Dabei wurden auch die dabei erzeugten Peptide qualitativ und quantitativ bestimmt. Für dieses umfangreiche Projekt kooperierte das Forschungsteam eng mit Wissenschaftlern vom Francis Crick Institute und dem King’s College London (Großbritannien), der National University of Singapore sowie Teams um Stefan Becker, Ashwin Chari und Henning Urlaub am MPI. Zusammen konnten sie so den größten bekannten Datensatz von Peptiden erzeugen, die vom Proteasom unter Laborbedingungen aus Proteinen produziert werden.
Neuartige Impfstoffe gegen Krebs oder Infektionskrankheiten entwickeln?
Neben biochemischen Experimenten und Massenspektrometrie-Methoden nutzten die Forscherinnen und Forscher auch computergestützte Verfahren, zum Teil basierend auf maschinellem Lernen. „Wir haben unter anderem neue Computerprogramme entwickelt, um nicht-gespleißte und gespleißte Peptide zu identifizieren und quantifizieren“, erzählt Liepe. Anhand ihrer Daten sind die Wissenschaftler einigen Geheimnissen des Proteasoms auf die Schliche gekommen. Weder das Zerschneiden noch Zusammenfügen von Peptiden geschieht zufällig. „Wir fanden heraus, dass das Proteasom bevorzugt bestimmte Proteinbereiche verarbeitet“, erklärt Michele Mishto, Leiter der Londoner Forschungsgruppe. „Das liegt unter anderem an Präferenzen des Proteasoms für gewisse Abfolgen der Proteinbausteine“, berichtet Wai Tuck Soh. „Außerdem entdeckten wir eindeutige Merkmale, wie sich gespleißte von nicht-gespleißten Peptiden unterscheiden“, ergänzt Hanna Rötschke, die neben Soh und John Cormican Erstautorin der erschienenen Arbeit ist.
„Wenn wir wissen, wie das Proteasom Immunpeptide erzeugt, können wir Peptid-Spleißen vorhersagen. Diese Vorhersagen könnten in Zukunft wiederum dabei unterstützen, neuartige Impfstoffe gegen Krebs oder Infektionskrankheiten zu entwickeln“, so die Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin Liepe.
Quelle: idw/MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
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