Post-Covid-Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen unterschätzt?
Der Studie zufolge war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und Jugendliche, die mit COVID-19 infiziert waren, drei Monate oder länger nach der Infektion Gesundheitsprobleme hatten, um 30 Prozent höher als in der Kontrollgruppe. Bei Erwachsenen waren es 33 Prozent.
Psychische Gesundheitsprobleme
Die Symptome unterschieden sich je nach Altersklasse: Kinder und Jugendliche litten am stärksten an Unwohlsein, Müdigkeit, Erschöpfung, Husten sowie Hals- und Brustschmerzen. Aber auch die Raten von Kopfschmerzen, Fieber, Bauchschmerzen, Angstzuständen und Depressionen waren erhöht. Bei Erwachsenen wurden drei Monate nach einer COVID-19-Infektion vor allem Geruchs- und Geschmacksstörungen, Fieber und Atemnot diagnostiziert, ferner auch Husten, Hals- und Brustschmerzen, Haarausfall, Müdigkeit, Erschöpfung und Kopfschmerzen. Das Risiko für neu auftretende psychische Gesundheitsprobleme war bei Kindern und Jugendlichen höher als bei Erwachsenen, während das Gegenteil für Lungenleiden zutraf. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Infektion und Symptom kann anhand der Daten aber nicht hergestellt werden.
Risiko höher als erwartet
Bisher wurde bei Kindern und Jugendlichen das Risiko für eine Post-Covid-Symptomatik als eher gering beschrieben. Und auch die Forschenden aus Dresden schreiben, dass Kinder und Jugendliche seltener betroffen sind als Erwachsene. Dennoch zeigten die Daten eindrücklich, dass alle Altersklassen von langfristigen Symptomen nach einer Infektion betroffen sein können, heißt es. Damit stehen ihre Ergebnisse im Gegensatz zu jenen früherer epidemiologischer Studien, in denen keine signifikanten Unterschiede zwischen infizierten Kindern und Jugendlichen und Kontrollgruppen festgestellt wurden.
Abgleich mit Krankenkassendaten
Eine Besonderheit der Dresdner Studie ist der Abgleich mit anonymisierten Krankenkassendaten nach dem Vorbild israelischer und britischer Studien: Die Forschenden erstellten zunächst einen Datensatz mit 11.950 Kindern und Jugendliche sowie 145.184 Erwachsenen, die sich nachweislich zwischen 2019 und 2020 mit COVID-19 infiziert hatten. Anschließend verglichen sie die Diagnosen, die mindestens drei Monate nach der Infektion in die Krankenakte eingetragen wurden, mit einer Kontrollkohorte von mehr als 750.000 nicht infizierten Personen mit gleichem Alter, Geschlecht und gleichen Vorerkrankungen. Die Daten stammen von sechs deutschen Krankenkassen.
Studiendesign in Kritik
Berücksichtigt wurden Infektionen bis Mitte 2020, was bedeutet, dass weder Infektionen durch die Omikron-Variante noch Effekte der SARS-CoV-2-Impfungen erfasst wurden, wie Expertinnen und Experten kritisieren. Auch die Vermischung von stationären (sogar intensivmedizinischen) und ambulanten Fällen verzerre das Bild, findet Prof. Dr. Clara Lehmann, Fachärztin für Innere Medizin, Infektiologie, Reisemedizin und Leiterin des Infektionsschutzzentrums, Uniklinik Köln. Zudem hält sie das Follow-up mit nur sechs Monaten für relativ kurz. Und: In der der Kohorte habe es sich um ungeimpfte Personen gehandelt, „die wir in dieser Form aktuell nicht mehr finden“.
Widerspruch zu anderen Studien
Auch Prof. Dr. Martin Scherer, Leiter des Instituts und der Poliklinik für Allgemeinmedizin sowie Leiter des Zentrums für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sieht aufgrund des Studiendesigns Einschränkungen bei der Aussagekraft der erhobenen Daten: „Die Studie ist eine retrospektive Matched-Control-Studie, die auf Routine-Daten und insbesondere Diagnosecodierungen basiert, sodass es hier erhebliche Unschärfen gibt. Damit wird es schwer, sicher zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Die Studien-Autorinnen und Autoren wiesen schließlich auch selbst darauf hin, dass die Ergebnisse teils im Widerspruch zu anderen (europäischen) Studien stehe, in denen sich weniger starke Auswirkungen bei Kindern und Jugendlichen zeigten.
Quelle: SMC
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