Allein in Deutschland sind laut Deutscher Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen 400.000 Menschen betroffen. Nach der Alzheimer-Krankheit ist es hierzulande die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Es handelt sich bei Morbus Parkinson um eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, die unter anderem zu steifen Muskeln (Rigor), verlangsamten Bewegungen (Bradykinese) und unkontrollierbarem Zittern (Tremor) führt. Die motorischen Störungen zählen zu den typischen Parkinson-Symptomen. Ein etabliertes Therapieverfahren dieser Bewegungseinschränkungen ist die Tiefenhirnstimulation, kurz THS. Bei der umgangssprachlich auch als Hirnschrittmacher bezeichneten Behandlungsform wird der Nucleus subthalamicus in den Basalganglien des Gehirns elektrisch stimuliert, um insbesondere die Bewegungsgeschwindigkeit zu verbessern. Der Nachteil: Bei einigen THS-Patientinnen und -Patienten kommt es durch die Stimulation des Hirnnervenkerns gleichzeitig zu einer unerwünschten Beschleunigung der Entscheidungsfindung.
Möglichst nicht vorschnell handeln
Welche Bedeutung die Beschleunigung der Entscheidungsfindung im Alltag der Betroffenen haben kann, beschreibt Univ.-Prof. Dr. Sergiu Groppa, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neurostimulation der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, am Beispiel eines Restaurant-Besuchs: „Die THS soll den Betroffenen helfen, ihre Bewegungen kontrollierter ausführen zu können, beispielsweise beim Essen mit Besteck. Sie sollten dabei zudem aber weiterhin in der Lage sein, die Geschwindigkeit ihrer Entscheidungen zu steuern, um nicht etwa vorschnell das erste Gericht auf der Speisekarte zu bestellen.“
Verbessertes THS-Verfahren entwickelt
Die Studienergebnisse der Forscherinnen und Forscher um Professor Groppa stellen einen vielversprechenden Ansatz dar, um die THS weiterzuentwickeln. Die neurowissenschaftlichen Untersuchungen der Aktivität des Nucleus subthalamicus haben gezeigt, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Kontrolle der Bewegungsgeschwindigkeit und der Regulation der Geschwindigkeit von Prozessen zur Entscheidungsfindung gibt. So konnten die Studienteilnehmer Bewegungen schnell ausführen, ohne dass sie gleichzeitig Entscheidungen schneller treffen mussten und umgekehrt. Ausgehend von dieser Erkenntnis haben die Mainzer Wissenschaftler/-innen ein verbessertes THS-Verfahren entwickelt.
Stromimpulse in kurzen Intervallen
„Durch eine neue Form der Neurostimulation, bei der die Stromimpulse nur in kurzen Intervallen – sogenannten Bursts – gegeben werden, ist es uns gelungen, die Motorik der Patientinnen und Patienten noch gezielter und separat von der Entscheidungsfindung zu beeinflussen“, erläutert Groppa. An der Studie nahmen insgesamt 15 Parkinson-Patientinnen und -Patienten teil, bei denen im Vorfeld ein Tiefenhirnstimulator zur Behandlung der Bewegungsstörungen implantiert worden war. Um die Mechanismen der Bewegungs- und Entscheidungskontrolle im Gehirn zu erforschen, gaben die Wissenschaftler/-innen kurze Stimulationsimpulse und erstellten Aufnahmen der elektrischen Aktivität des Nucleus subthalamicus der Probandinnen und Probanden.
Eine THS kommt in der Regel zur Anwendung, wenn die medikamentöse Parkinson-Therapie nicht mehr ausreichend ist und die Betroffenen deshalb an Lebensqualität verlieren. In einem operativen Eingriff werden dabei unter Vollnarkose zunächst kleine Elektroden im Gehirn platziert. Diese werden mit einem Impulsgenerator verbunden, der auf dem Brustkorb implantiert wird. Die THS-Therapie ist vollständig reversibel – der Hirnstimulator kann abgeschaltet und wieder komplett aus dem Körper entfernt werden.
Quelle: idw/Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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